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Zwei Teilnehmer aus Tuvalu, die der Klimakonferenz COP27 beiwohnten.

© Foto: AFP/JOSEPH EID

Tuvalu kämpf ums Überleben: Inselstaat soll vor dem Versinken ins Metaverse

Auf einer virtuellen Plattform eine Kopie des Archipels entstehen, bevor es durch die globale Erwärmung und einen steigenden Meeresspiegel verschwindet.

Die Insel Tuvalu ragt an ihrer höchsten Stelle gerade mal fünf Meter aus dem Wasser. Während andere Länder diskutieren, wie sie Häuser und Infrastruktur vor dem steigenden Meeresspiegel retten können, geht es bei dem kleinen Inselstaat im Pazifik um die Existenz des gesamten Landes.

Tuvalus Außenminister Simon Kofe äußerte sich diesbezüglich in einem Video, das sein Ministerium während der in Ägypten laufenden Klimakonferenz bei Twitter verbreitete: „Inseln wie diese werden rasante Erwärmung, steigende Meeresspiegel und Dürren nicht überleben, also bauen wir sie virtuell nach.“

Im Video ist Kofe auf einer virtuellen Insel an einem Palmenstrand zu sehen, am Himmel fliegen computergenerierte Vögel. Die Kamera zoomt nach seiner Ansprache heraus und zeigt die kleine Insel in einem ansonsten schwarzen virtuellen Raum.

Während unser Land verschwindet, haben wir keine Wahl als die erste digitale Nation der Welt zu werden

Tuvalus Außenminister Simon Kofe

Schon beim UN-Klimagipfel 2021 in Glasgow machte Kofe mit einiger Dramatik auf die Thematik aufmerksam: Kofe stand dabei – im Anzug und mit Krawatte – bis zu den Oberschenkeln im Wasser. Die Aktion mag auf den ersten Blick witzig anmuten, doch sie hatte einen ernsten Hintergrund.

Der Klimawandel macht pazifischen Inseln ganz besonders zu schaffen. Das zwischen Australien und Hawaii liegende Inselreich Tuvalu mit seinen neun Korallen-Atollen ist schon lange vom steigenden Wasser bedroht, denn der durch die globale Erwärmung steigende Meeresspiegel wird die Nation voraussichtlich bis 2100 unter Wasser setzen.

Schon in den nächsten Jahrzehnten könnte das Inselreich weitgehend überschwemmt werden. Damit wird Tuvalu unbewohnbar werden und seine 12.000 Einwohner und Einwohnerinnen werden ihre geliebte Heimat verlassen müssen. Deswegen plant das Volk schon jetzt, wie das Erbe des Pazifikstaates trotz seines wahrscheinlichen Untergangs bewahrt werden kann.

12.000
Einwohner und Einwohnerinnen werden ihre geliebte Heimat verlassen müssen

„Während unser Land verschwindet, haben wir keine Wahl als die erste digitale Nation der Welt zu werden“, sagte Kofe. Diese Meinung vertritt auch Eselealofa Apinelu, Tuvalus ehemalige Generalstaatsanwältin und derzeitige Hochkommissarin für Fidschi. Sie sagte während einer Pazifik-Konferenz Ende September, dass die Tuvaluaner und Tuvaluanerinnen etwas brauchen würden, „an dem sie sich festhalten“ könnten.

Als eine Möglichkeit nannte sie einen sogenannten digitalen Zwilling des Inselstaates, in dem auch Tuvalus Kultur und Werte verankert würden. Um Land und Kultur Tuvalus zu erhalten, „verlegen wir sie in die Cloud, unabhängig davon, was in der physischen Welt passiert“, sagte Kofe.

„Stück für Stück werden wir unser Land erhalten, unserem Volk Trost spenden und unsere Kinder und Enkel daran erinnern, was unser Zuhause einst war.“ Möglicherweise würde sich der Rest der Welt Tuvalu bald im Internet anschließen, sagte Kofe.

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Durch den digitalen Zwilling werden Informationen und Daten über Sensoren und Drohnen gesammelt, die dann mit Hilfe von Analytik-Tools, maschinellem Lernen und Künstlicher Intelligenz kombiniert werden. Der Zwilling könnte in einer Art Metaversum untergebracht werden, eine digitale Welt, wie sie Facebook-Chef Mark Zuckerberg gerade plant.

„Es muss irgendwo gespeichert werden, dass es ein Land namens Tuvalu gab“, meinte Apinelu in ihrer Konferenz-Ansprache, die der „Guardian“ zitierte. Das Ganze sei ein wenig wie „die letzte Option“ für den Inselstaat. Sollte das Unglück tatsächlich eintreten und Tuvalu verschwinden, so könnten Generationen von Tuvaluanern wenigstens noch die digitalisierte Idee des Landes ansehen. Auch Außenminister Kofe erwähnte im letzten Jahr bereits, dass sein Land nach legalen Wegen suche, um ein Staat zu bleiben, selbst wenn der Inselstaat physisch verschwinde.

Da die Existenz der Inseln seit Jahren bedroht ist, wird auch immer wieder das Thema Umsiedlung der Bevölkerung thematisiert. Apinelu fordert, dass andere Länder den Tuvaluanern die Migration erleichtern sollten. Die Menschen sollten potenzielle neue Heimatländer erkunden können, bevor die steigenden Gezeiten sie zur Migration zwingen würden. Neuseeland beispielsweise hatte 2014 als erstes Industrieland den Klimawandel als Fluchtgrund anerkannt. Damals war eine Familie aus Tuvalu in Neuseeland aufgenommen worden.

Dass die Idee eines digitalen Zwillings nicht abwegig ist, zeigte im Juni das in Singapur ansässige Unternehmen Vizzio Technologies. Vizzio baute den asiatischen Stadtstaat nach und schaffte damit den digitalen Zwilling einer gesamten Nation. Der virtuelle Klon des Stadtstaates wurde innerhalb von nur zwei Wochen erstellt. Der digitale Zwilling rekonstruiert die gesamte Stadt, Block für Block, Straße für Straße. (mit dpa)

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