
© REUTERS/Valentyn Ogirenko
20 Punkte und vier Dokumente: Ukrainisches Nachrichtenportal veröffentlicht aktualisierten Friedensplan
Die ukrainische Nachrichtenplattform „zn.ua“ berichtet über den Inhalt des aktualisierten Friedensvertrages. Demnach gibt es nur wenige Veränderungen zu vorherigen Versionen.
Stand:
Die neueste Version des in Europa abgestimmten Friedensplanes haben die ukrainischen Verhandler am Mittwochabend in die USA geschickt. Über den Inhalt gibt es bisher kaum Informationen. Kanzler Friedrich Merz ließ durchblicken, dass er auch Kompromisse in territorialen Fragen enthalte. Damit spielt er auf den Hauptstreitpunkt zwischen Russland und der Ukraine an: Welche Gebiete bei einem Friedensschluss an Russland gehen.
Russland will die aktuell besetzten Gebiete, zudem den Rest des Donbass, den das Land bisher nicht besetzt hat. Dabei handelt es sich um rund 30 Prozent des strategisch wichtigen Gebiets. Die Ukraine will so wenig Gebiet wie möglich abtreten. Dennoch drängen die USA die ukrainischen Verhandler seit Wochen, weitreichenden Gebietsabtretungen zuzustimmen.
Mit Spannung wird deshalb erwartet, was die Ukraine als Kompromiss bei der Gebietsfrage sehen könnte.
Darauf gibt nun das ukrainische Nachrichtenportal „ZN“ eine erste Antwort. Die Journalistin Tetiana Sylina hat laut eigener Aussage eine aktuelle Version des Friedensplans einsehen können. Ob es die aktuellste, also die von der Ukraine an Washington geschickte Version ist, ist allerdings unklar.
Was Sylina berichtet, klingt vor dem Hintergrund der Gespräche in den vergangenen Wochen plausibel. Demnach besteht die Version des Plans, den sie einsehen konnte, aus 20 Punkten und drei weiteren Dokumenten zu den Themen Sicherheitsgarantien, Nato-Mitgliedschaft und dem künftigen Verhältnis zwischen den USA und Russland.
Am Donnerstagabend äußerte sich auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj zu den Verhandlungen. Die USA sprechen sich nach seinen Angaben für eine entmilitarisierte Sonderwirtschaftszone im Osten der Ukraine aus. „Sie stellen sich vor, dass die ukrainischen Streitkräfte das Gebiet der Region Donezk verlassen, und der vorgesehene Kompromiss besteht darin, dass russische Streitkräfte nicht in dieses Gebiet einmarschieren“, sagte Selenskyj vor Journalisten in Kiew.
Wie Selenskyj weiter sagte, soll die russische Armee nach den Vorstellungen der USA nicht verpflichtet werden, sich aus den Regionen Donezk, Cherson und Saporischschja zurückzuziehen. Den Plänen zufolge sei aber ein russischer Truppenrückzug aus den Regionen Dnipropetrowsk, Charkiw und Sumy vorgesehen, sagte Selenskyj.
Strittig in den Gesprächen mit den USA sind nach Angaben des ukrainischen Präsidenten insbesondere „das Gebiet der Region Donezk und alles, was damit zusammenhängt“ - sowie der künftige Status des derzeit unter russischer Kontrolle stehenden Atomkraftwerks Saporischschja. „Über diese beiden Fragen diskutieren wir weiter“, sagte Selenskyj.
Aus Selenskyjs Sicht sollen die Ukrainer per Volksentscheid über jeglichen Kompromiss zum Territorium des Landes entscheiden. „Ich glaube, dass das ukrainische Volk diese Frage beantworten wird. Ob durch Wahlen oder ein Referendum, es muss eine Stellungnahme des ukrainischen Volkes erfolgen“, sagte Selenskyj
Der Präsident forderte erneut Sicherheitsgarantien für sein Land. Die Ukraine müsse wissen, wie ihre Partner auf einen neuen russischen Angriff nach einem Friedensabkommen reagieren würden.
Die Kernpunkte des neuen Planes und der dazugehörigen Dokumente sind laut „ZN“:
- Der Plan sieht vor, dass die Krim sowie große Teile der Regionen Donezk und Luhansk offiziell unter russischer Kontrolle bleiben sollen. Für Cherson und Saporischschja soll die aktuelle Frontlinie eingefroren werden. Die Grenzen könnten künftig nur mit diplomatischen Mitteln und nicht militärisch verschoben werden. Russland soll sich aus allen anderen ukrainischen Gebieten zurückziehen.
- Im Donbass soll eine neutrale Zone entstehen, in die weder ukrainische noch russische Truppen vorrücken dürfen. Dabei handelt es sich offenbar um das Gebiet, das Russland bisher nicht besetzen konnte. Demnach soll es weder zur Ukraine noch zu Russland gehören.
- Das von Russland besetzte AKW Saporischschja soll von einem US-Unternehmen betrieben werden. Der Strom ginge zur Hälfte an die Ukraine.
- Der Ukraine soll nicht explizit verboten werden, Nato-Mitglied zu werden. Aber in einem separaten Dokument verpflichten sich die USA demnach, dass die Nato nicht weiterwächst und die Ukraine kein Nato-Mitglied wird. Die USA werden als Mediator zwischen Russland und der Nato genannt.
- Es sollen keine Nato-Truppen auf ukrainischem Gebiet stationiert und ukrainische Armee auf 800.000 Soldaten begrenzt werden. Aktuell ist die Armee rund eine Million Soldaten groß. In einem ursprünglichen Entwurf des Friedensplans hätte die Armee nur aus 600.000 Soldaten bestehen dürfen.
- In einem separaten Dokument werden der Ukraine Sicherheitsgarantien zugesprochen. Sie entsprechen den Klauseln des Nato-Artikels Nummer 5. Die USA, Europa und die Nato sollen für die Sicherheit der Ukraine garantieren. Konkret genannt sind als Garanten für die Sicherheit der Ukraine: Frankreich, Deutschland, Finnland, Polen und Großbritannien.
- Zum Wiederaufbau der Ukraine soll ein 200 Milliarden Dollar schwerer Fonds entstehen, der sich aus den in der EU eingefrorenen russischen Vermögen speist. Der Fonds würde von den USA verwaltet.
- Die USA stellen Russland Reintegration in die Weltwirtschaft in Aussicht, eine Rückkehr in die G8, gemeinsame Projekte – im Gegenzug für russische Zusagen, ihre Nachbarn nicht mehr zu überfallen.
- Ein Punkt aus dem früheren Plan, dass alle Kriegsteilnehmer Amnestie erhalten, wurde demnach gestrichen. Das hätte alle russischen Kriegsverbrecher der Strafverfolgung entzogen.
- Weiterhin wird der Ukraine die EU-Mitgliedschaft erlaubt (mit dem 1. Januar 2027 ist sogar ein konkretes Datum genannt). Die Ukraine muss so bald wie möglich nach der Unterzeichnung des Friedensvertrages Wahlen abhalten.
Einige Punkte des Plans lassen es unwahrscheinlich erscheinen, dass es die Version des Friedensplans ist, den die Europäer zuletzt an die USA geschickt haben. So kann zum Beispiel kein Datum für den EU-Beitritt der Ukraine versprochen werden, denn die Ukraine müsste zuerst den langwierigen Beitrittsprozess absolvieren.
Außerdem hatten sich die Europäer heftig dagegen gewehrt, dass eingefrorenes russisches Vermögen in einen von den USA verwalteten Investmentfonds fließt. Wahrscheinlicher ist deshalb, dass es sich bei dem Dokument um die neueste US-Version des Friedensplans handelt. (ben)
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