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Die Debatte um den australischen Nationalfeiertag verhärtet sich.

© Afp/David Gray

„Dieses Land ist auf Rassismus und Völkermord aufgebaut“: Wie der Nationalfeiertag Australien spaltet

Am 26. Januar wird in Australien die erste Ankunft der Briten gefeiert, für die meisten Ureinwohner ist es jedoch der „Tag der Invasion“. Das Datum entzweit die Nation immer mehr.

Am „Australia Day“ feiern die Australier all das, auf das sie in ihrem Land stolz sind: Die so typische „Mateship“, die Kameradschaft, und Fairness. Viele gehen an den Strand, besuchen Hafenparaden, Feuerwerke oder grillen mit der Familie und Freunden. Der Feiertag könnte eine rundum positive Angelegenheit sein – wäre da nicht das Datum, auf das er fällt.

Denn der 26. Januar markiert auch den Tag vor 235 Jahren, an dem die „Erste Flotte“, die britische Sträflinge nach Australien brachte, in der Sydney Cove landete, und Kapitän Arthur Phillip den britischen Union Jack hisste.

Vor allem die indigene Bevölkerung sieht dieses Datum sehr kritisch. In ihren Augen steht es für die Invasion der Briten in ihrem Land und damit auch für den Beginn von Tod, Rassismus und Zerstörung. Die Debatte um den Feiertag wird in Australien seit Jahren geführt, doch in diesem Jahr zeigen nun deutlich mehr Firmen und Institutionen ihre Solidarität mit den sogenannten „First Nations“ – also den Menschen, die den Kontinent als erstes bevölkerten.

Flexible Feiertagslösungen

Die University of Wollongong, eine Hochschule etwa eineinhalb Autostunden südlich von Sydney gelegen, gibt ihrem Personal beispielsweise die Möglichkeit, am 26. Januar zu arbeiten, anstatt den Tag als Feiertag zu nehmen.

„Für unsere First-Nations-Kollegen ist es kein Tag zum Feiern“, sagte die Vizekanzlerin der Universität, Patricia Davidson, in der australischen Ausgabe des „Guardian“. Arbeitnehmer, die sich dafür entscheiden zu arbeiten, können stattdessen am 27. oder 30. Januar Urlaub nehmen.

Auch einige große Unternehmen haben ähnliche Richtlinien eingeführt: Das Telekommunikationsunternehmen Telstra und das Öl- und Gasunternehmen Woodside erlauben es ihren Mitarbeitern, entweder an dem gesetzlichen Feiertag freizumachen oder den Urlaub an einem anderen Tag ihrer Wahl zu nehmen. Die Consulting-Firmen Deloitte, KPMG und Ernst & Young haben vergleichbare Regelungen ebenso wie der Bergbaugigant BHP, der Superfonds Australian Ethical oder der australische Fernsehsender Channel 10.

Wer feiert an diesem 26. Januar Invasion, Mord und Diebstahl?

Lidia Thorpe, indigene Senatorin auf Twitter

Davidson vermutet, dass auch noch andere Universitäten ihrem Modell folgen werden, um damit der indigenen Bevölkerung – den Aboriginal People wie auch den Inselbewohnern der Torres Strait-Inseln – mehr Anerkennung und Unterstützung zu zeigen.

Emotionale Twitter-Debatten

Wie auch in den Vorjahren wird die Debatte um den Nationalfeiertag auch auf Twitter emotional geführt. Lidia Thorpe, eine indigene Senatorin der Grünen Partei, schrieb auf dem Kurznachrichtendienst: „Wer feiert an diesem 26. Januar Invasion, Mord und Diebstahl?“

Die Kommentare auf ihre zugespitzte Frage zeigten die Unterschiedlichkeit der Haltungen auf, die eine Entscheidung über das Datum des Nationalfeiertages schwierig machen. So argumentierte ein Internetnutzer mit der „langen Tradition“, mit einer „Stärkung des Identitätsgefühls“ und „dem Stolz auf die Nation“.

Dieses ‚Land‘ ist auf Rassismus und Völkermord aufgebaut.

Ein Twitter-User kommentiert den Tweet von Senatorin Thorpe.

Er fürchtete, dass eine Änderung des Datums zu noch „größerer Spaltung und kulturellen Spannungen“ führen würde. „Indem der Australia Day am selben Tag gefeiert wird, können alle Australier zusammenkommen, um die Geschichte und den Stolz der Nation zu feiern, unabhängig von ihrem kulturellen oder ethnischen Hintergrund“, schrieb der Kommentator.

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Ein anderer verwies dagegen auf die negativen Ereignisse, die mit dem Datum in Verbindung stehen: „Dieses ‚Land‘ ist auf Rassismus und Völkermord aufgebaut – das sind die Werte und Symbole des 26. Januar.“

Zahlreiche, vor allem indigene Menschen, nutzen den Tag für Demonstrationen, einige Gemeinden verschoben die Feierlichkeiten, die den Tag begleiten, sogar schon auf ein anderes Datum, um die Kontroverse zu vermeiden.

Regierungs-Fokus auf der „indigenen Stimme“

Die australische Regierung hat bisher allerdings wenig Ambitionen gezeigt, den Feiertag zu verlegen. Ihr Engagement konzentriert sich derzeit vollkommen auf die Einführung einer sogenannten „indigenen Stimme“ im Parlament. Damit sollen die Ureinwohner mehr Mitspracherecht bei Themen erhalten, die sie betreffen. Derzeit ist ein Volksentscheid über das neue Gremium in Vorbereitung.

Noch ist dafür allerdings kein Termin anberaumt. Doch ähnlich wie der Australia Day offenbart auch die „indigene Stimme“ die tiefe Spaltung, die nach wie vor im Land herrscht, wenn es um die Belange der Indigenen geht. So ist in den vergangenen Wochen eine heftige Debatte im Land entbrannt.

Dabei wollte die Regierung es als einen positiven Fortschritt für die Ureinwohner etablieren. Auch die „Uluru-Erklärung aus dem Herzen“ – eine Erklärung der Aborigines aus dem Jahr 2017, in der eine stärkere Repräsentation indigener Australier in der Verfassung gefordert wurde – hatte auf dieses Mitspracherecht im Parlament gepocht.

Grundsätzlich sind die Ureinwohner im Land nach wie vor bei vielen Themen benachteiligt. Der aktuelle „Closing the Gap“-Bericht, der die Fortschritte der Ureinwohner im Land analysiert, zeigte erneut auf, dass Indigene bei etlichen Themen hinter dem Rest Australiens zurückliegen: Nach wie vor sind im Verhältnis mehr indigene Kinder in Fremdbetreuung und auch die hohe Selbstmord- und Haftrate in der indigenen Bevölkerung gibt Anlass zur Sorge.

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