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Fischen im Netz. Potenzielle Flirtpartner lernt man heute bei Instagram kennen.

© imago/Panthermedia

Kolumne: Angie Pohlers sucht die Liebe: Wie Instagram die Dating-Welt verändert

Such mich, like mich, spionier mich aus: Fast jeder hat das schon gemacht. Dabei kann das heimliche Auschecken schnell nach hinten losgehen.

Eine Bar in Neukölln, eine Situation, wie man sie vor allem an diesen fiesen grauen Winterabenden beobachten kann, die niemand allein verbringen mag: Es ist Elisas und Benjamins zweites Treffen. Kennengelernt haben sie sich über eine Dating-App. Zwei noch fast Fremde, aber das ändert sich gerade. Er weiß bereits, sie ist Juristin und ist süchtig nach Serien. Sie weiß, er mag keinen Wein und war tags zuvor bei einem Konzert. „Oh, hatte ich das erzählt?“, fragte Benjamin. „Nein, habe ich auf Facebook gesehen.“ Schweigen. In seinem Kopf rattert es. Woher kennt sie seinen Nachnamen? Was hat sie noch über ihn herausgefunden? Und – wie merkwürdig ist die denn? Pure Naivität. Es ist doch so: Netzwerke wie Facebook und Instagram sind soziale Suchmaschinen. Die Menschen, über die man mehr erfahren will, sind oft jene, mit denen etwas läuft. Oder laufen könnte.

Wenn man sich umhört, bekommt man den Eindruck: Das Kennenlernen und Auschecken hat sich zu einem guten Teil in den virtuellen Raum verlagert. Fast jeder, der nicht seit 20 Jahren einen Ring am Finger trägt, hat das schon gemacht. Klar, es gibt welche, die sagen, das täten sie niiie (aber gekonntes Online-Stalking lebt von der Heimlichkeit).

Die einen – halb Spanner, halb Romantiker – recherchieren aus Neugierde und Verknalltheit. Oder aus Kalkül. Bloß keine Zeit verschwenden an einen Sinnspruch-postenden Kollegah-Fan! Manche spionieren, um einen Vorteil zu haben, um im Gespräch punkten zu können. Klingt hart? Love is a Battlefield und einigen ist im Kampf jedes Mittel recht. Das gilt auch, wenn die Liebe endet. Wer verlassen wird, blockiert den anderen oft auf allen Kanälen. Die Höchststrafe im digitalen Zeitalter: Du sollst nichts mehr über mich wissen dürfen.

Zufällig auf den „Folgen“-Button gekommen – verdammt!

Instagram ist vor allem für die Jüngeren das, was einst die Theke in der Bar oder – die Alten erinnern sich – Tinder war. Die „New York Times“ gibt Tipps zum Flirten via Instagram, und die „Vice“ titelt aufgeregt: „Instagram-Storys haben die Dating-Welt für immer verändert“. Diese Foto- und Videoschnipsel aus dem Alltag ermöglichen eine subtilere Vorgehensweise, als es Theke und Tinder vermögen. So eine Story kann zugleich nichtssagend und vielsagend sein. Je nachdem, wen man ködern will. Ob der Fisch angebissen hat, ist auch gleich klar, weil in chronologischer Reihenfolge angezeigt wird, wer die Storys gesehen hat. Im besten Fall folgen gegenseitige Likes, Nachrichten und irgendwann eine Verabredung – oder nichts. Dann bleibt es eben bei den Likes. Sie haben gerade kein Wort verstanden? Keine Sorge, ist nicht mehr Ihre Altersklasse. Husch, zurück an die Theke!

Wenn man sich noch mehr umhört, staunt man, wie viel detektivisches Talent in den Leuten schlummert. Wie sie sich erst schämen, dann aber stolz darauf sind, was sie so alles finden in den tiefen Verästelungen eines Profils. Dabei kann viel schiefgehen: ein uraltes Foto der Kollegin mitten in der Nacht versehentlich liken. Oder beim Auskundschaften der Ex-Freundin des Neuen mit schwitzigen Fingern auf den „Folgen“-Button kommen – verdammt awkward und ein Grund, das Handy schreiend aus dem Fenster zu werfen.

Benjamin hat die Privatsphäre-Einstellungen seiner Profile übrigens gleich nachjustiert. Soll Elisa ihn doch treffen und mit ihm reden, wenn sie ihn besser kennenlernen will. Bei der Gelegenheit hat er geschaut, was er über sie herauskriegen kann. Mit allen Tricks und viel Ausdauer. Vergeblich. Sie war ihm wohl schon wieder einen Schritt voraus.

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