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„Absichtliches Verhungernlassen“: Ex-Geisel fürchtet um das Leben von Evyatar David
505 Tage war Tal Shoham in der Gewalt der Hamas. Nach der Veröffentlichung der Geisel-Videos beklagt er den „sehr schlechten Gesundheitszustand“ seines ehemaligen Mitgefangenen.
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Die Bilder der bis auf die Knochen abgemagerten Hamas-Geisel Evyatar David schockieren weltweit. Tal Shoham war gemeinsam mit David 505 Tage lang in der Gewalt der Terroristen. Im ARD-Interview schildert der freigelassene Israeli die grausamen Bedingungen in den Tunneln – und fürchtet um das Leben seines Leidensgenossen.
„Er ist in einem sehr schlechten Gesundheitszustand“, sagt Shoham über das am Samstag von der Hamas veröffentlichte Propagandavideo. „Er sieht völlig abgemagert aus. Das ist absichtliches Verhungernlassen.“ Der 24-jährige David ist in einem der drei Videos zu sehen, die die radikalislamische Palästinenserorganisation Hamas und die mit ihr verbündete Gruppe Islamischer Dschihad verbreitet hatten. Eines zeigt den ausgemergelten David, wie er sich in einem engen Tunnel sein eigenes Grab zu schaufeln scheint.
Kurz bevor ich freigelassen wurde, haben sie zugegeben, dass sie uns absichtlich so wenig zu essen gegeben haben.
Tal Shoham, ehemalige Geisel der Hamas
Shoham erkennt den Tunnel wieder: „Das ist der Tunnel, in dem wir gemeinsam gefangen gehalten wurden – über acht Monate lang.“ Nur wenige Meter entfernt hätten Hamas-Terroristen gesessen, die „jede Menge isst: Fleisch, Fisch – sie haben genug von allem“. Die Geiseln bekamen davon nichts ab. „In der Zeit, als ich im Tunnel war, haben die nicht einmal ein Kilo von ihrem Essen rübergereicht.“
Nur ein Stück Brot für 24 Stunden
Die Bedingungen seien katastrophal gewesen: „Manchmal nur ein kleines Stück Pitabrot für die nächsten 24 Stunden“, berichtet Shoham den ARD-Tagesthemen. Er selbst habe 30 Kilogramm verloren. Seine Mitgefangenen Evyatar David und Guy Giviadatal hätten mindestens 25 Kilo abgenommen. „Kurz bevor ich freigelassen wurde, haben sie zugegeben, dass sie uns absichtlich so wenig zu essen gegeben haben. Sie wollten, dass wir schlecht aussehen und leiden.“

© AFP/EMMANUEL CROSET
David hätte während der Haft Skorbut entwickelt, eine schwere Mangelkrankheit durch Vitamin-C-Defizit. Shoham fürchtet das Schlimmste: „Wenn ich ihn jetzt sehe, dann glaube ich, dass er unter diesen Bedingungen nicht mehr als nur noch ein paar Tage zu leben hat.“
Die Videos sorgten international für entsetzte Reaktionen. „Die Grausamkeit der Hamas kennt keine Grenzen“, erklärte Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und sprach von einem „zynischen und abscheulichen“ Vorgehen. EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas nannte die Aufnahmen „erschreckend“ und forderte die unverzügliche Freilassung aller Geiseln.
Hamas klaut Hilfsgüter für eigene Zwecke
Shoham sieht in den Videos reine Propaganda. Die Hamas versuche, die Geiseln mit hungernden Kindern in Gaza zu vergleichen. „Ich habe 505 Tage in der Gefangenschaft der Hamas-Terroristen verbracht. Ich habe in dieser Zeit viele Kisten mit humanitären Hilfsgütern gesehen, die die Hamas den Bewohnern von Gaza gestohlen hat“, berichtet er. Die Terroristen hätten sich damit gebrüstet, „Vorräte für Monate gestohlen“ zu haben.
Neben David ist auch der Deutsch-Israeli Rom Braslavski in den Videos zu sehen. Der 21-Jährige wird gezwungen, sich Nachrichtenvideos über die Hungersnot im Gazastreifen anzuschauen und bittet um seine Freilassung.
Hoffnung auf Verhandlungslösung schwindet
Noch immer sollen 49 israelische Geiseln von den Islamisten festgehalten werden, mindestens 27 sind nach israelischen Armeeangaben bereits tot. Shoham sieht die Chancen auf eine baldige Lösung pessimistisch: „Es scheint jetzt so, als ob die Hamas obenauf ist, da die europäischen Regierungen darauf drängen, einen palästinensischen Staat anzuerkennen.“ Die Hamas müsse „überhaupt nichts tun und nur warten“.
Seine eigene Familie – Frau und zwei Kinder – wurde ebenfalls entführt, aber früher freigelassen. „Das war das Schwerste, was ich in meinem Leben durchgemacht habe“, sagt Shoham über die Ungewissheit um ihre Sicherheit. Erst als er erfuhr, dass sie freikommen sollten, konnte er „meinen eigenen Kampf ums Überleben führen“.
Die Hamas und verbündete Gruppen hatten bei ihrem Angriff am 7. Oktober 2023 mehr als 1200 Menschen getötet und 251 in den Gazastreifen verschleppt. Das massive militärische Vorgehen Israels führte zu einer katastrophalen humanitären Lage in Gaza. Nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums wurden mehr als 60.400 Menschen getötet. (Tsp/AFP)
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