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Das SchwuZ (SchwulenZentrum) in der Rollbergstraße in Neukölln.

© SchwuZ/Guido Woller / SchwuZ/Guido Woller

Neue Chefin im Schwuz: „Wir haben die Chance, Dinge jetzt noch mal anders anzuschauen“

Katja Jäger hat die Geschäftsführung des Schwuz übernommen. Ein Gespräch über den queeren Club als Schutzraum, Politik und Mut zur Veränderung.

Stand:

Katja Jäger, in der Berliner Clubszene brechen die Gewinne ein, Clubs müssen schließen, die Feierkultur dieser Stadt steckt in der Krise. Es gäbe sicherlich einfachere Jobs, als in dieser Situation die Geschäftsführung eines Clubs zu übernehmen.
Ich komme aus der engagierten Zivilgesellschaft und habe bisher in NGOs gearbeitet. Das heißt, ich bin es gewissermaßen gewohnt, mit wenigen Ressourcen viele und gute Ergebnisse zu erzielen. Insoweit scheue ich mich nicht vor dieser Herausforderung.

Der Begriff Krise ist ja auch ein Punkt, an dem sich Dinge entscheiden. Ich finde das natürlich sehr schade, auch aus persönlicher Überzeugung, dass viele Clubs nicht mehr existieren können. Vor allem, weil irgendwelche Vermietenden sich entscheiden, horrende Preise aufzurufen und den kulturellen Wert offensichtlich nicht in dem Maße erkennen, wie es der Clublandschaft gebührt.

Und gleichzeitig sehe ich natürlich meinen Anspruch darin, im Schwuz jetzt vor allem etwas zu bieten, das verhindert, dass es dem Narrativ Clubkrise dauerhaft zum Opfer fällt. Schon vor mir hat das Schwuz das sehr schlau gemacht. Mit der Vollgut-Genossenschaft entsteht gerade ein Leuchtturm in Neukölln ...

… der gemeinnützige Gewerbeort auf dem Areal des ehemaligen Getränkelagers der Kindl-Brauerei.
Dem Schwuz, aber auch allen anderen Genossenschaftsmitgliedern gehören die Flächen dort für 99 Jahre. Insoweit entziehen wir damit das Objekt dem spekulativen Mietmarkt.

Vor welchen Herausforderungen steht das Schwuz derzeit?
Das Schwuz steht vor spannenden Entwicklungen und Neuausrichtungen. Mit der Vollgut-Genossenschaft geht es darum, das neue Areal aktiv mitzugestalten und sein Potenzial voll auszuschöpfen. Zudem gibt es Pläne für ein neues Konzept, das wir zu gegebener Zeit vorstellen werden. Auch der Wechsel in der Geschäftsführung eröffnet die Möglichkeit, Strukturen weiterzuentwickeln und frische Impulse zu setzen. Jetzt geht es darum, eine stabile Basis zu schaffen, auf der wir gemeinsam die Zukunft des Schwuz gestalten können.

Ihr Vorgänger Marcel Weber begleitete das Schwuz 25 Jahre lang. Ihr derzeitiger Co-Geschäftsführer Florian Winkler-Schwarz hört zum März nach acht Jahren auf. Geht damit nicht ein riesiger Erfahrungsschatz verloren?
Gott sei Dank nicht. Wir haben das so gestrickt, dass sowohl Florian als auch Marcel noch sehr involviert sind. In der Community, aber letztlich auch in verschiedenen Strukturen. Marcel zum Beispiel ist Aufsichtsratsvorsitzender der Vollgut-Genossenschaft und hat dadurch noch einen Draht ins Schwuz.

Wir sprechen regelmäßig miteinander. Und Florian bleibt für mich in beratender Funktion weiter dabei. Klar, im Tagesgeschäft gibt es natürlich einen Wissensschwund. Für mich ist das gerade aber auch eine riesige Chance, Dinge noch mal anders anzuschauen und neu aufzustellen.

Hier gibt es einen Schutzraum, der seit fast 50 Jahren verteidigt wird und den verteidigen wir auch die nächsten 50 Jahre.

Katja Jäger, Schwuz-Geschäftsführerin

2021 wurde die Schwuz Queer Stiftung gegründet, der Sie nun auch vorsitzen. Sie soll queere Kultur im Schwuz finanzieren. Der Berliner Senat kürzte rabiat an der Kulturförderung. Welche Bedeutung haben Stiftungen wie die des Schwuz für die queere Kultur in Berlin?
Enorm viele Kunst- und Kulturkollektive oder kleinere nicht-kommerzielle Projekte stehen gerade teils vor dem Aus. Das ist hochproblematisch. Ich finde es auch ein schwieriges Signal, gerade in den aktuellen Zeiten. Und natürlich ist meine Hoffnung, dass die Schwuz Queer Stiftung das irgendwann abfedern kann.

Nun muss man aber auch sagen: noch ist das keine Förderstiftung. Und insoweit ist das eher das langfristige Zukunftsbild. Gerade in diesem politisch wichtigen Jahr glaube ich, dass das Schwuz aber auch ein Gegengewicht zu dem Narrativ „Es wird alles schlimmer” sein kann. Hier gibt es einen Schutzraum, der seit fast 50 Jahren verteidigt wird und den verteidigen wir auch die nächsten 50 Jahre.

Was wollen Sie im Schwuz verändern?
Eine Sache, die schon verändert wurde und an der wir merken, da gibt es ein paar Früchte zu ernten, ist die Abo-Card. Menschen haben durch die 29 Euro, die sie einmal monatlich zahlen, wieder die Chance mehrmals im Monat zu kommen. Das wollen wir aber auch programmatisch beantworten. Ich finde, man muss in einer Institution wie dem Schwuz auch gucken: Was ist es, wofür das Schwuz steht, und was gilt es zu bewahren, damit Menschen auch Wiedererkennungswert haben? Und wo kann man experimentelle Dinge machen?

Wir haben hier die Tage viel über Mut gesprochen – den Mut, sich neue Dinge und Formate zuzutrauen. Ich habe auch Lust, die Community stärker einzubinden, die 130 Mitarbeitenden des Schwuz, aber auch die Communitys drumherum.

Dem künstlerischen Leiter des Schwuz, LCavaliero Mann, wurde im Sommer gekündigt. Wer übernimmt jetzt seine Aufgaben und was bedeutet das fürs Schwuz-Programm?
Das Schwuz hat in diesem Bereich eine Neuausrichtung vorgenommen. Positionen wurden neu definiert, um die strategische Programmgestaltung enger mit der Vermarktung zu verzahnen. Ziel ist es, verstärkt in Netzwerken zu denken und zu handeln sowie vielfältigere Perspektiven einzubinden, um das Schwuz breiter aufzustellen.

Diese Umstrukturierung verdeutlicht, dass der Fokus der programmatischen Ausrichtung nun über die reine Entwicklung von Produkten und Programmen hinausgeht und einen integrativen Ansatz verfolgt, der sowohl kreative als auch marketingstrategische Elemente berücksichtigt. Dafür suchen wir gerade eine Person, die Ausschreibung geht die nächsten Tage raus.

Wird das Schwuz mit Ihrem zivilgesellschaftlichen Hintergrund nun auch politischer?
Politischer schon. Auch das ist ein Wunsch von mir. Den Anspruch an kulturelle Diversität würde ich gerne auch um eine politische Dimension ergänzen. Ich glaube auch, dass es das absolut braucht, gesamtgesellschaftliche Debatten in einem Club oder in einem Ort wie dem Schwuz abzubilden. Ich habe mich in den letzten Wochen immer wieder gefragt: Was ist mir wichtig?

Wie kann man Themen intersektional denken? Und das heißt für mich, sich neben Diversitätsthemen anzugucken: Was hat denn zum Beispiel Klimaschutz mit queer sein zu tun? Schöpfen wir da eigentlich schon alle Potenziale aus oder müssen wir nicht viel mehr Synergien in den ganzen Themen durchdenken?

Worauf freuen Sie sich in diesem Jahr am meisten?
In meiner Arbeit in der Demokratieförderung geht es oft darum, Missstände aufzuzeigen. Und es gehört natürlich auch zu meiner jetzigen Aufgabe, für LGBTQIA+ Rechte einzustehen. Gleichzeitig ist das Schwuz für mich schon immer ein totaler Happy Place gewesen. Mit dem positiven und verbindenden Feiern und Tanzen, verschiedenste Lebensrealitäten in einem Ort abzubilden – das hat für mich einen ganz besonderen Charme. Und den nicht nur zu erleben, sondern gestalten zu dürfen, ist wirklich eine sehr ehrenvolle Aufgabe.

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