Panorama: Solange die Pumpe mitmacht
Der Besucherstrom der Politiker gefällt nicht allen Hitzackern. Dabei konnten die durchaus helfen
Viele der Mächtigen waren gekommen, in die versunkene Stadt Hitzacker, vom Ministerpräsidenten bis zum Umweltminister, und am Sonntag schließlich sogar die Kanzlerin. Nicht alle Hitzacker sind darüber glücklich: „Das war schon ein sehr schneller Besuch“, sagt der FeuerwehrSprecher Johann Fritsch. Die Stippvisite von Angela Merkel kam nicht überall gut an im niedersächsischen Städtchen. Wenige Minuten nur war sie in der Innenstadt, stand dort umringt von einer Traube aus Reportern und Kameraleuten und führte nur zwei kurze Gespräche mit Bürgern. Normalerweise hätte sie doch anordnen können, die Betroffenen statt der Presse vorzulassen, wundern sich Menschen aus Hitzacker. Die Hilfskräfte hingegen sind zufrieden, ohne Presse saßen sie eine halbe Stunde an einem Esstisch im Hotel Waldfrieden und erklärten der Kanzlerin und Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff die Lage. Angela Merkel fragte, wer sich genau um was kümmert, und was noch benötigt würde, sagte ein weiterer Feuerwehr-Sprecher. So erklärte etwa die DLRG ihre Deichsicherungs-Methode vom Wasser aus, und das Technische Hilfswerk sagte, dass es mehr Pumpen bräuchte. Man müsste einen Sammelplatz für diese einrichten, wo die Einwohner sich unbürokratisch bedienen könnten. Wulff sagte zu, dass die Pumpen Dienstag da seien – notfalls würde er sie eigenhändig herbringen. Und tatsächlich: Montagmittag liegen 20 Kleinpumpen am Rathaus bereit, und mehr bräuchte man momentan auch nicht. Ändert sich das, könnte innerhalb einer Viertelstunde Nachschub herbeigeschafft werden.
Momentan harrt man also aus in Hitzacker. Fünf Zentimeter ist das Wasser gefallen, seit dem Scheitelpunkt am Sonntag, 7 Meter 58 beträgt der Pegelstand einen Tag danach. „Es geht ganz langsam runter, aber die Lage entspannt sich nicht, bis wir wissen, dass die Deiche der Jeetzel halten“, sagt Feuerwehr-Sprecher Johann Fritsch. Wie Flickwerk sähen die aus, bestückt mit Folien, Säcken, Netzen.
Einer, der früher als Christian Wulff mit Pumpen zur Hilfe eilte, ist Behrend-Christian Schuchmann. Der Berufstaucher las an seinem Frühstückstisch in Hamburg von der Stadt, die unter Wasser steht. Er erinnerte sich an seinen ehemaligen Arbeitskollegen, der von dort kam und ihm schon 2002 erzählte, wie schlimm es dort sei: dass die Altstadt immer von den Flüssen Jeetzel und Elbe umschlossen sei, und sich deshalb bei Hochwasser zu einer traurigen Version von Venedig verwandle. Und dass die Samtgemeinde – so nennen sich in Niedersachsen die zusammengeschlossenen Kleingemeinden – damals mit der Organisation und Hilfen etwas überfordert war. Der Mann organisierte fünf Wasserpumpen – „100 Kubikmeter Wasser schaffen die in einer Stunde, das ist ein bisschen mehr als die Gartennummer“ – und zwei Notstromaggregate, packte Schläuche und Stromkabel auf den Anhänger, Werkzeug und Tauchanzüge in seinen Sprinter und fuhr los. Samstag baute er die Pumpen auf, vier Familien und einem Museum konnte er so helfen.
Seitdem macht Schuchmann Tag für Tag seine Kontrollrunde, klappert Haus für Haus ab, ob alle Pumpenleiher mit den Maschinen zurechtkommen. Die Runde beginnt in einem Garten jenseits der Altstadt. Hier betrachtet er „Wasserspiele". So bezeichnet der Gartenbesitzer seine Fontänen aus Pumpwasser. Zwei Bassins hat er aus mehr als 2000 Sandsäcken, das sind vier Traktor-Anhänger voll, gebaut, der Wasserstand wird immer niedriger in Richtung Haus. Aus jedem Becken sprüht in weitem Bogen ein Wasserstrahl in das jeweils hintere Becken. „Wäre es Sommer, könnten wir hier Reisterrassen anlegen“, sagt der Gartenbesitzer in Oberschenkel-hohen Gummistiefeln. Er ist auf der sicheren Seite, solange sein Stufenmodell funktioniert. Zeit für ein bisschen schwarzen Humor. Für die nächsten Pumpenbesichtigungen schlüpft Schuchmann in einen Taucheranzug, an den die Gummistiefel direkt angeschweißt sind. Das Wasser steht kniehoch, drückt fest die Hosen an die Beine. Neben dem „Bistro Sunrise“ steht ein THW-Wagen, beladen mit der größten Version eines Notstromaggregats. „Die schließt man direkt dort an die Schaltkästen an, wo eigentlich das Hauptkabel von den Kraftwerken hineingeht“, sagt Behrend-Christian Schuchmann. Ein rotes Greenpeace-Boot wird von zwei jungen Menschen in Fischerhosen-Montur vorbeigezogen. „Jetzt kommen noch zwei Berufstaucher, die müssen in der Altstadt unter Wasser ein Haus abdichten, von oben draufstapeln hilft nicht mehr“, sagt ein blondgelockter Greenpeace-Aktivist lachend zu Schuchmann. „Helfen macht ja auch Spaß“, sagt er fast entschuldigend über seine gute Laune. Studentische Helfer aus ganz Deutschland hat Greenpeace hier, sechzig sind es. Schulterhoch sind die Stege, steht man im Wasser. Der Pumpenverleiher, auch schon 55, stemmt sich auf die Alustege, das Wasser trieft von Hose und Stiefeln. Hier am Museum „Altes Zollhaus“ steht auch eine seiner Pumpen. Es sieht verhältnismäßig gut aus, im Hof sind die Pflastersteine sogar trocken hinter der Mauer aus Brettern, Folie, Säcken. Die Pumpe rattert laut, Schuchmann muss schreien: „Alles in Ordnung?“ Der Mann an der Pumpe nickt. Ein Plakat am Fenster gibt einen höhnischen Kommentar ab: Es kündigt die Ausstellung „Klingendes Metall, klingendes Wasser“ an.