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Homo- und bisexuelle Männer werden von der Blutspende ausgeschlossen.

© Bernd Settnik/dpa

Exklusiv

Antwort der Bundesregierung an die FDP: Blutspendeverbot für homosexuelle Männer soll gelockert werden

Homo- und bisexuelle Männer sollen zukünftig vier Monate lang enthaltsam leben, bevor sie Blut spenden dürfen. Trans Personen gelten weiterhin als Risikogruppe.

Homo- und bisexuelle Männer werden in Deutschland bei der Blutspende immer noch diskriminiert. So müssen Männer, die Sex mit Männern haben, zwölf Monate lang enthaltsam gelebt haben, bevor sie Blut spenden dürfen. Nach Beratungen der Arbeitsgruppe „Blutspende von Personen mit sexuellem Risikoverhalten“, die sich zusammensetzt aus Vertreter*innen des Arbeitskreises Blut, der Bundesärztekammer, des RKI, des Paul-Ehrlich-Instituts und des Bundesministeriums für Gesundheit, soll das Verbot zwar gelockert, aber nicht vollständig aufgehoben werden. Demnach soll die Frist zukünftig auf vier Monate verkürzt werden.

Die FDP hat nun eine Anfrage an die Bundesregierung zur „Abschaffung des Blutspendeverbots für homo- und bisexuelle Männer“ gestellt und sich unter anderem nach dem weiteren Zeitplan erkundigt. Aus der Antwort, die dem Tagesspiegel vorliegt, geht hervor, dass die Bundesärztekammer ein Verfahren zur Änderung der Richtlinie eingeleitet hat.

Sofern der Vorstand der Bundesärztekammer einen entsprechenden Änderungsbeschluss gefasst hat und das Paul-Ehrlich-Institut mit der Richtlinienänderung einverstanden ist, wird die geänderte Fassung veröffentlicht. Damit ist laut Bundesregierung in diesem Herbst zu rechnen, weiter konkretisiert wird das Datum nicht.

Auf die Frage danach, ob die Bundesregierung sich für eine vollständige Aufhebung des Blutspendeverbots eingesetzt habe, antwortet die Regierung, dass homo- und bisexuelle Männer „nicht von der Blutspende ausgeschlossen, sondern nach dem letzten Risiko-Sexualkontakt zeitlich begrenzt für zwölf Monate von der Blutspende zurückgestellt“ würden.

Jens Brandenburg, Sprecher für LSBTI der FDP-Bundestagsfraktion kritisiert die Antwort: „Blut ist nicht schwul oder hetero. Das unsinnige Blutspendeverbot für homo- und bisexuelle Männer gehört vollständig abgeschafft.“ Nicht die sexuelle Identität, sondern individuelles Risikoverhalten sei entscheidend. „Es ist beschämend, dass sich die Bundesregierung mit einem halbgaren Reförmchen der Blutspenderichtlinie zufriedengeben will. In Zeiten knapper Blutkonserven soll niemand sterben müssen, weil der potenzielle Blutspender der Richtlinie zu schwul war."

Diskriminierung durch Zwangsouting

In der Anfrage erkundigt sich die FDP außerdem, warum die Bundesregierung eine individuelle Risikoeinschätzung ablehne. Darauf antwortet die Regierung, dass dies von Seiten der Fachexpert*innen „als nicht zielführend“ angesehen werde. Im weiteren Verlauf der Antwort heißt es: „Die Abfrage der geschlechtlichen Identität und der sexuellen Orientierung sind im einheitlichen Spendefragebogen zur Blut- und Plasmaspende nicht vorgesehen.“ Diese Aussage irritiert, da im aktuellen Fragebogen jeder männliche Spender gefragt wird, ob er schon einmal Sex mit einem anderen Mann hatte und ob der Sex in den vergangenen zwölf Monaten stattgefunden habe.

Brandenburg kritisiert das: „Die Arbeitsgruppe hat bis heute nicht verstanden, welche Diskriminierung das Zwangsouting schwuler Männer bei der Blutspende bedeutet. Sie bestreitet sogar eine diskriminierende Wirkung.“ Schon die Fragebögen würden den falschen Eindruck erwecken, Sexualverkehr zwischen Männern sei per se gefährlich. „Wer darin keine diskriminierende Wirkung sieht, hat offensichtlich keine Ahnung, welcher Stigmatisierung schwule Männer bis heute ausgesetzt sind.“

Trans Personen als separate Risikogruppe

Weiter nimmt die FDP Bezug auf einen Tweet von Gesundheitsminister Jens Spahn, der im Juni schrieb, dass ab Herbst zur Blutspende zugelassen werde, „wer in den letzten vier Monaten nur Sex ohne Risiko hatte – egal ob Mann oder Frau“.

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In ihrer Antwort bezeichnet die Regierung den Tweet als „zutreffend“, was nicht mit den Ergebnissen der Arbeitsgruppe übereinstimmt, die Sex zwischen zwei Single-Männern per se als Risikokontakt einstuft. „Jens Spahn hat seine Follower absichtlich auf Glatteis geführt“, sagt Brandenburg, „die spitzfindige Ausrede seines Ministeriums macht es nicht besser. Der Minister sollte das Rückgrat haben, seinen Tweet öffentlich richtigzustellen.“

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Außerdem erkundigt die FDP sich in ihrer Anfrage, ob trans Personen pauschal von der Blutspende ausgeschlossen seien. Denn trans Personen werden in den Ergebnissen der Arbeitsgruppe als gesonderte Risikogruppe aufgeführt. Auf Grundlage der sogenannten S3-Richtlinie wird davon ausgegangen, dass das Risiko, sich mit HIV zu infizieren, für trans Personen "deutlich erhöht" sei, wenn "sie sozial ausgegrenzt und gesellschaftlich ausgegrenzt sind". Dementsprechend "könnte spekuliert werden", dass das HIV-Risiko im Laufe der Jahre abnehme "aufgrund zunehmender gesellschaftlicher Akzeptanz".

Die Regierung verneint die Frage nach einem pauschalen Ausschluss von trans Personen. Brandenburg findet die separate Auflistung von trans Personen „völlig überflüssig“. Bereits in der Vergangenheit habe sie zu Missverständnissen und Diskriminierung geführt. „Es ist traurig, dass die Bundesregierung aus diesen Erfahrungen nicht lernt."

"Wer soll bei diesem Unsinn in der Praxis noch durchblicken?"

Zuletzt fragt die FDP, warum die Arbeitsgruppe explizit auf die sexuelle Identität abziele, indem sie „Heterosexuellen mit häufig wechselnden Partnern/Partnerinnen“ die Blutspende untersagt. Darauf antwortet die Regierung, dass dies nicht mit der sexuellen Identität zu tun habe, sondern nur dem sexuellen Risikoverhalten. Brandenburg findet das „zum Schreien“ und ergänzt: „Die Bundesregierung behauptet allen Ernstes, der Verweis auf eine Heterosexualität knüpfe nicht an die sexuelle Identität eines Menschen an. Wer soll bei diesem Unsinn in der Praxis noch durchblicken?"

Die Veröffentlichung der Ergebnisse der Arbeitsgruppe ist mittlerweile vier Monate her, seither hat sich für homo- und bisexuelle Männer, die Blut spenden wollen, nichts geändert. Sie müssen nach wie vor zwölf Monate warten. Dass sich daran noch vor der Bundestagswahl etwas ändern, ist unwahrscheinlich.

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