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Zum Saumagen gehört natürlich auch Sauerkraut...

© Kai-Uwe Heinrich/Tsp

Einmal hingeschaut: Wenn Saumagen zur Pflichtspeise wird

Unser Kolumnist Ahmet Refii Dener erklärt Türkische Spezialitäten vor der Wahl am 24. Juni. Auch wenn es kompliziert ist. Eine Kolumne.

Mit vorzeitigen Neuwahlen in der Türkei konnte man fast rechnen. Aber nicht so schnell! Wer wie Erdogan jetzt 66 Tage später eine Wahl ansetzt, muss triftige Gründe haben. Das Datum ist so gewählt, dass die neu gegründete IYI Partei (Gute Partei) von Frau Aksener nicht daran teilnehmen kann. Zumindest glaubte man das. Es kam aber anders. Die Ehefrau eines IYI-Parteiabgeordneten kam auf die Idee, Herrn Erdogan zu verwirren. So ließ der Abgeordnete mitteilen, dass für seine Partei die Sechsmonatsfrist erst am 28. Juni ende und davor die Teilnahme seiner Partei an den Parlamentswahlen unmöglich sei. Siehe da, sofort nahm der „Leader of the World“, wie seine Anhänger ihn sehen, den ersten Sonntag vor dem 28. Juni als Wahltermin. Dabei läuft die Sechsmonatsfrist schon am 10. Juni ab! Doch die Opposition wollte ganz sicher gehen: 15 Abgeordnete der größten Oppositionspartei CHP nabelten sich bei ihrer Partei ab und wechselten zur IYI. Somit kommt sie im Parlament auf 20 Abgeordnete. Fünf Sitze hatte sie bereits und konnte so eine eigene Fraktion gründen und an den Wahlen teilnehmen. Verwirrend?

Die Situation auf Deutschland übertragen

Hier die Situation am Beispiel Deutschlands: Stellt Euch die Koalition aus CDU/CSU und FDP zu Zeiten Kohls vor – den präsidial-diktatorischen Aspekt in der Türkei außer Acht lassend. Plötzlich gerät die Mehrheit in Gefahr und die FDP hat Angst, Stimmen an eine neue Splitterpartei zu verlieren. Deshalb zieht Kohl binnen 24 Stunden die Bundestagswahlen um anderthalb Jahre vor. Denn es gibt eine Klausel im Grundgesetz, dass die neue Partei erst sechs Monate nach ihrer Gründung an Parlamentswahlen teilnehmen darf.

Im Parlament, ohne gewählt worden zu sein

Doch was passiert!? Bei der SPD wechseln 15 Abgeordnete auf Wunsch ihres Parteichefs zur neuen Partei, sodass sie plötzlich im Parlament vertreten ist, ohne gewählt worden zu sein. Somit kann die neue Partei doch an den Wahlen teilnehmen. Weder das eine noch das andere entspricht zwar dem Demokratieverständnis, doch manchmal heiligt der Zweck eben die Mittel.

Erdogan konzentriert die Macht auf sich

Genau das alles findet gerade in der Türkei statt. Allerdings mit dem großen Unterschied, dass Präsident Recep Tayyip Erdogan in seinem Land danach strebt, ein System einzuführen, das alle Macht bei ihm konzentriert. Um dazu erneut Helmut Kohl ins Spiel zu bringen: Jemand, der Saumagen zur Pflichtspeise für alle erklärt, nur weil ihm selber gerade danach ist ... Quo vadis Türkei am 24. Juni? Wir werden es sehen.

Ahmet Refii Dener arbeitet als Türkei-Berater. 2017 ist ARDner, wie sich der Blogger (go2tr.de) nennt, nach Berlin gezogen. Sonntags schreibt er auf der Weltspiegel-Seite im Tagesspiegel.

Ahmet Refii Dener

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