zum Hauptinhalt
Guido Mewis

© Sebastian Gabsch PNN

Regenbogenfamilie in Brandenburg: Zwei Väter für Susana und Luke

Ein schwules Paar aus Nuthetal hat zwei Kinder von einer Leihmutter. Beide stehen als Eltern in der Geburtsurkunde, doch bis dahin war es ein langer Weg.

Die Familie im Freibad oder beim Waffelessen, zwei blonde Kinder auf dem Spielplatz oder beim Herumspielen am Klavier: Es sind typische Familienbilder, die der Arzt Guido Mewis auf seiner Facebook-Seite teilt. Nur die Tatsache, dass zwei Männer und keine Mutter zu sehen sind, fällt auf – auch 2019 sind sogenannte Regenbogenfamilien immer noch die Ausnahme in Deutschland.

Eine Leihmutter in den USA hat die beiden Kinder von Guido Mewis und seinem Ehemann Klaus G. ausgetragen, die fast dreijährige Susana und der einjährige Luke wachsen seit ihrer Geburt bei dem schwulen Paar aus Bergholz-Rehbrücke auf. Nun haben die Männer vor dem Potsdamer Familiengericht erwirkt, dass sie beide in den Geburtsurkunden als Eltern der Kinder eingetragen werden – es ist wohl einer der ersten Fälle dieser Art in Deutschland.

Der 49-jährige Guido Mewis, der als niedergelassener Orthopäde und Unfallchirurg in Potsdam arbeitet, war bis zur Geburt der Tochter kinderlos. Sein sechseinhalb Jahre älterer Mann Klaus hatte aus einer früheren Beziehung bereits eine Tochter, sie ist mittlerweile 30. Als diese vor rund vier Jahren ihr erstes Kind bekam, wuchs auch bei Guido Mewis und seinem Mann der Wunsch nach einem gemeinsamen Nachkommen. „Die Liebe war da, der Platz war da – warum nicht“, sagt Mewis. Wegen des Alters hätten sie keine Skrupel gehabt, im Gegenteil. „Ich glaube, wir sind jetzt bessere Eltern, als wir es mit 20 gewesen wären.“

Eine Adoption kam für die beiden nicht infrage. Schnell war klar, dass eine Leihmutter das Kind austragen sollte. In Deutschland ist die Vermittlung von Leihmüttern verboten, in einigen US-amerikanischen Bundesstaaten aber erlaubt. Also ließen sie Eizellen einer anonymen Spenderin mit dem Samen von Mewis befruchten und die Embryonen einfrieren. Dann begann der komplizierte Teil.

Schwierige Suche nach einer Leihmutter

Denn während Eizellenspenden relativ einfach zu bekommen sind und die Spenderin sogar per Katalog ausgewählt werden kann, sind Leihmütter schwerer zu finden. Doch eines Tages kam die gute Nachricht aus den USA: Eine geeignete Frau war gefunden. Die komplette Identität erfuhren die Männer zunächst nicht, schließlich wollte die engagierte Agentur verhindern, dass sich die Parteien untereinander einigen und sich die Vermittlungsgebühren sparen. Doch es schien zu passen: Susana, eine Mexikanerin mit US-Staatsbürgerschaft aus dem Grenzgebiet San Diego/Tijuana, hatte selbst schon vier Kinder und arbeitete als Managerin in einem großen Gesundheitszentrum.

[Mehr Neuigkeiten aus der queeren Welt gibt es im monatlichen Queerspiegel-Newsletter des Tagesspiegel - hier geht es zur Anmeldung.]

Bei einer Telefonkonferenz, zu der wie in solchen Fällen üblich auch eine Psychologin zugeschaltet war, lernten die beiden deutschen Männer die Amerikanerin kennen. Mewis beschreibt sie als sympathische Powerfrau, die nicht nur aus finanziellen Gründen Leihmutter werden wollte, sondern auch, um kinderlosen Paaren zu helfen. Auch die Psychologin gab ihr Okay. Einige in Deutschland übliche Impfungen für die künftige Leihmutter wurden verabredet – dann wurden die Verträge unterschrieben.

Erstes Treffen in den USA

Per Videochat verfolgten Mewis und G. dann in Deutschland die Implantation des ersten Embryos bei Susana in den USA, sie wollten von Anfang an in jeden Schritt involviert sein. Die anfängliche Euphorie war groß, doch nach einigen Wochen zeigte sich, dass sich der Embryo außerhalb der Gebärmutterhöhle entwickelte, die Schwangerschaft musste abgebrochen werden. Doch beim zweiten Mal klappte es, Susana wurde erneut schwanger – ein Mädchen.

Nach sechs Monaten fuhren die beiden in die USA, um Susana kennenzulernen, und waren überwältigt von der Gastfreundschaft, mit der sie empfangen wurden. „Es wurde eine mexikanische Familienparty für uns geschmissen“, erzählt Mewis. Und man überredete sie, fünf Wochen vor dem Geburtstermin noch einmal zu kommen, für eine sogenannte Baby shower, eine Party für die werdenden Eltern. „Es kamen 70 Leute, die alle ein Geschenk für uns dabeihatten“, sagt Mewis. „Wir mussten Koffer kaufen, um alles zurück nach Hause zu schaffen.“ Doch kaum zurück in Bergholz-Rehbrücke, platzte bei Susana die Fruchtblase – vier Wochen vor dem Geburtstermin. Mewis flog sofort hin, Kollegen in der Potsdamer Gemeinschaftspraxis übernahmen die Patienten.

35.000 Dollar für die Leihmutter

Klaus G. konnte so schnell nicht weg, er leitet eine Firma für Gebäudereinigung und Hausverwaltung. Also begleitete Mewis Susana bei der Geburt – ein hochemotionales Erlebnis, das Mewis wie die meisten Eltern minutiös nacherzählen kann. Doch statt sich danach wie bei Leihmutterschaften üblich für immer zu verabschieden, wählten Guido Mewis und Susana eine ungewöhnliche Lösung. Er zog mit dem Neugeborenen für vier Wochen bei Susana ein – sie hatte noch ein Zimmer in ihrem Haus frei und angeboten, dem unerfahrenen Vater zu helfen, der anders als geplant nun ohne Partner in den USA war. Das habe erstaunlich gut funktioniert, sagt Mewis. Auch wenn der Abschied tränenreich war – vor allem für Susana.

Trotzdem kam wenige Monate später der Vorschlag von der Leihmutter, das Ganze noch einmal zu wiederholen und der kleinen Susana – das deutsche Paar hatte dem Mädchen den Namen der Leihmutter gegeben – ein Geschwisterchen zu schenken. Diesmal schien alles unkompliziert: Eingefrorene Embryonen waren noch übrig, und die Expertise, wie man wo und wann an die richtigen Dokumente kommt, hatten die beiden mittlerweile auch. Ohne Agentur konnten sie sich zudem die hohen Vermittlungs- und Anwaltsgebühren sparen. Immerhin hatten Mewis und G. rund 180.000 Dollar für das erste Kind bezahlt – wovon 35.000 Dollar an die Leihmutter gingen. Diesmal vereinbarten sie, 46.000 Dollar direkt an Susana zu zahlen.

Probleme während der Schwangerschaft

Tatsächlich wurde sie wieder schwanger, doch von der Herzlichkeit beim ersten Mal war wenig übrig. Susanas Mutter, der sie mit der Leihmutterschaft wohl eigentlich eine Organtransplantation finanzieren wollte, starb während der Schwangerschaft. Susana verfiel in eine Krise, zerstritt sich mit ihrer Familie, reiste in Gegenden, in denen das für Schwangere hochgefährliche Zikavirus grassierte. Mewis wird einsilbiger, wenn er über diese zweite Episode spricht, nimmt Susana aber auch in Schutz, spricht von Schwangerschaftspsychose. Auch sah es am Beginn der Schwangerschaft so aus, als könnte das Kind behindert sein, eine Abtreibung kam für die Männer aber nicht infrage.

Doch am Ende wurde ein gesunder Junge geboren, sie nannten ihn Luke, nach der Figur aus „Star Wars“. Diesmal blieben sie nicht länger als nötig in den USA – schließlich war auch die inzwischen eineinhalbjährige Susana mit dabei –, sondern stiegen schon nach einer Woche zurück in den Flieger nach Deutschland.

Neben den alltäglichen Herausforderungen, die eine vierköpfige Familie mit zwei arbeitenden Eltern zu bewältigen hat, und den nicht immer freundlichen Reaktionen auf die ungewöhnliche Familienkonstellation blieben auch die fehlenden beziehungsweise falschen deutschen Geburtsurkunden der Kinder ein Problem. In Susanas Urkunde sind Guido Mewis und die Leihmutter als Eltern eingetragen, während Klaus Go. in dem Dokument keine Rolle spielt und auch im Fall von Guido Mewis’ Tod keinerlei Rechte hätte. Auch im Alltag war dies ein Problem, zum Beispiel bei der Beantragung eines Platzes bei der Tagesmutter. Luke hingegen hat bis dato noch gar keine deutsche Urkunde, sondern nur eine amerikanische mit beiden Männern als Vätern.

Erfolg vor dem Familiengericht

Im Mai dieses Jahres brachten die beiden Männer aus Bergholz-Rehbrücke ihren Fall zum Potsdamer Familiengericht – obwohl es in Deutschland bislang kaum Fälle gibt, in denen zwei Männer als Eltern von Kindern aus einer Leihmutterschaft in die Geburtsurkunde eingetragen wurden. Doch vor einigen Tagen kam der erlösende Beschluss des Gerichts: Guido Mewis und Klaus G. müssen vom Standesamt als Eltern eingetragen werden. Als Gründe nennt das Gericht zum einen die Tatsache, dass die Kinder genetisch nachweislich nicht von der Leihmutter abstammen und zum anderen der Anspruch der Kinder auf „rechtliche Zuordnung zu ihren beiden Eltern“. Dabei kommt es aus Sicht der Richterin entscheidend darauf an, dass die Wunscheltern die „Elternstellung“ für das Kind einnehmen und ihm die nötige Zuwendung zuteilwerden lassen. Guido Mewis und sein Mann lebten „mit beiden Kindern in einer festen Familienstruktur und sind den beiden Kindern Eltern“, so die Worte der Richterin.

Für Mewis ist der Beschluss ein großer Erfolg. Die Richterin habe gerade jetzt, wo wieder mehr Menschen in Bezug auf die Elternrolle den „kruden Ideen aus der Zopfzeit“ anhingen, entschieden, dass Menschenrechte auch für Schwule und Lesben gelten. Er will sein Wissen an andere Paare weitergeben, die vor ähnlichen Problemen stehen. Damit auch sie die rechtmäßigen Eltern ihrer Kinder sein können. Schwarz auf Weiß.

Katharina Wiechers

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false