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Schlapp und lustlos? Dahinter könnte ein gestörtes Hormongleichgewicht stecken. (Symbolbild)

© imago/Westend61

Fachärzte warnen vor Hormontests für zu Hause: „Selbst-Diagnostik kann zu unnötiger Sorge führen“

Testosteron, Östrogen oder Cortisol – immer mehr Hormontests drängen auf den Markt. Endokrinologen raten davon ab, sie zu nutzen. Was können die Tests und wo liegen ihre Grenzen?

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Sie fühlen sich müde und antriebslos, überanstrengt und aufgedreht oder schlafgestört und lustlos? Dahinter könnte ein Problem bei der Versorgung mit bestimmten Hormonen stecken. Das Stresshormon Cortisol, die Sexualhormone Testosteron und Östrogen und auch die Schilddrüsenhormone steuern als Botenstoffe viele wichtige Funktionen im Körper, zum Beispiel das Wachstum, den Stoffwechsel und auch den Menstruationszyklus.

Entsprechend soll der Hormonspiegel im Blut, Urin oder Speichel viel über unsere Gesundheit verraten können. Die Ursachen für Zyklusstörungen, Hautproblemen, Stimmungsschwankungen, Schlafstörungen, ja selbst für Burnout sollen so ablesbar sein, versprechen Anbieter von Hormontests, für die Proben zu Hause abgenommen und dann eingesandt werden. Von dort geht es ins Labor. Nach wenigen Tagen bekommt man das Testergebnis zugeschickt.

Man muss diese Selbsttests zwar selbst bezahlen, braucht dafür aber nicht auf einen Arzttermin zu warten. Praktisch und schnell also – aber auch aussagekräftig und medizinisch korrekt?

Ärzte haben da so ihre Zweifel. Die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) – das sind die Fachärzte für Hormone und den Stoffwechsel – rät davon ab, solche Selbsttests zu nutzen. Die Ergebnisse seien nicht valide, so die DGE in einer Pressemitteilung. Man empfehle, sich bei Fragen zum Hormonstatus in einer endokrinologischen Fachpraxis vorzustellen. Dort erhielten Patienten entsprechend ihrer Beschwerden die notwendigen Untersuchungen und bei Vorliegen einer hormonellen Störung werde die weitere Therapie besprochen.

Selbst wenn die Tests beispielsweise in einem zertifizierten Verfahren durchgeführt werden, sind sie immer stark abhängig von äußeren Bedingungen.

W. Alexander Mann, Endokrinologe

„Es kann viele Gründe geben, warum sich Betroffene bei Beschwerden nicht an Endokrinologen wenden, sondern sich für die kommerziellen Hormon-Selbsttests entscheiden“, sagt W. Alexander Mann, Facharzt für Innere Medizin, Endokrinologie und Diabetologie am Endokrinologikum Frankfurt/Main. „Unter Umständen ist ihnen die Wartezeit bis zu einem Arzttermin zu lang oder sie fühlen sich dort mit ihren Beschwerden nicht ernst genommen und erhoffen sich von den Hormontests neue Erkenntnisse.“

Mit den Ergebnissen der Tests allein gelassen

Doch bei vielen kommerziellen Hormon-Selbsttests könne nicht nachverfolgt werden, welche Qualität die Tests und somit auch die Ergebnisse besitzen. „Diese Selbst-Diagnostik kann bei den Betroffenen zu unnötiger Sorge führen, falls die Ergebnisse falsch oder ungenau sind.“ Da es bei dem Großteil der Tests danach kein Beratungsgespräch mit Fachärzten gebe, hätten sie für Laien im günstigen Fall erstmal geringe oder keine, im schlimmsten Fall eine irreführende Aussagekraft.

Anbieter halten dagegen. „Unsere Tests liefern belastbare Ergebnisse“, sagt Olaf Schneider, Geschäftsführer der Firma Cerascreen mit Sitz in Hamburg und Schwerin, dem Tagesspiegel. „Sie zeigen potenzielle Schwankungen auf, die von den Referenzbereichen abweichen und ein Hinweis auf Probleme im Lebensstil oder in der Ernährung und auf Erkrankungen sein können.“ Es gehe dabei um Faktoren, die Menschen direkt in ihrem Alltag beeinflussen können, durch Essen, Bewegung, Schlafhygiene und Stressmanagement.

Die Selbsttests seien also nicht vorrangig für die Diagnose von Krankheiten gedacht. „Wir wenden uns vor allem an gesunde Menschen, die mit den Testergebnissen ihren Lebensstil prüfen und Krankheiten vorbeugen wollen und gar nicht zum Arzt gegangen wären.“ Wenn die Ergebnisse Hinweise auf Erkrankungen geben, rate man den Kunden klar dazu, einen Mediziner aufzusuchen und mit ihm die Ergebnisse durchzusprechen. „Unsere Tests ersetzen keinen Arztbesuch.“

Tests in Praxen werden von den Kassen übernommen

Aus Medizinersicht sei eine andere Reihenfolge empfehlenswerter: Um die Hormone als Ursache für bestimmte Beschwerden zu identifizieren, sei im ersten Schritt der Gang zu Fachärzten für Endokrinologie sinnvoll, teilt die Fachgesellschaft DGE mit. Bei begründetem Verdacht auf eine hormonelle Störung ordneten Ärzte einen Hormontest an. „Dieser wird in der Regel als Blut-, Speichel- oder Urintest durchgeführt, die Ergebnisse werden im Anschluss mit den Patienten im Detail besprochen, ebenso die mögliche Therapie.“

Unsere Tests liefern belastbare Ergebnisse.

Olaf Schneider, Geschäftsführer von Cerascreen

Liege ein begründeter Verdacht auf eine hormonelle Störung vor, übernehmen die Krankenkassen die Kosten für den Hormontest in einer endokrinologischen Fachpraxis.

Und die Fachgesellschaft führt einen weiteren Kritikpunkt an den Selbsttests an: Die Konzentration der Hormone, für die die Tests ausgelegt sind, sei schwerer zu messen, da diese von verschiedenen Faktoren beeinflusst wird. „Selbst wenn die Tests beispielsweise in einem zertifizierten Verfahren durchgeführt werden, sind sie immer stark abhängig von äußeren Bedingungen“, sagt Facharzt Mann. „Das fängt schon bei der Tageszeit an, an der die Probe entnommen wurde. Diese beeinflusst beispielsweise die Bewertung von männlichen Hormonen sehr stark. Somit kann der vorliegende Hormonspiegel nicht zuverlässig bewertet werden.“

Das bestätigt auch Cerascreen-Geschäftsführer Olaf Schneider – und dreht den Spieß um: „Gerade, weil der Zeitpunkt und der Kontext so entscheidend für Hormontests sind, glauben wir, dass sie am besten selbstbestimmt zu Hause durchgeführt werden können.“ So bilde der Test für das Stresshormon Cortisol die Hormonkurve im Tagesverlauf ab. „Kunden nehmen dafür zu Hause zu festgelegten Uhrzeiten sieben Speichelproben.“

Die Kurve lasse sich mit einer Referenzkurve vergleichen, „um beispielsweise einen untypischen Tagesverlauf oder auffällige Spitzen zu beobachten.“ Das sei wichtig, denn ein niedriger Cortisolspiegel am Morgen könne zum Beispiel auf Burnout hinweisen, sagt Schneider. Die perfekten Zeitpunkte zur Probenahme ließen sich also nur sehr schwer mit Arztterminen koordinieren.

Die Tests seien als Medizinprodukte zertifiziert und enthielten detaillierte Beschreibungen, wie und wann die Proben zu entnehmen sind. „Diese Handreichungen sind so konzipiert, dass auch 12-Jährige sie gut verstehen können“, sagt Olaf Schneider.

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