zum Hauptinhalt
Protest gegen das Transsexuellengesetz in diesem Jahr in Berlin.

© Inga Hofmann/Tsp

Tausende mussten sich sterilisieren lassen: Grüne fordern Entschädigung für trans Menschen

Vor 40 Jahren trat das Transsexuellengesetz in Kraft. Bis 2011 zwang es trans Menschen sogar zur Sterilisation. Die Grünen fordern eine Entschädigung für die Opfer.

Es ist ein fragwürdiges Jubiläum: Am Donnerstag vor 40 Jahren trat das Transsexuellengesetz in Kraft. Es regelt, wie trans Menschen in der Bundesrepublik Namen und Personenstand anpassen können. Auch wenn es im Laufe der Zeit vor allem aufgrund von Urteilen des Bundesverfassungsgerichts entschärft wurde, zwingt es Betroffene bis heute in einen aus ihrer Sicht unwürdigen Prozess aus Begutachtungen.

Bis 2011 noch mussten sich trans Menschen sogar sterilisieren lassen, wenn sie eine Personenstandsänderung vornehmen wollten. Rund 10.000 Menschen mussten sich nach einer Schätzung des Bundesverband Trans* dieser Prozedur unterziehen. Die Bundestagsfraktion der Grünen fordert jetzt, die Opfer zu entschädigen.

Ein Entschädigungsfonds für die Opfer

"Die Errichtung eines Entschädigungsfonds für die Opfer aus dem Kreis der trans- und intergeschlechtlichen Personen, deren körperliche Unversehrtheit verletzt wurde, ist überfällig und verwirklicht den rechtsstaatlichen Entschädigungsauftrag", heißt es in einem Antrag an den Bundestag, der dem Tagesspiegel vorliegt.

Für Sven Lehmann, den queerpolitischen Sprecher der Grünen-Fraktion, sind "40 Jahre Transsexuellengesetz 40 Jahre Menschenrechtsverletzung". Das Gesetz verursache "unnötiges Leid und beeinträchtigt das Selbstbestimmungsrecht in menschenunwürdiger Weise", erklärte Lehmann gegenüber dem Tagesspiegel.

[Mehr Neuigkeiten aus der queeren Welt gibt es im monatlichen Queerspiegel-Newsletter des Tagesspiegel - hier geht es zur Anmeldung.]

Durch den Zwang zur Sterilisation habe der Staat den Betroffenen die Möglichkeit genommen, eine Familie zu gründen: "Einem Menschen die Fortpflanzungsfähigkeit zu nehmen, ist ein menschenrechtsverletzender und zutiefst erniedrigender Akt", sagt Lehmann. Es sei eine Aufgabe des Staates, Opfer von Menschenrechtsverletzungen zu entschädigen.

Karlsruhe untersagte 2011 die Sterilisation von trans Menschen

Auch 2011 waren es die Karlsruher Richter, die der Sterilisation als Voraussetzung für eine Personenstandsänderung ein Ende bereiteten. Die körperliche Unversehrtheit von trans Menschen werde "schwer beeinträchtigt", die Vorschrift verstoße gegen das Grundgesetz, urteilten die Richter damals.

Auf das Urteil beziehen sich die Grünen in ihrem Antrag jetzt. Es sei "eine Stärke des demokratischen Rechtsstaates, Fehler zu erkennen und seine Aufgabe, Opfer von Menschenrechtsverletzungen zu entschädigen und ihnen ihre Ehre zurückzugeben", heißt es dort zur Begründung.

Die Grünen beziehen auch intergeschlechtliche Menschen in ihren Antrag auf Entschädigung ein. Diese würden als Säuglinge und Kinder in Deutschland nach wie vor medizinisch nicht notwendigen Operationen und Behandlungen unterzogen mit dem Ziel, ihre körperliche Erscheinung und Funktion mit den binären Geschlechterstereotypen in Einklang zu bringen, heißt es: "Diese Eingriffe sind in der Regel irreversibel und können schwerwiegende, langfristige körperliche und psychische Leiden verursachen."

Die Grünen fordern ein neues Selbstbestimmungsrecht

Erneut fordern die Grünen, das Transsexuellengesetz insgesamt zu streichen und durch ein Selbstbestimmungsrecht zu ersetzen. Bis heute müssen trans Menschen nämlich Gutachten für eine Änderung im Personenstandsregister vorlegen. Die Verfahren werden vor Gericht entschieden, neben der psychischen Belastung des Verfahrens kritisieren trans Verbände auch immer wieder die hohen Kosten, die dadurch für Betroffene verursacht werden.

Eine Änderung des Personenstandes würde nach Vorstellungen der Grünen künftig in einem einfachen Verwaltungsverfahren geregelt werden, Gutachten entfallen. Die von Union und SPD geplante Reform des Transsexuellengesetzes liegt seit langem auf Eis.

Zur Startseite