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Mit seinen Zeichnungen trug der Künstler Tom of Finland ab den 50er Jahren maßgeblich zu einem neuen Bild von schwuler Männlichkeit, abseits eines femininen Klischees, bei.

© Tom of Finland/Courtesy Galerie Judin, Berlin/VG Bild-Kunst, Bonn 2023

„Tom of Finland Art & Culture Festival“: Queere Kunst im Berghain

Bereits zum zweiten Mal fand das „Tom of Finland Art & Culture Festival“ in Berlin statt. Zum Jubiläum der Stiftung wurden über 100 Künstler und queere Institutionen in der Halle am Berghain präsentiert.

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Auch wenn in Berlin offiziell der Juli als sogenannter „Pride-Monat“ auserkoren wurde, gilt gemeinhin und international der Juni als der selbige. Einen besseren Auftakt hätte es dafür in der Hauptstadt nicht geben können: Bereits zum zweiten Mal hat am Wochenende die „Tom of Finland-Foundation“ aus Los Angeles ein Festival ausgerichtet, das sich queerer, insbesondere schwuler Kunst widmet.

Drei Tage lang wurde die Halle am Berghain, der Hinterbau des berühmten Nachtclubs, in ein zeitgenössisches Museum verwandelt. Gezeigt wurde neben Malereien, Skulpturen und viel Fotografie, auch Performances, Filmscreenings und ein bisschen Mode. Ziel des Festivals, das es in ähnlicher Ausführung auch in Los Angeles, London oder Mailand gibt, ist es, Geld für die Stiftung zu sammeln, die in Tom of Finlands Namen, von ihm selbst 1984 gegründet, sein künstlerisches Erbe erhalten, aber auch andere queere Kunst unterstützen will.

Über 100 Künstler, Galerien und Institutionen waren Teil des umfangreichen Programms. Darunter Werke von großen Namen wie etwa AA Bronson, dem als Teil des Künstlerkollektivs „General Idea“ kürzlich erst der Martin Gropius Bau eine umfangreiche Ausstellung widmete. Oder der Filmemacher Bruce LaBruce, dessen Film „The Visitor“, eine Neu-Interpretation von Pier Paolo Pasolinis „Theorema“, im Februar auf der Berlinale 2024 gezeigt wurde. Weitere bekannte Namen waren unter anderen Matt Labert, Pussy Riot, Erika Lust oder Diane Pernet.

Die weltweit größte Erotikkunstmesse

Aufgebaut war die Ausstellung wie eine klassische Kunstmesse: Ohne erkennbaren kuratorischen Faden wurde an weißen, frei im Raum stehenden Wänden alles gezeigt, was irgendwie im Entferntesten etwas mit queerer Kultur zu tun hat. Immerhin handelte es sich, laut der Veranstalter, bei dem Festival um die weltweit größte „Erotikkunstmesse“.

Aktiv verkauft wurde letztendlich aber doch nur im extra eingerichteten „Museumsshop“ im Eingangsbereich der Halle. Hier vertreten waren unter anderem die in Berlin bekannten Modelabel „Effenberger Couture“ und „Julian Zigerli“, die beide auch ihre neuesten Kollektionen in Form von homoerotischen Performances präsentierten.

Tiefgang lieferten die über das Wochenende verteilten Vorträge und Panels, die sich mit queerem Aktivismus oder fehlenden queeren Räumen im Urbanen beschäftigten. Die doch eher oberflächliche, nahezu seichte Herangehensweise an Thematiken, die sonst gerade aus der queeren Community heraus gerne politisiert werden, wäre aber vielleicht sogar im Sinne des 1991 verstorbenen Tom of Finland gewesen.

Nischenkunst wird Popkultur

Finland, der mit bürgerlichem Namen Touko Laaksonen hieß und seinen Künstlernamen aufgrund seines Geburtslandes Finnland wählte, war eigentlich studierter Werbegrafiker. In den 1950er Jahren begann er dann, homoerotische, pornografische Zeichnungen anzufertigen, die er an verschiedene Zeitschriften schickte. Seine erste Veröffentlichung unter dem Pseudonym „Tom of Finland“ erfolgte 1957 im amerikanischen Bodybuilder-Magazin „Physique Pictorial“.

Spätestens seit den frühen 70er Jahren wurde er auch über entsprechende Szenen hinaus populär. Seine idealisierte Darstellung von hypermaskulinen, muskulösen Männern in betont erotischen Posen wurden weltweit in Galerien und Museen ausgestellt. Seine Grafiken zeichnen sich durch technische Präzision und einen spielerischen, oft humorvollen Umgang mit Stereotypen aus. Uniformen, Lederkleidung und Arbeiterkleidung sind häufig wiederkehrende Motive.

Gerade durch die fast karikative Anmutung hatten die Zeichnungen einen erheblichen Einfluss auf die schwule Subkultur und trugen maßgeblich zu einem neuen Bild von schwuler Männlichkeit, abseits eines femininen Klischees, bei. Sie spielten eine wichtige Rolle dabei, das Selbstbewusstsein und die Sichtbarkeit der Community zu stärken, insbesondere in einer Zeit, in der Homosexualität noch weitgehend kriminalisiert und stigmatisiert war.

Auch über 30 Jahre nach seinem Tod ist Tom of Finland ein nicht wegzudenkender Teil der internationalen Popkultur. Immer wieder veröffentlichen bekannte Modelabels, etwa „Diesel“ oder „JW Anderson“, Kollektionen mit den Motiven. Diverse Coffee-Tabel-Books, Kinofilme und sogar Briefmarken tragen ihr übriges zum Ikonenstatus bei.

Die von ihm mitgegründete Stiftung feiert in diesem Jahr 40-jähriges Bestehen, das „Arts & Culture Festival“ ist in Berlin auch für das kommende Jahr wieder geplant.

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