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Der Bau befindet sich unweit des Weißen Hauses.

© Susanne Güsten

Washington in den USA: Erstes Museum für afroamerikanische Geschichte

Ein Traum wird wahr: Unweit des Weißen Hauses wird das erste Museum für afroamerikanische Geschichte eröffnet. Es befindet sich in einem spektakulären Bau.

Es hat lange gedauert, aber jetzt ist es soweit. Mehr als 150 Jahre nach dem Ende der Sklaverei in den USA setzt Amerika mitten in der Hauptstadt Washington ein weithin sichtbares Zeichen für die Anerkennung der oft schmerzhaften Geschichte der schwarzen Bürger des Landes. Mit einem Nationalen Museum für Afroamerikanische Geschichte und Kultur erhält die Minderheit endlich ihren Platz auf der Museumsmeile in Washington. Am Samstag kommender Woche wird das Museum eröffnet – von Barack Obama, dem ersten schwarzen Präsidenten der USA.

Zehn Jahre nahmen Planung und Bauarbeiten für das Museum in Anspruch. Nun gehe mit der Eröffnung ein Traum von Generationen schwarzer Amerikaner in Erfüllung, sagt Direktor Lonnie Bunch, der vor der Eröffnung die Presse zu einer Vorbesichtigung des 37.000 Quadrameter großen Baus eingeladen hat. Schon der Standort des Gebäudes in der Nähe des Obelisken des Washington Monuments und nur einen Steinwurf vom Weißen Haus entfernt macht klar, dass es hier nicht um ein beliebiges Museum geht.

Nach wie vor ist die Diskriminierung der schwarzen Amerikaner eines der größten Probleme des Landes. Auch nach Überwindung der Rassentrennung brechen zwischen Schwarzen und Weißen immer wieder Gräben auf, wie aktuell in der Diskussion über die Polizeigewalt gegen Afroamerikaner. Kurz vor Eröffnung des Museums wurde in Ohio ein 13-jähriger schwarzer Junge von der Polizei erschossen. Museumsdirektor Bunch weiß, dass diese Spannungen die Besucher seines Hauses prägen. Und doch: Amerika müsse sich mit diesem Aspekt seiner Geschichte auseinandersetzen, sagt er.

Und doch: Amerika müsse sich mit diesem Aspekt seiner Geschichte auseinandersetzen, sagt er. Tief im Keller – 60 Prozent des Museums befinden sich unter der Erde – beginnt der Rundgang durch diese Geschichte. Düster ist es hier und ziemlich eng und niedrig, mit tief abgehängten Decken aus grauen Metallplatten.

Die beklemmende Atmosphäre ist gewollt, sagt Museumsmitarbeiterin Ruth Ann Uithol, die letzte Hand an einen Schaukasten legt: „Dieser Keller soll einem das Gefühl vermitteln, wie es war, im Bauch eines Sklavenschiffes eingesperrt zu sein.“ Gegenstände aus einem echten Sklavenschiff wie Ballaststücke, Bretter und ein Flaschenzug unterstreichen die Atmosphäre. Mehr als 3000 solcher Zeugnisse der afroamerikanischen Geschichte werden im Museum gezeigt. Der Kuratorin Mary Elliott, die selbst Afroamerikanerin ist, gingen bei der Auswahl zwei Stücke besonders unter die Haut.

Besucher sind beeindruckt

Das eine sind Fußeisen für ein Kind. „Die sind so klein, dass man denkt: Was muss denn geschehen, dass man ein so kleines Kind fesseln muss?“ Das andere Ausstellungsstück, das Elliott besonders erschüttert hat, ist eine Peitsche mit einer schweren Eisenkugel am Ende. „Ich habe diese Peitsche selbst in der Hand gehabt“, sagt die Kuratorin. „Die Kraft dieser Kugel zu spüren und den Gedanken, dass ein Mensch einen anderen damit schlagen konnte – das werde ich niemals vergessen können, niemals.“

Die Erinnerung an diese grausame Geschichte treibt viele Amerikaner noch immer um. Mehrere hundert Millionen Dollar – mit Spenden von einem Dollar bis zu einer Million – haben Privatleute zum Aufbau des Museums beigetragen; den Rest der Baukosten von mehr als einer halben Milliarde Dollar trägt der Staat. Auch viele Ausstellungsgegenstände stammen aus dem Privatbesitz von Bürgern, die einen Beitrag zur Aufarbeitung leisten wollten. Unter ihnen war eine weiße Frau, die dem Museum das Original eines Kaufvertrages überließ, mit dem ihre Familie einst eine Sklavin verkauft hatte. „Wir müssen der Geschichte zusammen ins Gesicht sehen“, sagt Elliott. Von der unterirdischen Sklaverei- Abteilung geht der Besucher über Rampen immer weiter aufwärts durchs Museum und dabei immer weiter voran in der Zeit.

Das Kleid von Rosa Parks.
Das Kleid von Rosa Parks.

© AFP

Eine der Ebenen zeigt die Rassentrennung, eine weitere die Bürgerrechtsbewegung, bis der Rundgang bei der Kultur endet, wo es heller und freundlicher ist und wo Musik, Theater und Kunst im Mittelpunkt stehen. Einzigartige Zeitzeugnisse begleiten jeden Schritt des Weges. Da ist das Kleid von Rosa Parks, die sich 1955 im tiefen Süden der USA in einem Bus weigerte, einem Weißen ihren Sitzplatz zu überlassen und mit der Aktion Geschichte schrieb. Da sind Glassplitter und Patronenhülsen von der Baptist Church in Alabama, wo der Ku Klux Klan im Jahr 1963 mit einer Bombe vier schwarze Mädchen tötete. Da ist der rote Cadillac des Rock’n’Roll-Pioniers Chuck Berry. Da sind die Fackel, mit der Rafer Johnson 1984 als erster Afroamerikaner die Olympische Flamme entzündete, und neun Goldmedaillen von Carl Lewis.

Erste Besucher des Museums zeigen sich tief beeindruckt. „Es gibt viel zu verarbeiten“, sagt Andre Singleton, ein schwarzer Medienaktivist, der mit einem „Very Black Project“ in New York die Alltagserfahrungen der Afroamerikaner darstellen will. Singleton glaubt nicht, dass die Schwarzen durch die Tatsache, dass sie ein eigenes Museum erhalten, ein weiteres Mal vom restlichen Amerika getrennt werden. „Ich sehe es nicht als Trennung, sondern als Einbeziehung“, sagt er. „Es ist eine Gelegenheit, sich ein Thema näher anzusehen, das bisher nicht wichtig genug genommen wurde. Wir feiern damit, dass es uns gibt.“

Auch Kuratorin Mary Elliott betont die Kraft des Museums, die Amerikaner zu einen. „Dies ist ein Ort, an dem Menschen mit ihren Gefühlen ringen und darüber reden können“, sagt sie. „Es ist keine Ausstellung über Schuld oder Scham. Dies ist unsere gemeinsame Geschichte.“

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