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Erstmals Daten zur Wirksamkeit der MPox-Impfung: Schon eine Impfdosis schützt – aber nicht alle
Laut einer großen Studie der Charité ist das Infektionsrisiko um 84 Prozent gemindert. Doch bei Menschen, die mit HIV leben, ist der Schutz nach der ersten Dosis unzureichend. Warum?
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Lange Zeit war unklar, wie gut der eigentlich für die Pocken zugelassene Impfstoff Imvanex auch gegen die sogenannten MPox schützt. Nun zeigt eine jetzt in der Fachzeitschrift „Lancet Infectious Diseases“ veröffentlichte Studie der Charité erstmals, wie wirksam die Impfung bei MPox tatsächlich ist.
Bereits eine Dosis verleiht demnach eine Schutzwirkung von 84 Prozent gegen eine Infektion mit MPox. Das bedeute, dass das Risiko, sich anzustecken, nach einer Impfung deutlich gemindert sei, sagt Studienleiter Leif Erik Sander, Direktor der Klinik für Infektiologie und Intensivmedizin der Charité, dem Tagesspiegel. Zum Vergleich: Eine Grippeschutzimpfung erreicht je nach Saison eine Wirksamkeit von gut 40 bis zu 67 Prozent.
Manche Menschen könnten von einer zweiten Impfung profitieren
Außerdem biete die Impfung auch einen Schutz gegen schwere Verläufe einer MPox-Infektion, sagt Sander. „Die Personen, die sich trotz der Impfung angesteckt haben, zeigten im Vergleich zu ungeimpften Erkrankten weniger der schmerzhaften Hautläsionen, die auch schneller abheilten, und hatten mildere Schmerzen und geringeres Fieber.“
Bei Menschen mit HIV sehen wir nach einer Impfdosis leider keine ausreichende Schutzwirkung.
Die hohe Schutzwirkung gelte allerdings nur für Menschen, die nicht mit HIV leben. „Bei Menschen mit HIV – selbst wenn sie gut wirksame Medikamente nehmen – sehen wir nach einer Impfdosis leider keine ausreichende Schutzwirkung“, sagt der Infektiologe. „Der Grund liegt vermutlich darin, dass für den Aufbau des Immunschutzes nach der Impfung bestimmte Immunzellen, die T-Zellen, nötig sind.“
Bei Menschen mit HIV sind diese T-Zellen häufig reduziert und nicht voll funktionsfähig, sodass die Immunantwort schwächer ausfalle.
Die Hoffnung ist nun, dass sich bei diesen Menschen, die oft auch zu den Risikogruppen für eine MPox-Infektion gehören, durch eine zweite Impfdosis ein höherer Schutz einstellt.
„Sind die Betroffenen gut mit HIV-Medikamenten eingestellt, ist die Anzahl ihrer T-Zellen in der Regel auf dem normalen Niveau und die Zellen sind nur in ihrer Funktion oft etwas eingeschränkter.“ Deshalb haben Wiederholungsimpfungen einen guten Effekt auf den Schutz. „Das belegen Erfahrungen mit anderen Impfungen“, sagt Sander.
An der Studie der Charité nahmen zwischen Juli 2022 und Dezember 2023 mehr als 9300 Männer oder trans Menschen teil, die mit wechselnden Männern oder trans Menschen Sex haben, also zu den Personengruppen gehören, denen eine Impfung von der Ständigen Impfkommission (Stiko) empfohlen wird.
Es handele sich dabei um eine Beobachtungsstudie, sagt Sander. Das heißt, es wurde unter anderem erfasst, ob die Teilnehmenden gegen MPox geimpft oder nicht geimpft waren, ob sie sich mit dem Erreger infiziert hatten, wie schwer die Symptome waren und ob sie mit HIV leben. Daraus habe man in einem aufwendigen Verfahren die Schutzwirkung berechnet.
Die Impfung könnte auch vor einer Weiterverbreitung des Virus schützen
Weil die Studie nur eine begrenzte Zeit lief und weil die Infektionszahlen stark nachgelassen haben, könne man nicht sagen, wie lange die Schutzwirkung anhalte. Dafür seien weitere Untersuchungen nötig. „Ich gehe aber davon aus, dass der Schutz mehrere Jahre anhält, aber das muss noch genau untersucht werden“, sagt der Infektiologe.
MPox – eine bis 2022 auch „Affenpocken“ oder „Monkeypox“ genannte Pockenart – grassieren immer wieder in Afrika. 2022 löste eine Unterart eine Infektionswelle in mehreren Ländern weltweit aus. Auch in Deutschland gibt es immer wieder Infektionsfälle. Allerdings ging das Infektionsgeschehen seit der zweiten Jahreshälfte 2022 hierzulande wieder deutlich zurück. Deshalb habe sich die zusätzliche Wirkung einer zweiten Impfdosis in der Studie nicht ermitteln lassen.
Im Juli 2022 hatte die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) angesichts der gesundheitlichen Notlage das gegen Pocken entwickelte Vakzin Imvanex auch zum Schutz vor Mpox zugelassen. Seitdem empfiehlt die Stiko Personen mit erhöhtem Mpox-Risiko – das sind vor allem Männer, die Sex mit Männern haben, und Mitarbeitende in Fachlaboren, die mit infektiösem Material arbeiten – eine Impfung mit Imvanex.
Das Immunsystem baut typischerweise einen länger andauernden Immunschutz auf, wenn es sich mehr als einmal mit dem Vakzin auseinandergesetzt hat.
Florian Kurth, Infektiologe
„Wir gehen davon aus, dass sich bei Menschen mit HIV nach der zweiten Impfdosis ein Schutz gegen Mpox entwickelt, und legen ihnen dringend nahe, sich die von der STIKO empfohlenen zwei Impfdosen verabreichen zu lassen“, sagt Florian Kurth. Der Leiter der Arbeitsgruppe für klinische Infektionsforschung an der Charité hat nach Angaben des Universitätsklinikums die Studie zusammen mit Leif Erik Sander federführend verantwortet.
„Wir empfehlen auch allen anderen Risikogruppen, die beiden Impfungen zu komplettieren“, sagt Kurth. „Das Immunsystem baut typischerweise einen länger andauernden Immunschutz auf, wenn es sich mehr als einmal mit dem Vakzin auseinandergesetzt hat.“ Wie hoch die Schutzwirkung bei den verschiedenen Personengruppen nach zwei Impfungen genau sein wird, müssen weitere Studien zeigen.
Kurth verweist auf einen weiteren Effekt der Impfung. Die Pocken – also die Läsionen auf der Haut – sind sehr infektiös. „Mit weniger Pocken sinkt mutmaßlich auch das Risiko einer Übertragung des Virus. Eine vollständige Impfung dürfte einem Wiederaufflammen von Mpox-Ausbrüchen daher entgegenwirken.“
Die Forschenden untersuchten laut der Mitteilung der Charité zudem bei über 6500 Personen die Verträglichkeit und Sicherheit der Mpox-Impfung. Als Impfreaktion gaben die Probanden am häufigsten Schmerzen an der Einstichstelle an. Weniger als drei Prozent der Geimpften berichteten über stärkere Empfindungen wie Fieber, Kopf- und Muskelschmerz, Übelkeit oder Durchfall.
„Die Mpox-Impfung ist also sicher und insgesamt gut verträglich“, sagt Florian Kurth. „Zu beachten ist, dass der Impfschutz erst nach etwa 14 Tagen vollständig aufgebaut ist. Zusätzlich sollten allgemeine Präventionsmaßnahmen wie die Nutzung von Kondomen ergriffen werden – auch zum Schutz vor anderen sexuell übertragbaren Krankheiten.“
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