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Nationale Reserven: Erbsen für den Notfall

Es gibt eine Vielzahl "nationaler Reserven" in Deutschland, nur für Streusalz nicht. Das fordert nun FDP-Politiker Patrick Döring. 2005 hatte FDP-Politiker Dirk Niebel noch gefordert, die nationale Erbsenreserve aufzulösen.

Da richtige Winter eher selten geworden sind, gibt es in Deutschland offenbar ein paar Anpassungsschwierigkeiten an das Wetter. Fußwege und Nebenstraßen werden schon seit Wochen nicht mehr mit Salz gestreut, entsprechend glatt ist es. Angesicht des Salzmangels preschte der FDP-Politiker Patrick Döring nun mit der Idee einer deutschlandweiten Streusalzreserve vor. Der Bund müsse, fordert Döring, alle Länder „zur Vorhaltung einer Mindestreserve an Salz drängen, damit im gesamten Bundesgebiet die Bundesverkehrswege auch in Wintersituationen uneingeschränkt befahrbar sind“.

Diese Liebe zur staatlichen Vorsorge ist für die FDP eher ungewöhnlich. Schließlich hat der damalige FDP-Generalsekretär und heutige Entwicklungsminister Dirk Niebel 2005 im Tagesspiegel noch gefordert, die nationale Erbsenreserve aufzulösen. „Die Lagerung von 25 000 Tonnen Trockenerbsen für Notzeiten kostet pro Jahr 100 000 Euro“, rechnete er damals vor.

Tatsächlich hat Deutschland eine Vielzahl von „nationalen Reserven“ zu bieten. Neben den Erbsen, mit denen auch Linsen gelagert werden, gibt es weitere Lebensmittel, die im Rahmen der „zivilen Notfallreserve“ gelagert werden. Dazu gehört eine nationale Getreidereserve (Weizen, Roggen, Hafer), eine Reisreserve (Lang- und Rundkornreis) sowie Kondensmilch und Milchpulver. Dafür bezahlt der Bund Lagerhäuser in ganz Deutschland und tauscht die Waren regelmäßig aus, wenn das Haltbarkeitsdatum abläuft. Zuständig dafür ist das Bundesamt für Landwirtschaft und Ernährung. Es gibt übrigens in Deutschland auch rund 5000 Trinkwassernotbrunnen. Die Rechtsgrundlage für die Lebensmittelvorräte des Bundes ist das „Ernährungssicherstellungsgesetz“, das aus dem Jahr 1965 stammt und seither ein paar Mal verändert worden ist.

Doch die Lebensmittelreserven sind nicht die einzigen Vorräte, die in Deutschland für den Notfall gelagert werden. Nach Angaben der Deutschen Bundesbank sind die deutschen Goldreserven 3400 Tonnen schwer. „Der Devisenbestand beläuft sich auf 26 Milliarden Euro“, sagt eine Sprecherin der Bundesbank. Darüberhinaus gibt es eine „strategische Erdölreserve“, die 90 Tage weit reichen muss. Dafür hat der Bund den Erdölbevorratungsverband gegründet, dessen Tochterfirma Nord-West-Kavernengesellschaft Rohöl in Salzstöcken lagert. Für die Vorräte von Motorenbenzin, Dieselkraftstoff, Heizöl oder Flugturbinenkraftstoff schließt der Verband Verträge über Tankkapazitäten mit der Mineralölwirtschaft ab. Das Erdölbevorratungsgesetz stammt aus dem Jahr 1978 als Reaktion auf die Ölkrise. Nach den wiederholten Konflikten zwischen der Ukraine und Russland über Erdgaslieferungen gab es im vergangenen Jahr auch eine Debatte über eine „nationale Gasreserve“, die bisher jedoch zu nichts weiter geführt hat. Allerdings haben die Gasversorger selbst Vorräte für schlechte Zeiten angelegt.

Neben Geld, Lebensmitteln und Erdöl gibt es auch noch schwerer überblickbare nationale Reserven, die überwiegend von den Ländern angelegt werden müssen: Dabei geht es um Verbandsmaterial, Krankenhausbetten und Medikamente für den Katastrophenfall. Der Bund ist dabei lediglich für zwei Reserven mitverantwortlich: Bund und Länder lagern so viel Tamiflu, ein Grippemedikament, dass 20 Prozent der Bevölkerung damit versorgt werden könnten, wenn eine Pandemie das Land erreicht, die schwerere Folgen hat als die Schweinegrippe. Außerdem gibt es eine Pockenreserve, das ist ein Impfstoff gegen die tödliche Krankheit für die gesamte Bevölkerung. Diese wurde angelegt, um im Fall eines Angriffs mit biologischen Waffen zumindest gegen die Gefahr von Pockenerregern gewappnet zu sein. Die Apotheken sind zudem gesetzlich dazu verpflichtet Medikamentenvorräte für mindestens zwei Wochen vorzuhalten. Ähnliches gilt für die Krankenhäuser. Vor der Fußballweltmeisterschaft hat das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenvorsorge zudem Krankenhäuser in 27 Städten, vor allem WM-Austragungsorten, mit Sanitäts-Paketen ausgestattet. Damit sollten sie auf viele Verletzte, etwa im Fall eines Terroranschlags vorbereitet sein.

Angesichts des Klimawandels erscheint eine „nationale Streusalzreserve“ eher weniger notwendig. Über nahezu jede nationale Reserve gibt es, wenn die Preise steigen, Debatten. Viele Politiker haben 2008, als ein Barrel Erdöl 100 Dollar kostete, verlangt, die strategischen Ölreserven zumindest teilweise aufzulösen. Dagegen hat die Getreidereserve seit den Unruhen wegen der hohen Lebensmittelpreise im Jahr 2008 in vielen Ländern wieder Konjunktur. Staaten, die sie aufgelöst haben, denken über einen Wiederaufbau nach. Ob sie mitten in Europa, wo ein neuer Krieg eher unwahrscheinlich ist, tatsächlich noch notwendig ist, darüber lässt sich trefflich streiten.

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