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Arbeiter wählen rechts: Wo Le Pen und Macron ihre Stimmen bekommen haben
Wie erwartet gewinnt das Rassemblement National die erste Wahlrunde mit 33 Prozent. Macrons Lager schneidet schwach ab und landet auf Platz drei. Wer hat wen gewählt?
Stand:
Die französischen Rechtsnationalen stehen in der ersten Runde der vorgezogenen Parlamentswahlen nach Veröffentlichung des vorläufigen Endergebnisses an der Spitze. Marine Le Pens Partei Rassemblement National (RN) und ihre Verbündeten erzielten 33,15 Prozent der Stimmen, wie das Innenministerium am Montag mitteilte.
Das Linksbündnis liegt demnach bei 27,99 Prozent, während das Lager von Präsident Emmanuel Macron auf 20,04 Prozent kommt. Die bürgerliche Rechte landet bei 10,23 Prozent.
Wie viele Sitze die Blöcke in der Nationalversammlung bekommen, wird erst in Stichwahlen am kommenden Sonntag entschieden. Vor der zweiten Wahlrunde können die Parteien noch lokale Bündnisse schmieden, die den Wahlausgang beeinflussen.
Prognosen vom ersten Wahlabend zufolge dürfte das Rassemblement National am kommenden Sonntag klar stärkste Kraft werden. An der absoluten Mehrheit könnte es aber knapp vorbeischrammen.
Frankreichs Präsident Präsident Emmanuel Macron rief angesichts des Wahlsiegs der Rechtspopulisten zu einem breiten Bündnis auf. „Angesichts des Rassemblement National ist es nötig, ein breites, demokratisches und republikanisches Bündnis für die zweite Wahlrunde zu bilden“, erklärte Macron nach Angaben des Elysées am Sonntag.
Die hohe Wahlbeteiligung in der ersten Runde zeuge von der „Bedeutung dieser Wahl für alle unsere Landsleute und von dem Willen, die politische Situation zu klären“, betonte der Präsident. „Ihre demokratische Wahl verpflichtet uns“, fügte er hinzu.

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Für Frankreichs Präsident ist das Ergebnis eine herbe Niederlage. Er hatte darauf gesetzt, mit der vorgezogenen Neuwahl die relative Mehrheit seiner Mitte-Kräfte im Unterhaus auszubauen. Das scheint nun äußerst unwahrscheinlich. Sollte Prognosen zufolge keines der Lager eine absolute Mehrheit erlangen, stünde Frankreich vor zähen Verhandlungen um eine Koalition.
Erste Prognosen gehen davon aus, dass Marine Le Pens Rechtspopulisten und ihre Verbündeten im Unterhaus mit 230 bis 280 Sitzen stärkste Kraft werden könnten. An der absoluten Mehrheit mit 289 Sitzen könnten sie aber vorbeischrammen.
Auch die Linken könnten zulegen und auf 125 bis 200 Sitze kommen. Macrons Liberalen droht, auf nur noch 60 bis 100 Sitze abzusacken. Genaue Aussagen zur Sitzverteilung sind bisher aber schwierig. Vor der zweiten Wahlrunde können die Parteien noch lokale Bündnisse schmieden, die den Wahlausgang beeinflussen.
Außenministerin Annalena Baerbock hat sich besorgt über das starke Abschneiden der Rechtsnationalen geäußert. „Es kann niemanden kaltlassen, wenn (...) bei unserem engsten Partner und besten Freund eine Partei weit vorne liegt, die in Europa das Problem und nicht die Lösung sieht“, sagte sie am Rande einer Veranstaltung.
Wer für Le Pen und Macron gestimmt hat
Die Rechtsnationalen um Marine Le Pen haben in Frankreich besonders viele Stimmen unter Arbeitern und Menschen ohne höheren Bildungsabschluss bekommen.
Das Institut Ipsos schrieb nach der ersten Runde der Parlamentswahl, das Rassemblement National habe bei seiner traditionellen Wählerschaft gepunktet, sein Stimmenlager aber insgesamt ausgebaut und auch von Frauen und Menschen unter 35 deutlich mehr Zuspruch erhalten.
Das Mitte-Lager von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron erhielt erneut vor allem Stimmen von Seniorinnen und Senioren sowie finanziell Bessergestellten. Macrons Kräfte kamen mit 20,04 Prozent der Stimmen nur auf Platz drei. Ipsos zufolge verloren sie in der gesamten Wählerschaft an Stimmen und nicht nur bei bestimmten Gruppen.
Das neue Linksbündnis Nouveau Front Populaire, das mit 27,99 Prozent auf Platz zwei landete, wurde Ipsos zufolge vor allem von Jüngeren, Menschen in größeren Städten und Menschen mit höheren Bildungsabschlüssen gewählt.
Frankreichs Premierminister Gabriel Attal hat nach dem Wahlerfolg der Rechtspopulisten den Rückzug von etwa 60 Kandidaten des Regierungslagers in der zweiten Runde angekündigt. Dies solle den Sieg rechtspopulistischer Kandidaten verhindern, sagte er am Sonntagabend in Paris. „Keine Stimme darf an den Rassemblement National gehen“, betonte er.
Le Pen will „absolute Mehrheit“
Die Ex-Parteichefin des RN, Marine Le Pen, rief ihre Anhänger dazu auf, ihrer Partei in der nächsten Runde eine „absolute Mehrheit“ zu verschaffen. Macrons Lager sei „praktisch ausgelöscht“, erklärte Le Pen, die in ihrem Wahlkreis im Norden bereits im ersten Wahlgang gewählt wurde.

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Parteichef Jordan Bardella sieht sich bereits als künftiger „Premierminister aller Franzose“, falls seine Partei die absolute Mehrheit bekommen sollte. Er werde „verfassungstreu, aber unnachgiebig“ sein, kündigte er an. Die zweite Runde werde „eine der wichtigsten Wahlrunden in der Geschichte“ der 1958 gegründeten Fünften Republik sein, sagte der 28-Jährige.
Der umstrittene Vorsitzende von Frankreichs konservativer Partei Les Républicains, Éric Ciotti, hat alle Konservativen aufgerufen, sich seinem viel kritisierten Schulterschluss mit dem Rassemblement National (RN) von Marine Le Pen anzuschließen. „Heute Abend ist der Sieg in Sicht“, sagte Ciotti nach dem starken Abschneiden des RN und der Républicains-Kandidaten, die sich mit Ciotti für eine Unterstützung des RN entschieden hatten.
Unabgestimmt mit seiner Partei hatte Ciotti eine Kooperation mit Bardella und dem RN vereinbart, woraufhin führende Kräfte der Partei mehrere Anläufe starteten, um ihn aus der Partei zu werfen. Ein Gericht stoppte diesen Vorstoß zunächst.
Die Mehrheit der Kandidaten der Républicains trat bei der Parlamentswahl unabhängig von den Rechtsnationalen an und erhielt nach Hochrechnungen zwischen 9,5 und 10 Prozent der Stimmen. Das extrem rechte Lager um Ciotti erzielte nach Hochrechnungen rund vier Prozent der Stimmen.
Mehr als 150 Kandidaten ziehen sich zurück
Um die Wahl rechtspopulistischer Kandidaten in ihrem Wahlkreis zu verhindern, haben sich in Frankreich bereits mehr als 150 Kandidaten zu einem taktischen Rückzug entschlossen. Zu ihnen zählen mehrheitlich Kandidaten des links-grünen Wahlbündnisses Neue Volksfront, aber auch Kandidaten des Regierungslagers, wie eine vorläufige Zählung der Nachrichtenagentur AFP am Dienstag ergab.
Die Kandidaten haben bis Dienstagabend Zeit, um ihre Teilnahme an der entscheidenden Runde am kommenden Sonntag zu erklären. Auch drei Regierungsmitglieder haben bereits ihren Rückzug angekündigt, unter ihnen die Übersee-Ministerin Marie Guévenoux sowie zwei Staatssekretärinnen.
Die linkspopulistische Partei La France Insoumise (LFI) hatte zuvor angekündigt, ihre Kandidaten in der zweiten Runde am 7. Juli in bestimmten Wahlkreisen zurückzuziehen. In Wahlkreisen, in denen LFI auf dem dritten Platz gelandet sei und der Rassemblement National (RN) auf dem ersten, würden sich die LFI-Kandidaten zurückziehen, sagte LFI-Chef Jean-Luc Mélenchon am Sonntagabend.
„Wir werden dem RN nirgendwo einen Sieg ermöglichen“, betonte Mélenchon. „Unsere Wahlempfehlung ist einfach, direkt und klar: Keine Stimme, kein Sitz mehr für den RN“, sagte er weiter. Mélenchon bezeichnete die Wahl als „schwere und unbestreitbare Niederlage“ für Präsident Emmanuel Macron.
Ein Zusammenkommen der grundverschiedenen politischen Akteure für ein Regierungsbündnis nach der Wahl ist derzeit nicht absehbar. Ohne klare Mehrheit in der Nationalversammlung würde Frankreich Stillstand drohen. Da die Nationalversammlung die Regierung stürzen kann, braucht diese für ihre Arbeit eine Mehrheit in der Parlamentskammer.
Frankreich-Expertin Brantner hält junge Wähler für entscheidend
Beim zweiten Durchgang der Parlamentswahl in Frankreich könnten der Grünen-Politikerin und Frankreich-Expertin Franziska Brantner zufolge junge Menschen den Ausschlag geben. Viele seien enttäuscht von Präsident Emmanuel Macron, sagte die Bundestagsabgeordnete, die auch stellvertretendes Mitglied der deutsch-französischen Parlamentarischen Versammlung ist, am Montag im Deutschlandfunk.
Es komme nun darauf an, ob junge Menschen, die im ersten Durchgang am Sonntag für das Linksbündnis gestimmt hätten, dennoch bereit seien, einen Kandidaten von Macron zu unterstützen. „Ob hier die Mobilisierung klappt, das ist, glaube ich, eines der großen Themen für den nächsten Sonntag.“
Eine Herausforderung für das Mitte-Links-Lager sei, dass es keine Galionsfigur habe, sagte Brantner weiter. „Die Parteien haben es in der Kürze der Zeit geschafft, ein Bündnis zu schließen, aber nicht eine Person und ein gemeinsames Projekt identifizieren können. Das geht auch in so einer Zeit kaum.“ (dpa, AFP)
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