
© Ahmed Mostafa El Sheikh/dpa
Extreme Überschwemmungen: Afrikas Sintflut
Zerstörte Häuser, überschwemmte Felder: Teile des Kontinents sind von extremen Regenfällen betroffen. Noch nie hatten die Menschen mit derartigen Wassermassen zu kämpfen.
Stand:
In Dakar, der Hauptstadt des westafrikanischen Staates Senegal, fällt an einem Tag so viel Regen wie sonst in einem Jahr. In Niamey, der Hauptstadt des staubtrockenen Sahelstaats Niger, werden mehr als 34 000 Häuser von beispiellosen Niederschlägen zerstört sowie Tausende von Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche überflutet.
Im Sudan wird der Notstand ausgerufen, nachdem der Nil wie nie zuvor über seine Ufer tritt und mehr als 2000 Jahre alte Pyramiden des kuschitischen Königreichs gefährdet. Vom Senegal im Westen bis zu Äthiopien im Osten des Kontinents kommen in elf afrikanischen Staaten mehr als 200 Menschen bei Überflutungen ums Leben.
Und: „Die Regenzeit ist noch lange nicht vorbei“, sagt Julie Belanger, Direktorin des humanitären Hilfswerks der Vereinten Nationen (Ocha) in West- und Zentralafrika.
Keiner kann sich an derartige Zustände erinnern. Dass es in der wüstenähnlichen Sahelzone zu Überschwemmungen kommt, ist zwar nicht ungewöhnlich. Doch bislang ereigneten sie sich höchstens zwei Mal. Seit Anfang dieses Jahrtausends aber mehr als acht Mal im Jahr.
Das ist im US-Journal für „Flood Risk Management“ nachzulesen. „Der Regen fällt immer häufiger zu früh, zu spät, gar nicht oder in zu großen Mengen“, sagt Bettina Iseli, Programmdirektorin der Welthungerhilfe. „Das Wetter ist verrückt geworden.“ Allein in West- und Zentralafrika sind von den jüngsten sintflutartigen Regenfällen mehr als 800 000 Menschen betroffen, in Ostafrika sollen es sogar 2,4 Millionen sein.
Am schlimmsten trifft es den Sudan
Am schlimmsten hat es den Sudan getroffen. In der Hauptstadt Khartum, wo der Blaue und der Weiße Nil zusammenfließen, wurden ganze Stadtteile überflutet, Zigtausende Häuser zerstört und über hundert Menschen getötet. Der Wasserstand des Nils wird mit 17,57 Meter gemessen – so hoch wie noch nie.
Die Sudanesen könnten von Glück reden, dass Äthiopien im Juli mit dem umstrittenen Aufstauen des Blauen Nils begann, teilt die Regierung in Addis Abeba mit – anderenfalls wären zusätzliche fünf Milliarden Kubikmeter Wasser den Fluss hinabgeflossen. Auch der Weiße Nil trat über die Ufer.

© Sani Maikatanga/AP/dpa
Im vom Bürgerkrieg zerstörten Südsudan rissen die immensen Fluten fruchtbare Ländereien, Kuhherden und ganze Dörfer mit sich. Mehr als 500 000 Südsudanesen seien von den Wassermassen heimat- und mittellos gemacht worden, teilt die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen mit.
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In der Sahelzone, die sich südlich der Sahara vom Senegal über Mali, Burkina Faso, Niger, Nigeria und den Tschad bis zur Zentralafrikanischen Republik erstreckt, trat sowohl der Niger-Fluss wie auch der Tschad-See über die Ufer; der Wasserstand des Nigers erreichte seinen höchsten Stand seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1929.
Seit den Dürrekatastrophen in den 70er und 80er Jahren werden die Wetterkapriolen in der Sahelzone immer unberechenbarer. Monatelange Phasen völliger Trockenheit werden von sintflutartigen Regenfällen abgelöst. Inzwischen sollen mehr als 25 Millionen Menschen in der Region auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen sein.
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Nach Auffassung von Sylvie Galle vom westafrikanischen Klima-Institut Amma- Catch legen die derzeitigen Niederschläge nahe, dass mit den „schlimmsten Voraussagen“ der Expertengruppe für den Klimaschutz zu rechnen sei. Auch für Wafa Essahli, Ex-Direktorin des Observatoriums für die Sahara und Sahelzone (OSS), gibt es keine Zweifel daran, dass die derzeitigen Unwetter mit dem Klimawandel zusammenhängen.
Schuld sind auch Regierungen
Erschwerend komme allerdings hinzu, dass die Regierungen der Region nicht die nötigen Konsequenzen ergreifen. „Auch in der Schweiz kommt es zu heftigen Regenfällen. Aber dort findet sich die Bevölkerung nicht dauernd mit Wasser in ihren Wohnzimmern wieder.“
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Die Regierenden müssten dafür sorgen, dass die wachsende Bevölkerung nicht in Flussebenen siedle und die Wettervorhersagen und -warnungen zuverlässiger würden. Auch die SturmwasserDrainagen in Städten seien dringend zu verbessern. Dakar verabschiedete bereits vor acht Jahren ein 1,4 Milliarden USDollar umfassendes Programm zur Drainage des Regenwassers, das allerdings bis heute nicht verwirklicht wurde.
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Das „International Water Management Institute“ erforscht derzeit Möglichkeiten, Flutwasser in natürlichen unterirdischen Reservoirs zu sammeln, um sie in Dürrezeiten anzapfen zu können. In einer soeben veröffentlichten Studie des Instituts heißt es, auf diese Weise könne sowohl das Problem der Überschwemmungen wie das des zunehmenden Wassermangels gelöst werden.
Johannes Dieterich[Johannesburg]
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