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Ein Fahrrad lehnt in Hannover an einer Wand. Was wären moderne Eltern ohne Kindergärten? Früher versorgten Großeltern die Kinder. Heute müssen Erwachsene häufig Kinder und Großeltern pflegen.

© dpa

Studie des Familienministeriums: Sie haben doch keine Zeit

Kinder großziehen, die Oma pflegen, arbeiten - die "gehetzte Generation" will laut einer neuen Studie vor allem eins: mehr Zeit für die Familie.

Die „gehetzte Generation“ kämpft sich durch die „Rushhour des Lebens“ auf der Suche nach einer besseren „Work-Life-Balance“. Die Debatte um überforderte Bürger ist nicht nur voller Anglizismen, sondern hat auch stets den gleichen Befund: Deutsche arbeiten zu viel und haben zu wenig Zeit für alles andere, vor allem für die Familie.
Im Alter zwischen 25 und 50 sollen die Menschen mehrere Kinder großziehen, ihre Eltern versorgen und dabei noch genug Geld verdienen, um sich Haus und Auto zu finanzieren. Was heutzutage bedeutet, dass meist beide Elternteile arbeiten müssen. Doch wie soll das alles ohne Abstriche funktionieren?
Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) wurde 2014 für ihren Vorschlag einer Familienarbeitszeit, also der 32-Stunden-Woche für junge Eltern bei staatlichem Lohnausgleich, aus dem Kanzleramt noch übel abgekanzelt. Doch Schwesig versucht es weiter – diesmal soll eine breit angelegte Studie die nötige Munition liefern. Dafür hat sie das Statistische Bundesamt eingespannt. 11 000 Menschen in 5000 Haushalten haben in Zehn-Minuten-Schritten dokumentiert, wie sie ihre Tage verbringen.
Fast ein Drittel aller Väter wünscht sich mehr Zeit für die Kinder, beinahe jede fünfte Mutter ebenso. Ob das nun viel ist oder im Gegenteil heißt, dass die meisten Eltern zufrieden mit ihrem Arbeits-Familienleben-Gleichgewicht sind, bleibt natürlich interpretierbar.

Wie sehr die Debatte um neue Arbeitsmodelle eine ideologische ist, beweist aber noch vielmehr der Befund, dass Mütter etwa doppelt so viel Zeit mit ihren Kindern verbringen, wenn sie nicht arbeiten. Bei der Vorstellung der Studie am Mittwoch in Berlin beeilte sich Schwesig sogleich zu betonen, dass arbeitende und nicht arbeitende Mütter bei „wertvollen“ Aktivitäten wie etwa Vorlesen ebenso viel Zeit aufwenden würden. „Dies sollten sich alle anschauen, die immer noch eine Rabenmutter-Diskussion führen.“ Es scheint angesichts dieser Zahlen aber zumindest vorstellbar, dass CSU-Politiker die Schwesig-Studie auch anführen könnten, um für das Betreuungsgeld zu werben. Die Frage, ob es wichtiger ist, dass Frauen arbeiten oder ob Mutter- Kind-Zeit über alles geht, kann nur individuell beantwortet werden. Und dass nicht alle ideologischen Prämissen der drei Koalitionsparteien in einen gemeinsamen familienpolitischen Ansatz passen, ist wohl unstrittig.
Schwesig immerhin rudert, damit ihre Familienarbeitszeit eine Chance hat, vorsorgend zurück und sagt, dass es für Eltern mit 32-Stunden-Woche „keinen vollen Lohnausgleich“ geben kann. Auch solle keine Familie gezwungen werden, die Kinderbetreuung gleichmäßig aufzuteilen. Es gehe ihr um die Eltern, die sich eine fairere Lastenverteilung als bisher wünschen.

Um möglichst wenig Angriffsfläche zu bieten, versucht die Ministerin, die Familienarbeitszeit nicht als linkes, feministisch angehauchtes politisches Vorhaben zu positionieren, sondern beispielsweise als Mittel gegen die Altersarmut bei Frauen. „Die Familienarbeitszeit ist nicht Sozialromantik. Sondern die knallharte Antwort auf die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen.“ Mit solchen Sätzen soll auch die Union für das Vorhaben gewonnen werden – die Sozialromantiker links der Mitte sollten ohnehin dafür sein. Auch auf Schwesig selbst trifft damit das zu, was sie als Hauptproblem der Eltern ausgemacht hat: „Sie wollen eben allen Ansprüchen gerecht werden.“

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