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Selbstbestimmungsgesetz tritt in Kraft: „Wichtiger Tag für eine offene Gesellschaft“
Von Freitag an können Menschen leichter ihren Geschlechtseintrag ändern. Für den Queerbeauftragten der Bundesregierung zeigen die Anmeldezahlen, dass das Selbstbestimmungsgesetz dringend nötig war.
Stand:
Ab November ist es in Deutschland möglich, einfacher als bisher den eigenen Geschlechtseintrag zu ändern: Zum 1. November tritt nach langem Hin und Her das Selbstbestimmungsgesetz in Kraft.
Sven Lehmann (Grüne), der Queerbeauftragte der Bundesregierung, spricht von einem „wichtigen Tag für die Grund- und Menschenrechte von trans- und intergeschlechtlichen sowie nicht-binären Menschen und auch für eine offene und demokratische Gesellschaft“.
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„Ich bin überglücklich, dass das Selbstbestimmungsgesetz endlich in Kraft tritt. Deutschland reiht sich damit ein in die Gruppe der Länder weltweit, die Menschen eine Korrektur ihres Geschlechtseintrags und Vornamens ermöglichen, ohne sie zu pathologisieren“, sagte Lehmann dem Tagesspiegel.

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Tatsächlich ist Deutschland das 17. Land weltweit, das ein solches Gesetz einführt. Menschen können künftig ihren Geschlechtseintrag beim Standesamt ändern lassen, wobei eine Selbstauskunft ausreicht. Bisher waren dafür zwei psychiatrische Gutachten und ein Gerichtsentscheid nötig.
Mit dem Selbstbestimmungsgesetz wird diese staatliche Bevormundung und Fremdbestimmung endlich beendet.
Sven Lehmann, Queerbeauftragter der Bundesregierung, zum Selbstbestimmungsgesetz
„Psychiatrische Zwangsbegutachtung und langwierige, teure Gerichtsverfahren gehören der Vergangenheit an. Das war die zentrale Forderung aus der queeren Community“, erklärte Lehmann. Selbst über sich, seinen Körper und seine Identität zu bestimmen, sei das ureigenste Bedürfnis eines jeden Menschen. Die freie Entfaltung der Persönlichkeit, die Achtung der Privatsphäre und die Nichtdiskriminierung würden zu den vom Grundgesetz garantierten Rechten gehören.
Das Selbstbestimmungsgesetz löst das über 40 Jahre alte Transsexuellengesetz ab, das in Teilen mehrfach vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig eingestuft wurde. Das Transsexuellengesetz habe „viel Leid verursacht“, erklärte Lehmann: „Mit dem Selbstbestimmungsgesetz wird diese staatliche Bevormundung und Fremdbestimmung endlich beendet.“
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Einigung nach jahrelanger Debatte
Um das Selbstbestimmungsgesetz hatte es eine jahrelange, teilweise hitzig geführte Debatte gegeben. Letztlich hatte sich die Ampel auf folgende Regeln geeinigt:
- Erwachsene können ihren Geschlechtseintrag künftig mit einer einfachen Erklärung beim Standesamt ändern.
- Jugendliche ab 14 Jahren können ebenfalls eine eigene Erklärung abgeben, brauchen aber das Einverständnis der Eltern. Bei innerfamiliären Konflikte kann ein Familiengericht die Entscheidung treffen. Maßstab soll das Kindeswohl sein. Die Jugendlichen müssen auch versichern, beraten worden zu sein.
- Bei Unter-14-Jährigen müssen die Eltern die Erklärung einreichen.
- Es gibt eine dreimonatige Karenzzeit zwischen dem Einreichen der Erklärung und dem Zeitpunkt, ab dem der neue Geschlechtseintrag gilt.
- Nach einer Änderung gibt es eine einjährige Sperrfrist, bevor der Geschlechtseintrag erneut geändert werden kann.
- Anders als von Kritikern oft behauptet, sagt das Selbstbestimmungsgesetz nichts über medizinische Maßnahmen zur Geschlechtsangleichung aus. Dafür gibt es einschlägige Leitlinien, die von den zuständigen Fachgesellschaften gerade modernisiert werden.
Anmeldungen für eine Änderung des Geschlechtseintrags sind bereits seit 1. August möglich. Wer das zu diesem frühestmöglichen Termin getan hat, wird seinen Geschlechtseintrag am 4. November ändern können, da der 1. November noch zur dreimonatigen Karenzzeit zählt.
Bundesweit haben bislang zusammen mehrere tausend Menschen eine Änderung des Geschlechtseintrags angemeldet. Allein in Berlin seien es mehr als 1.300 Menschen, wie die Berliner Senatskanzlei auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) mitteilte.
Für Sven Lehmann zeigen die Anmeldezahlen, dass trans- und intergeschlechtliche sowie nicht-binäre Menschen „sehnsüchtig“ auf das Gesetz gewartet hätten. Die Gesetzgebung sei „ein hartes Stück Arbeit“ gewesen, die „leider von transfeindlicher Stimmungsmache und einer Menge Fehlinformationen begleitet war“.
Er danke der Ampelkoalition sehr, dass sie Wort gehalten und das Gesetz im Bundestag verabschiedet habe. Der Bundestag hatte das Gesetz im April beschlossen.
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