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Oktober 1944: Nach der Niederschlagung des Warschauer Aufstands werden Einwohner der polnischen Hauptstadt zu einem Sammelplatz gebracht.

© Museum des Warschauer Aufstands/dpa

Update

80. Jahrestag des Warschauer Aufstands : „Ein gemeinsames Datum des Widerstands gegen Hitler“

Deutsche wissen wenig über Polens Geschichte, beklagt der Breslauer Historiker Ruchniewicz. Aber das lässt sich ändern: durch den Einsatz des deutsch-polnischen Geschichtsbuchs in Schulen.

Stand:

Deutschland hat gerade den 80. Jahrestag des Anschlags von Wehrmachtsoffizieren auf Hitler am 20. Juli 1944 begangen. Wenige Tage später gab Polens Heimatarmee in Absprache mit der Exilregierung in London den Befehl zum bewaffneten Widerstand gegen die Nazi-Besatzer.

Am 1. August vor 80 Jahren brach der Warschauer Aufstand los. Die Aufständischen hielten sich trotz schlechter Bewaffnung und ausbleibender Unterstützung durch die Alliierten 63 Tage.

Für Polen gehört der Aufstand zu den zentralen Bezugspunkten der Erinnerung. In Deutschland ist das herausragende Ereignis wenig bekannt.

Krzysztof Ruchniewicz, Breslauer Historiker und Polens Beauftragter für die polnisch.-deutschen Beziehungen.

Dieser Widerstandsgeist „gehört in Polen zu den zentralen Bezugspunkten der Erinnerung“, sagt der Breslauer Historiker Krzysztof Ruchniewicz. „In Deutschland ist dieses herausragende historische Ereignis offenbar wenig bekannt.“

Ruchniewicz ist seit kurzem Beauftragter der Regierung Donald Tusk für die polnisch-deutschen Beziehungen und möchte das gemeinsame Erinnern für die Zukunft nutzen. Er freut sich, dass Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zu den Gedenkfeiern nach Warschau kommt und am 31. Juli am Denkmal auf dem Krasinski-Platz sprechen wird. 30 Jahre sind vergangen, seit zuletzt ein deutsches Staatsoberhaupt teilnahm: Roman Herzog 1994.

Freiheitskämpfe gegen die Nazis quer durch Europa

„Ich würde mir wünschen, dieser Jahrestag würde auch in Deutschland begangen“, sagt Ruchniewicz. „Mit Reden im Bundestag oder einer öffentlichkeitswirksamen Veranstaltung. Es handelt sich um eines der tragischsten Ereignisse in der jüngeren Geschichte Polens.“ Aber auch um ein Stück der Geschichte der Freiheitskämpfe quer durch Europa.

„Nach der Niederschlagung des Aufstandes wurde Warschau dem Erdboden gleichgemacht; neben den Aufständischen starben bei den Kämpfen etwa 180.000 Zivilisten“, erinnert der Historiker. „Über 500.000 Menschen wurden von den Deutschen aus der Stadt vertrieben. Es ist wichtig, daran zu erinnern, dass ihre Tragödie nicht zu Ende war, sondern weiterging.“

Geschichte muss erzählt werden, um für das aktuelle politische Bewusstsein wirksam zu werden. In der Vergangenheit, sagt Ruchniewicz, waren oft Vertriebene die ersten Vermittler für deutsch-polnische Kontakte, weil sie ihr Wissen über Polen weitergegeben haben.

Für die Zukunft setzt Ruchniewicz auf eine breitere Nutzung des deutsch-polnischen Schulbuchs im Geschichtsunterricht. Schülern in Deutschland bietet das Kapitel über den Zweiten Weltkrieg „die umfassendste Darstellung des Schicksals Mittel- und Osteuropas in der deutschen Schulpraxis“.

„Die Informationen über den Warschauer Aufstand sind Teil eines großen Kapitels über den Widerstand und die Opposition gegen Nazideutschland.“ Junge Polen erfahren umgekehrt, dass es auch anderswo und selbst in Deutschland Widerstand gegen Hitler gab.

Stalin verweigerte Hilfe für den Aufstand der Polen

Der Warschauer Aufstand war ein Fanal des Freiheitswillens. Das Ziel der Aufständischen war es, die polnische Hauptstadt aus eigener Kraft von den Nazi-Besatzern zu befreien – auch um Stalins Pläne zu durchkreuzen, der als Befreier Polens auftreten und das Land zu einem sozialistischen Satelliten machen wollte.

Sowjetische Truppen standen damals bereits an Brückenköpfen über die Weichsel. Am Atlantik waren die Alliierten in der Normandie gelandet und rückten von Westen gegen Nazideutschland vor. Doch die erhoffte Hilfe für den Warschauer Aufstand blieb aus. Die Rote Armee griff nicht unterstützend ein. Mehrfach verweigerte sie US-Flugzeugen mit Hilfsgütern die Landegenehmigung.

Auch die Bilder des andauernden Krieges in der Ukraine können dazu beitragen, Deutsche für das Schicksal der Polen zu sensibilisieren, meint Ruchniewicz. Die Zerstörung von Städten und Dörfern heute und die Tragödie der Zivilbevölkerung rufen die Erinnerungen an die Vergangenheit wach.

Zu den Leuchtturmprojekten, die ein breiteres Verständnis für Polen und seine Geschichte wecken sollen, gehört für Ruchniewicz das beschlossene Denkmal für die Opfer der deutschen Besatzungsherrschaft in Polen. „Einige Betroffene leben noch. Es wäre schön, wenn sie die Einweihung erleben dürfen.“ Als Standort ist die unbebaute Fläche gegenüber dem Reichstag im Gespräch, auf der einst die Krolloper stand.

Die Dachorganisation für dieses Projekt, das Deutsch-polnische Haus, und das Deutsche Polen-Institut (dpi) begleiten die 63 Tage des Warschauer Aufstands in einem breitgefächerten Programm: mit Ausstellungen, Lesungen, Diskussionen, Filmen, einer Bildungsreise und künstlerischen Projekten zu den dramatischen Ereignissen von 1944.

Gemeinsam mit Dietmar Nietan, dem Beauftragten der Bundesregierung für die deutsch-polnischen Beziehungen, möchte Ruchniewicz das Erlernen von Polnisch in Deutschland und Deutsch in Polen populärer machen. Dabei hilft die Stiftung „Kokopol“. Die Abkürzung steht für Kompetenz- und Koordinationszentrum Polnisch.

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