
© IMAGO/Majdi Fathi
471 Tage Geiselhaft: Romi Gronen spricht über sexuellen Missbrauch durch Hamas-Entführer
Die am 7. Oktober 2023 entführte Israelin Romi Gonen hat erstmals öffentlich über ihre Zeit in der Geiselhaft gesprochen. Die 25-Jährige schilderte sexuelle Gewalt durch mehrere Männer.
Stand:
Fast ein Jahr nach ihrer Freilassung hat die ehemalige israelische Hamas-Geisel Romi Gonen erstmals öffentlich über ihre Gefangenschaft gesprochen. In einem Interview mit dem israelischen Fernsehsender Kanal 12 schilderte die 25-Jährige am Donnerstagabend, wie sie von mehreren Terroristen in unterschiedlichem Ausmaß sexuell missbraucht wurde, berichtet die „Jüdische Allgemeine“.
„Die Frage, über die jeder nachdenkt, ist: Wurdest du sexuell missbraucht? Doch niemand spricht sie aus, weil niemand die Antwort hören will“, wird Gonen in dem Bericht zitiert. Insgesamt habe sie vier Fälle sexuellen Missbrauchs durch verschiedene Männer unterschiedlichen Schweregrads geschildert.
Verschleppt vom Nova-Festival
Gonen – damals 23 Jahre alt – war am 7. Oktober 2023 während des Hamas-Massakers vom Nova-Festival im Grenzgebiet zum Gazastreifen entführt worden. Sie versuchte mit Freunden in einem Auto vor den Angreifern zu fliehen und telefonierte dabei mit ihrer Mutter, berichtete die „Jerusalem Post“ damals. Bevor Gonen entführt wurde, schossen die Angreifer auf sie und verletzten sie. Ihre vorerst letzten Worte an ihre Mutter waren: „Sie haben auf mich geschossen, Mama, und ich blute. Jeder im Auto blutet.“
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Bei dem Angriff auf das Festival wurden Hunderte Besucher getötet, Dutzende verschleppt. Insgesamt töteten die Hamas und andere extremistische Palästinenserorganisationen an diesem Tag rund 1200 Menschen und verschleppten mehr als 250 weitere als Geiseln in den Gazastreifen. Nach 471 Tagen in Geiselhaft kehrte Gonen am 19. Januar 2025 durch ein Waffenstillstands- und Geiselabkommen nach Hause zurück.
Missbrauch begann am vierten Tag
Die sexualisierte Gewalt habe bereits am vierten Tag nach ihrer Verschleppung begonnen, berichtet die „Jüdische Allgemeine“ unter Berufung auf den Bericht von Kanal 12. Ein Krankenpfleger habe sie zum Duschen begleitet, „weil er mir angeblich helfen sollte“, wird Gonen zitiert. „Ich war verletzt, hatte keine Kraft. Ich war in einer Situation, in der ich nichts tun konnte. Er hat mir alles genommen.“
Später sei sie von zwei Hamas-Entführern in einer Wohnung im Gazastreifen festgehalten worden, die sie im Fernsehinterview Mohammed und Ibrahim nennt, heißt es in dem Bericht. „Es waren mit Abstand die schlimmsten 16 Tage meiner Gefangenschaft“, wird Gonen zitiert.
Der erste Übergriff durch Mohammed soll so abgelaufen sein: „Plötzlich spürte ich, wie er mir den Rücken massierte. Seine Hand wanderte dann zu meiner Taille. Ich hielt ihn auf, sagte: ‚Hör auf, mich anzufassen‘, schob seine Hand weg. Dann stand ich auf und schrie: ‚Fass mich nicht mehr an.‘“
Mohammed habe Gonen wenig später gedroht: „Ab jetzt schlafen wir eng aneinandergepresst. Wenn du ins Bad gehst, gehe ich mit. Jede Nacht werde ich dich mit Handschellen an mich ketten“, zitiert die „Jüdische Allgemeine“ eine Aussage der 25-Jährigen.
Alle in Israel glauben, du bist tot – und du bist hier, gefangen als Sexsklavin.
Ehemalige israelische Hamas-Geisel Romi Gonen
Der schlimmste Übergriff habe sich ereignet, als die Entführer Gonen mitgeteilt hätten, die Hamas habe angeordnet, sie zu töten. Sie hätten ihr einen Ausweg angeboten, heißt es in dem Bericht unter Berufung auf die Kanal-12-Sendung. „Ich weinte hemmungslos, und er war im siebten Himmel“, wird die Frau zitiert. Ihr sei der Gedanke gekommen: „Alle in Israel glauben, du bist tot – und du bist hier, gefangen als Sexsklavin.“
Auch männliche Geiseln betroffen
Auch ehemalige männliche Geiseln haben öffentlich erklärt, Opfer von sexuellem Missbrauch geworden zu sein, berichtet die „Jüdische Allgemeine“ und kommt zu dem Schluss, dass die Übergriffe nicht zufällig erfolgten, sondern systematisch verübt wurden. Freigelassene Geiseln hätten teils Anzeichen schwerer Traumata aufweisen, die auf sexuellen Missbrauch hindeuten, bezieht sich der Bericht auf Aussagen von medizinischem Personal.
Gonens Entscheidung, an die Öffentlichkeit zu gehen, sei ein „Akt außerordentlichen Mutes“, sagte Israels Präsident Isaac Herzog dem Bericht zufolge. Ihre Schilderungen würden „die Grausamkeit und moralische Verkommenheit der Hamas“ sichtbar machen. „Vergewaltigung ist Teil des Dschihad-Terrorismus der Hamas. Die Hamas muss verschwinden“, reagierte das israelische Außenministerium bei X auf den Bericht.
Menschenrechts- und Frauenorganisationen sagen, Gonens Aussage bestärke die Forderungen nach internationalen Untersuchungen der Kriegsverbrechen, die von der Hamas während der Massaker vom 7. Oktober 2023 und in deren Folge begangen wurden, berichtet die „Jüdische Allgemeine“. Doch Ministerpräsident Benjamin Netanjahu verweigert weiterhin eine unabhängige Untersuchung der Vorfälle. Experten, Opposition und Angehörige ehemaliger Geiseln und Todesopfer des 7. Oktober kritisierten dies scharf. Sie werfen Netanjahu und seiner Koalition vor, ihren Teil der Verantwortung nicht übernehmen zu wollen, der zum politischen und militärischen Versagen an jenem Tag beitrug. (Tsp/dpa)
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