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Antrag der Türkei: Kommt der Norm-Döner der EU?
Ein türkischer Erzeugerverband hat bei der EU den Antrag gestellt, dass im Döner künftig nur noch bestimmte Zutaten enthalten sein dürfen. Experten ordnen die Erfolgsaussichten des Antrags ein.
Stand:
Ein türkischer Erzeugerverband namens „International Doner Federation“ (Udofed) mit Sitz in Istanbul hat bei der EU-Kommission beantragt, dass künftig nur noch bestimmte Fleischsorten und Rezepte in einem echten Döner verwendet werden dürfen. Laut dem Antrag soll bei der Zubereitung unter anderem künftig das in Deutschland üblicherweise verwendete Fleisch von Jungrindern weggelassen werden.
Die Bundesregierung hat Einspruch gegen die türkische Initiative eingelegt. Ernährungsminister Cem Özdemir (Grüne) erklärte, dass es „keine Vorgaben aus Ankara“ brauche, wie der Döner hierzulande zubereitet werden soll. Falls der Antrag aus Istanbul Erfolg hätte, müsste der Döner in der EU künftig nach einheitlichen Regeln hergestellt werden. Die EU-Kommission muss nun über den Einspruch aus Deutschland entscheiden.
Wir haben drei Experten dazu befragt, ob es in der EU bald einen Norm-Döner geben wir? Alle anderen Teile der Serie „3 auf 1“ finden Sie hier.
Beim Döner ist es wie mit der Bratwurst
Es ist völlig unklar, wo der Ursprung der Herstellung des Döners in einer ganz bestimmten Weise liegt und wer überhaupt die Rechte auf ein bestimmtes Herstellungsverfahren hat und einfordern kann. Die Dönerherstellung hat sich in unterschiedlichster Art in unterschiedlichen Ländern entwickelt und fest etabliert, genauso wie die Bratwurst.
Für mich gibt es hier überhaupt keine Perspektive, einen Schutzstatus erzielen zu können. Auch scheint es keine großen wirtschaftlichen Verwerfungen zurzeit zu geben. Selbst bei einem Schutzstatus würde ja nicht nun der Döner aus der Türkei importiert werden. Einzig würde es eine Einengung der Herstellung auf eine bestimmte Art und Weise geben, und das weitere Anbieten als Döner würde natürlich die Preise noch weiter nach oben treiben. Auch das muss vermieden werden.
Neben den Interessen einiger Anbieter von Döner wie der „International Doner Federation“ mögen bei der Antragstellung aus der Türkei auch nationalistische politische Motive eine Rolle gespielt haben. Das kann aber nicht leitend sein, um unser System des Schutzes landwirtschaftlicher Produkte und Produktionsweisen zu nutzen. Der Döner gehört genauso zu Niedersachsen oder Berlin und muss frei bleiben.
Der Döner hat eine eigene Tradition in Deutschland
Die EU will traditionelle Zubereitungsarten, kulturelle Vielfalt und hohe Verbraucherstandards schützen, und das ist richtig so. Dennoch gehe ich davon aus, dass in diesem Fall der Antrag der „International Doner Federation“ geringe Chancen hat.
Der Döner hat bereits eine eigene Tradition in Deutschland. In den letzten Jahren hat er sich durch kreative Weiterentwicklungen stetig verändert – da passt ein Copyright einfach nicht.
Deutschland und die Türkei haben aktuell einige Monate Zeit, um einen Kompromiss zu finden. Sollten die bilateralen Gespräche scheitern, muss die EU-Kommission eine Entscheidung treffen.
Wenn der Antrag aus Istanbul anders als erwartet durchkommt, könnte das zu steigenden Dönerpreisen führen, da nur bestimmtes Fleisch erlaubt wäre. Oder aber es würde die Umbenennung von hunderttausenden Speisekarten drohen, denn der Döner dürfte nicht mehr so genannt werden, wenn er nicht der exakten Rezeptur entspricht. Das wären keine guten Aussichten - weder für die Verbraucher noch für die vielen kleinen Familienbetriebe im Land.
Der Antrag ist zu kurz gedacht
Grundsätzlich finde ich es begrüßenswert, wenn die Verbraucher wissen, was sie kaufen – je mehr Transparenz, desto besser. Bei einer kompletten Mahlzeit sieht die Sachlage aber komplizierter aus. Der Döner besteht aus vielen Einzelkomponenten, die erst als „kulinarisches Gesamtwerk“ geschmack- und gesundheitlich überzeugen – oder eben nicht. Ein Döner ist nicht nur bestimmtes Fleisch – und wie man es mariniert, aufspießt, schneidet und gart.
Diese „Handmahlzeit“ enthält ein wahres knackfrisches Kauffeuerwerk der vielfältigen Salatmelange aus Rotkraut, Weißkraut, roten Zwiebeln, Eisbergsalat, Tomate und Gurke mit frischer Joghurt-Knoblauchsoße, „boostered by“ scharfem Chilipulver. Sechs Mal Gemüse, potente sekundäre Pflanzenstoffe, abwechslungsreich, vielfältig, frisch zubereitet mit natürlichen, unverarbeiteten Zutaten und nicht hochkalorisch.
Und das alles in einem (idealerweise) selbst gebackenen, krossen Brötchen oder knusprigen Fladenbrot kredenzt. Das verbinden die Menschen mit Döner. Daher ist der aktuelle Antrag zwar grundsätzlich gut gemeint, aber viel zu kurz gedacht.
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