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Gesundheitsinformationen so rüberzubringen, dass Menschen sie auch verstehen, ist nicht für jede Behörde selbstverständlich.

© mauritius images / Radius Images

Leichte Sprache, gute Videos: Aufklärung über Gesundheitsthemen muss verständlich sein

Wie kann man medizinische Themen so kommunizieren, dass Bürger nicht gelangweilt abschalten oder sich in Verschwörungstheorien versteigen? Mit dieser Frage beschäftigt sich ein Projekt der Berliner Organisation „Wissenschaft im Dialog“.

Die Corona-Pandemie hat uns einiges gelehrt. Zum Beispiel können Laien nun Antigen-Schnelltests durchführen und ganz Deutschland kennt medizinische Fachbegriffe wie Aerosole, Antikörper oder Inzidenz. Aber nicht nur in Sachen Medizin, auch in Sachen Kommunikation haben uns die vergangenen Jahre lernen lassen.

Denn in Pandemiezeiten war plötzlich nicht mehr selbstverständlich, dass Experten den medizinischen Diskurs bestimmen und die Bürger ihrer Expertise vertrauen. Statt der Tagesschau war phasenweise Telegram das Leitmedium der Stunde. Wo und wie Informationen kommuniziert werden, wurde bedeutsam für die Glaubwürdigkeit von Wissenschaft insgesamt.

Die Zielgruppe ansprechen

Die Organisation Wissenschaft im Dialog (WiD) beschäftigt sich seit mehr als 20 Jahren mit der Frage, wie Forscher ihre Erkenntnisse am besten an Laien vermitteln können. Sie hat ihren Hauptsitz in Berlin-Mitte, nur eine Straßenkreuzung vom Checkpoint Charlie entfernt. Eines der neueren Projekte von WiD heißt DiPubHealth. Die Initiatoren wollen herausfinden, wie man medizinische Themen so kommuniziert, dass sie von der Zielgruppe auch verstanden werden.

Behördensprache ist für Bürger kaum zu verstehen.

Annette Leßmöllmann, Kommunikationswissenschaftlerin

Geleitet wird das Projekt von Annette Leßmöllmann, die am Karlsruher Institut für Technologie einen Lehrstuhl für Wissenschaftskommunikation innehat. Die Forscher untersuchen gemeinsam mit Kollegen von der RWTH Aachen, wie kommunale Verwaltungen Gesundheitsthemen besser vermitteln können.

Negativbeispiele gebe es viele, erzählt Leßmöllmann. Behörden nutzten zum Beispiel gerne juristisch vollkommen sichere Formulierungen. „Die sind für Bürger kaum zu verstehen“. Gemeinsam mit ihrem Team versucht sie, die Behördenmitarbeiter dafür zu sensibilisieren. „Wer einen Text zu einem Gesundheitsthema verbreitet, sollte sich immer fragen, wen genau er eigentlich erreichen will. Und es dieser Zielgruppe dann so leicht wie möglich machen“.

Komplizierte lange Texte einfach online zu stellen, reiche dafür nicht aus, sagt Leßmöllmann. Das habe man in der Pandemie gut beobachten können: Anstatt zu erklären, was sich mit einer neuen Coronaverordnung ändert, hätten einige kommunale Verwaltungen einfach jedes Mal eine aktualisierte Fassung des Verordnungstextes hochgeladen. „Um zu erfahren, was neu ist, mussten Bürger die alte und neue Ordnung parallel aufrufen und vergleichen. Wer macht das schon? Das ist kein Service, das ist Pseudotransparenz“, sagt die Wissenschaftlerin.

Lange komplizierte Texte? Das ist Pseudotransparenz.

Annette Leßmöllmann, Kommunikationswissenschaftlerin

Auch die Digitalisierung sei in staatlichen Einrichtungen teils verschlafen worden, findet Leßmöllmann. „Da wird untereinander noch per Fax kommuniziert, während die Zielgruppe Tiktok nutzt“. Sie und ihr Team versuchen dann, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, wie neue Medien funktionieren.

Das schönste Video, hochgeladen bei Youtube, bringe zum Beispiel gar nichts, wenn es keiner klickt, sagt die Forscherin. Überhaupt sei es eine Kunst, Gesundheitsinformation so rüberzubringen, dass Menschen sie lesen oder anschauen wollen. „Texte müssen kurz und leicht verständlich sein, Filme gut unterhalten“. Der typische Tagesschau-Einspieler, in dem eine Wissenschaftlerin im Labor etwas erzählt und dazu eine Grafik eingeblendet wird, spreche viele junge Leute gar nicht mehr an. „Die klicken gleich weg“.

Ein bisschen wie Galileo

Gut funktionierten dagegen Videos, die den Zuschauer emotional ansprechen, wie zum Beispiel auf dem erfolgreichen Youtube-Wissenschaftskanal Mailab. Auch Animationen schauten die meisten Menschen gerne, sagt Leßmöllmann. Oder Formate, die Wissenschaft als Rätsel präsentieren. „Ein bisschen wie Galileo, aber mit weniger Klamauk“.

Staatlichen Institutionen müssten sich dessen bewusst sein, wenn sie ihre Informationen an den Mann und an die Frau bringen wollen. „Wer Menschen erreichen will, muss auch seriöse Inhalte unterhaltsam vermitteln“. Und sie dann auf den passenden Kanälen verbreiten. In der Pandemie habe es zu lange gedauert, bis Experten soziale Medien genutzt haben, findet Leßmöllmann. Bis dahin hätten schon andere den Diskurs übernommen. „Die Wissenschaft hat sich lange geziert, das war falsch“.

Um zu sehen, wie sich Diskurse weg von der Expertise hin zur Polarisierung verschieben, wertet ihr Team auch medizinische Debatten der vergangenen Jahre aus. 2019 etwa veränderte eine einzelne Pressemitteilung eines Ärzteverbands die Debatte zur Feinstaubbelastung. „Viele Medien haben den Inhalt ungeprüft verbreitet, er lief in den Talkshows rauf und runter“.

Später kam heraus, dass die Mitteilung einen Rechenfehler enthielt. Leßmöllmann zufolge sollten wir aus solchen Ereignissen lernen. „Die neue Medienwelt ist schnell und polarisierend, auch Falschinformationen verbreiten sich rasch. Experten müssen dann in der Lage sein, korrekte Informationen so zu vermitteln, dass die Menschen sie hören.“

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