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Die Zeit drängt. Viele Verurteilte sind mittlerweile hoch betagt.

© dpa

Unrecht in der Nachkriegszeit: Paragraf 175: Berlin will Verurteilte rehabilitieren

Der rot-schwarze Senat von Berlin macht Druck bei der Rehabilitierung von Homosexuellen, die in der bundesdeutschen Nachkriegszeit nach Paragraf 175 des Strafgesetzbuches verurteilt wurden. Die Landesregierung startet dazu eine Bundesratinitiative.

Die DDR strich ihn schon 1968, im vereinten Deutschland existierte der Paragraf 175 aber noch bis zum Jahr1994. In der alten Bundesrepublik wurde jahrelang sogar die von den Nazis verschäfte Fassung angewandt - was etwa 50 000 Männer traf. Allein in den ersten 15 Jahren der Bundesrepublik fielen vier Mal mehr Urteile als in den 15 Jahren Weimarer Republik. Obwohl der Bundestag bereits im Jahr 2000 festgestellt hat, dass die Urteile aus der Nachkriegszeit Unrecht waren, sind die Opfer bis heute nicht rehabilitiert.

"Das Stigma der Verurteilung nehmen"

Dies will die rot-schwarze Landesregierung von Berlin mit einer Bundesratsinitiative ändern, die auf Vorlage des CDU-Justizsenators Thomas Heilmann und der SPD-Integrationssenatorin Dilek Kolat jetzt beschlossen wurde. „Es ist Zeit, dass wir denjenigen Männern, die nach Kriegsende wegen ihrer sexuellen Identität verurteilt wurden, das Stigma einer Verurteilung nehmen“, sagte Heilmann.

Einige der Männer sind heute 70 bis 90 Jahre alt

Bereits 2002 wurden Männer rehabilitiert, die unter den Nazis wegen homosexueller Handlungen verurteilt worden waren. Das galt eben eben nicht für die Urteile, die danach verhängt wurden. „Einige der zu Unrecht verurteilten Männer sind heute 70 bis 90 Jahre alt. Die Zeit drängt also, um dieser Generation noch die Rehabilitierung zuteil werden zu lassen, die ihnen zusteht“, sagte Senatorin Kolat.

Der Paragraf 175 stammt aus der Kaiserzeit

Bereits im Jahr 2012 hatte der Bundesrat die Bundesregierung aufgefordert, auch die nach 1945 Verurteilten zu rehabilitieren - ebenfalls auf Initiative Berlins. Weil sich bislang nichts getan hat, forderte das Berliner Abgeordnetenhaus Anfang des Jahres den Senat aufgefordert, erneut einen Vorstoß zu unternehmen. Ursprünglich stammte der Paragraf 175 auf der Kaiserzeit und stellte Geschlechtsverkehr unter Männern unter Strafe. Im Jahr 1935 verschärften die Nazis die Bestimmungen und weiteten sie auf sämtliche „unzüchtigen“ Handlungen aus. Der Straftatbestand war nun erfüllt, wenn "objektiv das allgemeine Schamgefühl verletzt und subjektiv die wollüstige Absicht vorhanden war, die Sinneslust eines der beiden Männer oder eines Dritten erregen."

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