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Lieder von Bruce Springsteen werden im Wahlkampf wohl am häufigsten gespielt.

© Brendan Smialowski/AFP

US-Demokraten im Wahlkampf: Was die Songs über die Kandidaten aussagen

Jeder der Demokraten, der 2020 bei der Präsidentschaftswahl gegen Trump antreten will, hat seine Hymne. Es geht um Revolution, Ideale, Latinos und Kleinstädte.

Nun beginnt wieder die Zeit der Ohrwürmer in der US-Politik: Melodien, die untrennbar mit einer Präsidentschaftskampagne verbunden sind. Wie Hymnen werden die Songs bei jedem Auftritt der Kandidatinnen und Kandidaten gespielt, die sich um die Nominierung ihrer Partei bewerben.

Wer die mittlerweile 23 Demokraten, die 2020 gegen Donald Trump antreten wollen, auf ihrer Ochsentour durch die 50 Bundesstaaten verfolgt, dem werden ihre jeweiligen Leitmotive nicht so leicht aus dem Kopf gehen.Oft bleiben die Melodien ebenso fest im Gedächtnis haften wie die Kampagnen-Slogans. Wer denkt nicht an Bill Clinton, wenn „Don't Stop Thinking about Tomorrow“ von Fleetwood Mac aus den Lautsprechern schallt? Wer nicht an Barack Obama, wenn „Will.i.am“ „Yes, we can“ singt?

Ironischerweise wird der Star, dessen Lieder wohl am häufigsten in US-Wahlkämpfen gespielt werden, Bruce Springsteen, nicht mit einem Präsidentennamen in Verbindung gebracht. Das liegt wohl daran, dass Demokraten wie Republikaner sich gleichermaßen bei „The Boss“ bedient haben.

Trump stimmt seine Wähler mit dem patriotischen „God Bless the U.S.A.“ von Lee Greenwood auf seine Auftritte ein. Wenn er die Bühne verlässt, ertönt „You Can't Always Get What You Want“ von den Rolling Stones. Dabei kann einem die Frage durch den Kopf schießen, ob er damit „Expectation Management“ betreibt – nicht einmal von ihm darf man erwarten, dass er alle Wahlversprechen erfüllt – oder, ob er über die Hoffnungen seiner Anhänger spottet.

Die Songs, die die demokratischen Kandidaten 2020 als ihre Erkennungsmelodien vorgestellt haben – natürlich in Iowa, wo Anfang Februar die erste Vorwahl ansteht, der Auftakt im Nominierungsprozess –, verraten einiges über ihre Wahlkampfstrategie. Joe Biden war Vizepräsident unter Obama und führt mit 33 Prozent die Umfragen an, wer für die Demokraten gegen Trump antreten soll. Mit „We Take Care of Our Own“ von Bruce Springsteen stellt sich der 76-Jährige als großväterlicher Verfechter einer solidarischen Gesellschaft vor. In dem Lied beklagt „The Boss“, dass die Bereitschaft, einander zu helfen, nachgelassen habe: „I’ve been stumblin’ on good hearts turned to stone.“

Bernie Sanders (77), mit 17 Prozent auf Platz zwei, tritt wie schon 2016 als Revolutionsführer auf. Seine Jünger heizt er mit „Power to the People“ von John Lennon auf. Mehrere Konkurrenten beschwören mit ihren Hymnen idealistische Hoffnungen auf ein besseres Amerika.

Zwei Frauen setzten auf den Glauben an das bessere Amerika

Wieder Andere wollen mit Songs über „Small Town“, „Old Town“ und „Country“ die Kleinstädte und Dörfer von Trump zurückerobern. Manche adressieren mit ihren Campaign Songs strategisch wichtige Wählergruppen wie die Latinos. Oder sexuelle Minderheiten. Oder weibliche Büroangestellte. Verschiedene Musikstile sind vertreten, von Rock und Pop bis Rap und Country.

Von den vier Frauen im Bewerberfeld setzen zwei auf den Glauben an das bessere Amerika. Kamala Harris (54), Senatorin aus Kalifornien und mit 6,6 Prozent auf Platz fünf, tritt mit „Work That“ von Mary J. Blige auf. Lass dich nicht von „Hate Speech“ beeindrucken, ist die Botschaft: Tu, was du für richtig erkannt hast.

Kirsten Gillibrand (52), Senatorin aus New York, hat sich für „Good as Hell“ von Lizzo entschieden, ein Lied über weibliche Solidarität und Empowerment. Eine Frau hilft ihrer Freundin, über die Verletzungen hinwegzukommen, die ihr ein Mann zugefügt hat. Gillibrand liegt wie der Mehrzahl der Bewerber unter einem Prozent in den Umfragen.

Amy Klobuchar lässt weiße Rapperin für sich spielen

Nur sechs haben sich abgesetzt, darunter Elizabeth Warren (69), Senatorin aus dem linksliberalen Massachusetts, aktuell auf Platz drei: 10,8 Prozent. Mit „9 To 5“ von Dolly Parton spielt sie auf ihre Herkunft aus der „Working Class“ in Oklahoma an. Der Klassiker aus den 1980er Jahren besingt Frauen, die unter der herablassenden Art der männlichen Chefs leiden: „They just use your mind and they never give you credit.“

Amy Klobuchar (59), zupackende Senatorin aus Minnesota, lässt die weiße Rapperin Dessa aus ihrem Heimatstaat für sich spielen; die kennt freilich kaum jemand. „The Bullpen“ handelt vom Kampf mit Fäusten und Waffen: „Vergiss den Stier im Porzellanladen … Du hast es im Handgelenk. Schieß aus der Hüfte!“ Klobuchar ließ das Lied spielen, als sie im Februar ihre Kandidatur unter freiem Himmel bekannt gab, ungeachtet eines Schneesturms. Selbstbehauptung sei die richtige Botschaft für eine Frau, die gegen lauter Männer antritt, sagt sie.

Beto O'Rourke (46), Ex-Abgeordneter aus El Paso, war schon mal „Everybody's Darling“ bei den Demokraten, weil er den haushohen Favoriten für den Senatssitz von Texas, Ted Cruz, 2018 beinahe besiegt hätte. Als Präsidentschaftskandidat liegt er auf Platz sechs: 3,8 Prozent. Mit „Clampdown“ der britischen Punk-Band „The Clash“ sucht er neue Energie bei seinen jungen Anhängern. Auch New Yorks Bürgermeister Bill de Blasio (58) setzt auf „The Clash“ und das Lob jugendlicher Aktivisten, nur mit einem anderen Song, „Rudie Can’t Fail“.

Hoffnung auf eine neue Ära hat manche Kampagne beflügelt

Ein Gutteil der jungen Begeisterungswilligen hat sich mittlerweile Pete Buttigieg zugewandt. Der offen homosexuelle Bürgermeister von South Bend, Indiana, setzt auf „High Hopes“ von „Panic! At the Disco“. Die Hoffnung auf eine neue Ära, in der die jüngere Generation die Vorurteile und den Materialismus der Älteren überwindet, hat schon manche Präsidentschaftskampagne beflügelt, von Kennedy bis Obama.

JFK setzte „High Hopes“, gesungen von Frank Sinatra, in seinem Wahlkampf 1960 ein. Mit 43 Jahren wurde JFK jüngster Präsident der USA, als Vorgänger Dwight Eisenhower mit 70 abtrat. Das lädt zu Parallelen ein. Trump ist 72. Buttigieg, heute 37, würde Kennedys Jugendrekord schlagen.

Julian Castro, Ex-Bürgermeister von San Antonio, setzt auf Latinoklänge: „Baila Esta Cumbia“ von Selena, ein peppiger Tanz. Cory Booker, der schwarze Senator von New Jersey, verbreitet mit „Lovely Day“ von Bill Fithers Feel-Good-Laune.

Entscheidend wird, ob die „Blue Collar“-Wähler zurückgewonnen werden

Zur Kernfrage wird, ob und wie die Demokraten die traditionellen „Blue Collar“-Wähler von Trump zurückgewinnen: Arbeiter, kleine Gewerbetreibende und Farmer – nicht nur in den Industriezentren, sondern in den Kleinstädten und auf dem Land. Michael Bennet (54), Senator aus Colorado, versucht es mit „The Rising“ von Bruce Springsteen. Steve Bullock (53), Gouverneur von Montana, mit „Small Town“ von John Mellenkamp. Sein Staat ist ungefähr so groß wie Deutschland, hat aber nur eine Million Einwohner.

Eric Swalwell (38), Abgeordneter der San Francisco Bay Area, lässt „Caught Up in the Country“ von Rodney Atkins spielen, um auf seine Herkunft aus einem Dorf in Iowa zu verweisen, wo sein Vater Polizist war. Tim Ryan (45), Abgeordneter aus Ohio, tritt zu „Old Town Road“ von Lil Nas X. auf, eine Hommage an modernes Cowboy-Leben.

Und dann ist da noch John Delaney (56), Ex-Abgeordneter aus Maryland. Sein Lied verrät seine Strategie direkt. „I’ve Been Everywhere“ von Johnny Cash. Damit meint er alle 99 Landkreise von Iowa. Er will im ersten Vorwahlstaat unter die ersten Drei kommen. Sonst ist seine Kampagne beendet. Und das Lied wird diesmal doch kein Ohrwurm.

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