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Santiago Loza mit dem Teddy-Award für den besten Spielfilm und dem queer.de-Leser*innen-Preis.

© Gerald Matzka/dpa

Teddy Award 2019: Wir sind alle Außerirdische

Santiago Loza gewinnt mit seinem berührenden Alien-Roadmovie „Breve historia del planeta verde“ den Spielfilm-Teddy. Eindrücke von der Preis-Gala in der Volksbühne.

Wodka kann positive Wirkung auf öffentliche Ansprachen haben – zumindest, wenn er in der richtigen Menge genossen wird. Das beweist am Freitagabend die chinesische Regisseurin Xiang Zi, als sie in der Volksbühne an das Plexiglas-Pult tritt. Sie sagt als Erstes, dass sie betrunken ist und hält dann eine der witzigsten und mutigsten Dankesreden des Abends.

Sie hat mit ihrem Debütspielfilm „Dog barking at the Moon“ den Jury Award gewonnen, einen der Teddy-Preise für die besten queeren Berlinale-Filme. Das auf mehreren Zeitebenen spielende Familiendrama um einen schwulen Professor mit jungem Liebhaber erzählt Xiang Zi aus der Sicht seiner schwangeren Tochter und seiner Frau, die immer tiefer in den Fängen einer buddhistischen Sekte versinkt.

Um den Film durch die Zensur zu bringen habe sie in der Zusammenfassung statt „boyfriend“ das Wort „lover“ für den Partner des Vaters gewählt, erzählt die Regisseurin. Darunter habe man sich bei der Behörde offenbar sofort eine Frau vorgestellt. Wie man dort dann auf den fertigen Film reagierte, verrät sie zwar nicht. Doch dass ihr Werk im Panorama-Programm laufen konnte, deutet im Lichte der Premierenabsage von Zhang Yimous Wettbewerbsfilm „One Second“ und dem aus dem Generationsprogramm gestrichenen „Better Days“ auch auf die Willkür der Zensurstelle hin.

Lateinamerika ist wieder stark vertreten

Zum Abschluss sagt Xiang Zi: „Große Kunst ist ewig, aber Politiker sollten nur für eine begrenzte Zeit regieren.“ Das geht deutlich gegen die im vergangenen Jahr beschlossene Abschaffung der Amtszeitbegrenzung für das Präsidentenamt. Xi Jinping ist damit der mächtigste Politiker seit Mao. Regisseurin Xiang Zi wird sich mit ihrem regierungskritischen Kommentar sicher nicht ins Herz des Zensors katapultiert haben. Mal sehen, wie es für ihren nächsten Film aussieht.

Stark vertreten im Teddy-Programm waren auch in diesem Jahr wieder Produktionen aus Lateinamerika, wo das Interesse an queeren Kinostoffen in jüngster Zeit merklich gestiegen ist. Der Oscar für Sebastián Lelios Teddy-Siegerfilm „Eine fantastische Frau“ im vergangenen Jahr war dafür der sichtbarste Beweis. Der inzwischen in Berlin wohnende chilenische Regisseur nimmt diesmal als Wettbewerbsjuror am Festival teil und ist in die Volksbühne gekommen, um den Teddy für den besten Dokumentarfilm an die Chilenin Joanna Reposi Garibaldi zu überreichen.

Die Community muss zusammenhalten

Sie bekommt die vom Comiczeichner Ralph König gestaltete Trophäe mit dem dicken Teddybärchen für „Lemebel“, ein Porträt des chilenischen Autors, Künstlers und Schwulenaktivisten Pedro Lemebel. Wie umstritten der 2015 verstorbene Politprovokateur in ihrer Heimat noch immer ist, verdeutlich Garibaldi mit der Anekdote eines Lehrers, der kürzlich gefeuert wurde, weil er im Unterricht von Lemebel erzählt hatte. Der Kampf des Künstlers sei aber auch angesichts der verstörenden Entwicklungen in Lateinamerika – sie erwähnt die Wahl des ultrarechten Präsidenten Bolsonaro in Brasilien – aktueller denn je.

Brasilianische Filme hatten vergangenes Jahr die Preisverleihung dominiert.

Diesmal steht Armando Parças „Greta“ auf der Nominiertenliste, doch der Teddy für den besten Spielfilm geht ins Nachbarland Argentinien: Santiago Loza erhält ihn für seinen anrührenden Genremix „Breve historia del planeta verde“. Seine „kurze Geschichte vom grünen Planeten“ handelt von einem lilafarbenen Alien, das bei einer alten Dame wohnt. Als diese stirbt, macht sich ihre Enkeltochter Tania daran, den letzten Wunsch der Oma zu erfüllen: Der Außerirdische soll an den Ort in der argentinischen Provinz zurückgebracht werden, an dem er zuerst erschienen ist. Bei dieser Mission wird trans Frau Tania von Pedro und Danielle begleitet, wie sie Außenseiterinnen in einem vom Machismo geprägten Land. Doch gemeinsam sind sie stark.

Kosslick-Vorgänger Moritz de Hadeln kommt auf die Bühne

Der 1971 geborene Loza, der schon den Leser*innen-Preis des Nachrichtenportals queer.de entgegengenommen hat, kommt noch einmal auf die Bühne. Überglücklich erzählt er mit Übersetzungshilfe durch seinen Produzenten davon, dass seine Freunde immer für ihn da waren und der Film für sie sei. „Dieser Preis ist der wichtigste meines Lebens“, sagt Loza. Und auch er erwähnt, wie hart die Zeiten für Trans- und Homosexuelle derzeit in Lateinamerika sind. Deshalb müsse die Community zusammenhalten, sich die Hand reichen.

Die Beschwörung der queeren Solidarität ist ein Leitmotiv der Gala, die wieder von Entertainer Jack Woodhead moderiert wird. Als erster Redner tritt der Teddy-Erfinder und langjährige Panorama-Sektionschef Wieland Speck ans Mikrofon und ruft dazu auf, vereint den Anfeindungen von rechts entgegenzutreten. Dabei zitiert er den schwulen Regisseur Werner Schroeter, der 2010 einige Monate vor seinem Tod bei seiner letzten Teddy Gala zum Publikum gesagt habe: „Seid solidarisch!“

Speck, der die Panoramaleitung 2017 abgab, hat in diesem Jahr das Jubiläumsprogramm zum 40. Geburtstag der Sektion kuratiert. Jetzt hört er endgültig auf, weshalb es noch mal eine riesige Gruppenumarmung von Mitarbeiterinnen und Wegbegleitern für ihn gibt. Dazu kommt sogar der 78-jährige Kosslick-Vorgänger Moritz de Hadeln auf einen Stock gestützt nach vorne und macht ein paar launige Sprüche. Kosslick-Nachfolger Carlo Chatrian ist ebenfalls im Saal, doch er folgt der Einladung auf die Bühne nicht. Nächstes Jahr dann vielleicht – die Solidarität der Festivalleitung ist beim Teddy sicher willkommen.

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