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Bundeskanzler Olaf Scholz besucht einen Tempel in Hanoi.

© Foto: Kay Nietfeld/dpa

Asien-Reise in schwierigen Zeiten : Scholz kann sich gerade vorkommen wie ein Sisyphos

Gelingt eine Front gegen Putins Atomdrohungen? Die Asien-Reise des Kanzlers zeigt, wie schwierig die Lage ist, auch mit neuen Partnern.

Ein Kommentar von Georg Ismar

Wie schwierig die Welt geworden ist, zeigt sich gerade sehr deutlich bei den Asien-Reisen von Olaf Scholz. Erst war er in China, dann in Vietnam. Beide Länder verurteilen den russischen Krieg in der Ukraine bisher nicht. Eine entsprechende Aufforderung an Premier Pham Minh Chinh in Hanoi blieb unerwidert. Dennoch ist das Land eine Möglichkeit, um über mehr Handel die Abhängigkeiten von China zu reduzieren.

Mit diesem Ziel sollte sich Scholz dringend auch um einen Ausbau des Handels mit Lateinamerika kümmern. In fast einem Jahr Kanzlerschaft hat er diesen auch wegen Rohstoffen – Stichwort Lithium – bedeutenden Doppel-Kontinent noch nicht besucht.

Wenn in Brasilien Lula im Januar die Präsidentschaft übernimmt, wird er alle politische Unterstützung aus Europa brauchen. Zudem muss ein Weg gefunden werden, die Amazonaswald-Abholzung zu reduzieren.

In Vietnam hat Scholz auch an die Ansprüche Chinas auf Inseln und Meeresgebiete in der Region erinnert. China beansprucht das Südchinesische Meer zu 80 Prozent für sich. Doch wenn sich immer mehr das Recht des Stärkeren durchsetzt, liegt die internationale Weltordnung vollends in Trümmern.

Der Kanzler legte Vietnams Regierung nahe, dass ein Bekenntnis zu Multilateralismus und einem Anerkennen des Völkerrechts auch in ihrem eigenen Interesse wäre.

Ein Arbeiter ist durch ein G20-Logo zu sehen, während er das Medienzentrum des G20-Gipfels reinigt.
Ein Arbeiter ist durch ein G20-Logo zu sehen, während er das Medienzentrum des G20-Gipfels reinigt.

© Foto: dpa/AP/Dita Alangkara

Hat der Multilateralismus noch eine Chance?

Scholz kann sich gerade vorkommen wie ein Sisyphos, der viel unterwegs ist, um die Fahne des Multilateralismus in einer multipolaren Welt hochzuhalten. Er und sein Wirtschaftsminister Robert Habeck sollten aber den Worten, etwa dem Ruf nach neuen Freihandelsabkommen, auch rasch Taten folgen lassen.

Die Welt bewegt sich schnell. Um in der geopolitischen Zeitenwende zu bestehen sind Ergebnisse gefordert. Die Wirtschaft hat inzwischen erkannt, dass es dringend einen Ausbau der Partnerschaften jenseits von China braucht, um ein böses Erwachen zu vermeiden.

 Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wird von Pham Minh Chinh (l), Premierminister der Sozialistischen Republik Vietnam, mit militärischen Ehren empfangen.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wird von Pham Minh Chinh (l), Premierminister der Sozialistischen Republik Vietnam, mit militärischen Ehren empfangen.

© dpa/Kay Nietfeld

Ein neues Instrument als Chance für weniger Abhängigkeit

Um mehr Unternehmen dazu zu bewegen, sich möglichst breit aufstellen, hat die Bundesregierung einen richtigen Ansatz gefunden: Sie will dies mit dem Instrument staatlicher Investitionsgarantien unterstützen. Eine schnelle Prüfung verlangt auch der Vorschlag von Habeck, wonach die Investitionsgarantie pro Unternehmen und pro Land auf drei Milliarden Euro begrenzt werden soll. Weitere Absicherungen soll es dann nur für Investitionen in anderen Ländern geben.

Plötzlich Ärger auch mit den USA

Als würde das alles nicht reichen, hat Scholz beim bevorstehenden G20-Gipfel in Bali unerwartet ein weiteres Problem auf die Tagesordnung bekommen: ausgerechnet mit den USA. In Berlin ist man mehr als irritiert über das Anti-Inflationsprogramm von Präsident Joe Biden, da es durch die massiven Wirtschaftshilfen das Verlagern von Investitionen auch aus Deutschland in die USA befördern und gegen WTO- Regeln verstoßen könnte.

Letztlich wird es beim G20-Gipfel aber vor allem um den russischen Krieg in der Ukraine gehen. Es ist misslich, dass Wladimir Putin den Konflikt auf der großen Bühne auf Bali meidet. Der russische Präsident musste fürchten, dass ihm hier auch die bisherigen Partner zu verstehen geben, dass sie den die ganze Welt in Turbulenzen stürzenden Krieg für sinnlos halten.

Können die G20 Russland von der Atom-Option abbringen?

Die westlichen Partner sollten all ihren Einfluss in die Waagschale werfen, um gemeinsam den Druck auf Putin zu erhöhen. Ein Erfolg wäre ein gemeinsames Bekenntnis, dass Russland ultimativ vor dem Einsatz von Atomwaffen gewarnt würde. Nach dem russischen Rückzug aus Cherson gibt es ein gewisses Momentum. Als erster Schritt muss das auslaufende Abkommen zur Ausfuhr von ukrainischem Getreide über das Schwarze Meer verlängert werden. Und die Energieinfrastruktur in der Ukraine muss repariert werden.

Das Fahren auf Sicht

Angela Merkel ist oft auf Sicht gefahren, das macht Scholz auch gerade. Einen anderen Weg gibt es derzeit nicht, es ist das Prinzip Sisyphos. Aber zumindest gibt es Signale der Hoffnung - und die Aussicht auf weniger Abhängigkeiten durch das Zugehen auf vernachlässigte Partner.

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