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Die Mechanisierung der Landwirtschaft ist bisher überwiegend in Südafrika angekommen. Doch der Landmaschinenhersteller Agco sieht auf dem ganzen Kontinent großes Potenzial für den Einsatz von an die kleinräumige Landwirtschaft angepasste Strukturen.

© picture-alliance/dpa

Flüchtling aus Somalia: Vom Asylbewerber zum Topmanager

Der aus Somalia stammende Nuradin Osman ist heute Topmanager eines weltweit agierenden Landmaschinenherstellers. Er ärgert sich über diskriminierende Gesetze und hofft, dass die Europäer Exil-Afrikanern mehr zutrauen

Die Karriere von Nuradin Osman beginnt auf einem Parkplatz in einer niederländischen Kleinstadt. Der junge Somalier lebte als anerkannter Asylbewerber, längst mit einem niederländischen Pass ausgestattet, von Gelegenheitsjobs. Er habe damals „angestrengt nachgedacht“, warum er nichts Besseres habe finden können, erzählt er. Dann habe er in der Zeitung gelesen, dass der Chef einer Schweizer Firma, die Bodenbeläge herstellt, nach „guten Leuten sucht“, so erzählt es sein späterer Chef Martin Richenhagen, der seit 2004 mit der Firma Agco einen der größten Landmaschinenhersteller der Welt leitet. Der junge Mann stand also morgens vor 8 Uhr auf dem Parkplatz – und Richenhagen war kurz irritiert. Osman trat an seinen Wagen heran und sagte: „Sie suchen gute Leute? Hier bin ich.“
Richenhagen hat das imponiert und er versprach Osman ein Vorstellungsgespäch. Doch dann verließ er seine alte Firma und wurde Chef des Unternehmens, dessen Geschicke er nun seit mehr als zehn Jahren bestimmt. Die Versionen der beiden Männer unterscheiden sich ein wenig darin, wie die Geschichte weiterging. Aber wie auch immer sie wieder in Kontakt gekommen sind, Osman durfte sich beim britischen Traditionshersteller von Traktoren, Massey Ferguson, der zu Agco gehört, vorstellen. „Sie haben mich nach Excel-Kenntnissen gefragt“, erinnert er sich. Er hatte keine. „Sie haben mich nicht genommen.“ Aber drei Monate später habe er einen Anruf bekommen, dass er drei Monate lang auf Probe arbeiten dürfe. Er wohnte bei einer Schwester in Birmingham, stand jeden Morgen um 5 Uhr auf, um pünktlich im Werk zu sein, und musste vom Bahnhof fünf Kilometer laufen, bis er an seiner Arbeitsstelle war. Nach weiteren elf Monaten bekam er einen Vertrag. Osman, heute 40 Jahre alt, lacht, wenn er an diese Zeit denkt.

Nuradin Osman leitet das Afrika-Geschäft des Agrarkonzerns Agco seit 2011. Vor wenigen Tagen hat er in Berlin beim vierten Agco-Afrikagipfel dafür geworben, mehr in die Landwirtschaft in Afrika zu investieren. Sein Unternehmen hat in Sambia eine Lehrfarm aufgebaut. In Tansania soll demnächst eine zweite folgen.
Nuradin Osman leitet das Afrika-Geschäft des Agrarkonzerns Agco seit 2011. Vor wenigen Tagen hat er in Berlin beim vierten Agco-Afrikagipfel dafür geworben, mehr in die Landwirtschaft in Afrika zu investieren. Sein Unternehmen hat in Sambia eine Lehrfarm aufgebaut. In Tansania soll demnächst eine zweite folgen.

© promo

Als Richenhagen beschloss, dass Agco sein Geschäft auf Afrika ausweiten sollte, erinnerte er sich an den forschen jungen Somalier und machte ihn zu seinem Assistenten. „Es war schwierig, ihn in die USA zu bringen“, wo der Firmensitz ist, berichtet Richenhagen. „Geboren in Mogadischu, Moslem, das reicht, um Visa abzulehnen“, sagt er. Eine Erfahrung, die Osman nur bestätigen kann. Die Anti-Terrorgesetze der vergangenen Jahre „richten sich eigentlich nur gegen Leute wie mich“, sagt er bitter. Obwohl er schon seit Jahren einen europäischen Pass hat, „werde ich aus jeder Warteschlange am Flughafen rausgezogen und behandelt wie ein Verbrecher“.
Aber Osman ist ein Kämpfer – und hat es geschafft, das Management von Agco von seiner Afrika-Strategie zu überzeugen. Zur Grünen Woche hat der Konzern zum vierten Mal eine Afrika-Konferenz veranstaltet, bei der Ex-Präsidenten aus Afrika ebenso zu Wort kommen wie Chefinnen von Kleinbauerninitiativen, Regierungsvertreter etwa aus der Demokratischen Republik Kongo oder die Chefs von Unternehmen, die mit der Landwirtschaft ihr Geld verdienen – vom Düngemittelhersteller über den Bewässerungsspezialisten und der Agrarbank Rabo aus den Niederlanden. Nuradin Osman leitet inzwischen von der Schweiz aus das Afrikageschäft von Agco. Als er sich in Südafrika bei den 60 Landmaschinenhändlern und Händlern von Ersatzteilen für die Maschinen vorstellte, „war ich schockiert“, erzählt er und schüttelt den Kopf. „Ich war der einzige Schwarze im Raum.“
Dass Richenhagen gut daran getan hat, Osman zu vertrauen, zeigen die Zahlen, die seit Jahren sprunghaft nach oben gehen. In Sambia hat Agco eine Ausbildungsfarm eröffnet, in Tansania soll demnächst eine zweite folgen. Die Geschäfte laufen.

Seit Jahrzehnten stellt sich in Afrika keine "grüne Revolution" ein, die vom Einsatz von Dünger und Pestiziden eigentlich erwartet worden war. Diese teuren Betriebsmittel sind für die Kleinbäuerinnen - die Basis der afrikanischen Landwirtschaft aber weder erschwinglich noch unbedingt gewünscht. Das Foto zeigt den Pestizideinsatz im Senegal.
Seit Jahrzehnten stellt sich in Afrika keine "grüne Revolution" ein, die vom Einsatz von Dünger und Pestiziden eigentlich erwartet worden war. Diese teuren Betriebsmittel sind für die Kleinbäuerinnen - die Basis der afrikanischen Landwirtschaft aber weder erschwinglich noch unbedingt gewünscht. Das Foto zeigt den Pestizideinsatz im Senegal.

© piucture-alliance/dpa

Osman ist überzeugt, dass Afrikaner die Märkte auf dem Kontinent besser einschätzen können. Er würde sich wünschen, dass Europa mehr Geld in junge Unternehmer in Afrika stecken würde, als in die „gute Regierungsführung“, die sich doch kaum messen lasse. „Wie können europäische Regierungen annehmen, sie gehen nach Afrika und können es besser?“, fragt er. Sie könnten doch nicht einmal verhindern, dass mehr als 3000 Afrikaner vor den Küsten im Mittelmeer ertrinken oder dass die Afrikaner, die es nach Europa geschafft haben, dort ihre Talente auch entwickeln könnten.
Osman hat das Unternehmertum auf die harte Tour gelernt. 1977, als Somalia wegen des Krieges gegen Äthiopien unter einer schweren Hungersnot litt, gehörte er „zu den wenigen Kindern im Dorf, die überlebten“, erzählt er. Seine Mutter ging mit ihm nach Mogadischu, weil sie das nicht noch einmal erleben wollte. Sie habe zunächst auf dem Markt Zwiebeln verkauft, später Kleidung, Silber und Gold. Als der damalige Machthaber Siad Barre stürzte und das Land sich im Chaos auflöste, war Osmans Mutter „eine wohlhabende Frau und beschäftigte 300 Menschen“. Dort habe er Unternehmertum gelernt. Osman flüchtete aus dem Bürgerkrieg nach Äthiopien und von dort nach Kenia. Als Geldwechsler verdiente er sich genug Geld, um sich für eine Reise in die Niederlande einer Familie anzuschließen und das Ticket zu bezahlen. 1992 kam er dort an, wurde als Asylbewerber anerkannt – und sein zweites Leben begann.

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