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Bei Besuch in Kiew: US-Heeresminister warnte Ukraine und Europa vor wachsendem Raketenarsenal Russlands
Die USA drücken bei den Friedensverhandlungen aufs Tempo. An vorderster Front macht US-Heeresminister Driscoll Druck auf die Ukraine. Er warnt auch Europa vor russischen Raketen.
Stand:
Bis vor wenigen Wochen war Daniel Driscoll einer breiten Öffentlichkeit weitgehend unbekannt. Das hat sich geändert, seitdem der 39-jährige US-Heeresminister quasi zu Trumps Ukraine-Friedensunterhändler aufgestiegen ist.
Driscoll, ein Freund von US-Vize JD Vance, vertritt die USA bei Geheimgesprächen in Abu Dhabi oder trifft sich mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj.
Driscolls Mission: Den Krieg zwischen Russland und der Ukraine möglichst rasch zu beenden. Grundlage dafür ist ein inzwischen modifizierter 19-Punkte-US-Plan, der der Ukraine harte Zugeständnisse abringen würde.
Um ein rasches Einlenken sowohl der Ukraine als auch der westlichen Staaten zu einem Friedensplan zu erreichen, der weitreichende territoriale Zugeständnisse der Ukraine vorsieht, tourt der US-Heeresminister mit düsteren Kriegsprognosen durch die Welt.
Erst vor wenigen Tagen soll Driscoll eine ukrainische Delegation mit einer Reihe von schlechten Prognosen und Schreckensbotschaften zum Kriegsverlauf konfrontiert haben. Daraufhin soll ein ukrainischer Gesprächsteilnehmer einer ukrainischen Nachrichtenagentur zufolge festgestellt haben, dass die USA „glauben, dass wir die Region Donezk in zwölf Monaten eh verlieren werden“.
Driscolls unmissverständliche Botschaft an die Ukraine: Besser jetzt einen Frieden aushandeln, der auch schmerzhafte Kompromisse beinhaltet – als weiterhin kämpfen und später in einer auswegloseren Position dazustehen.
Driscoll verweist auf Gefahr durch russisches Waffenarsenal
Driscoll ist von der US-Regierung offenbar auch damit beauftragt, auch die westlichen Staaten dazu zu bewegen, dem US-Ansinnen für einen raschen Frieden – quasi koste es, was es wolle – zuzustimmen.
Im Gespräch mit westlichen Diplomaten am vergangenen Freitag soll Driscoll vor allem auf die rasch steigende Produktion russischer Drohnen und Raketen aufmerksam gemacht haben, schreibt die „New York Times“ (NYT) mit Verweis auf Angaben von Gesprächsteilnehmern.

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Driscolls Kernaussage auch da: Eine rasche Einigung mit Moskau zur Beendigung des Krieges sei notwendig, da die wachsende Bedrohung Russlands durch das erweiterte Raketenarsenal nicht nur der Ukraine einen vernichtenden Schlag versetzen könne, sondern Russland auch in die Lage versetze, seine Raketen und Drohnen auf andere europäische Staaten abzufeuern.
Driscolls Warnungen haben ihre Wirkung offenbar nicht verfehlt. Laut der NYT, die nach dem Gespräch mit westlichen Diplomaten gesprochen hat, sollen die Schreckensszenarien möglicher künftiger Raketenangriffe Russlands verfangen haben. Die Empfindungen unter den namentlich nicht genannten Diplomaten laut NYT: Die Situation ist alarmierend.
Ukrainische Abwehrkräfte offenbar unzureichend
Tatsächlich hat Russland seine Raketenproduktion massiv hochgefahren und die Fluggeräte auch technisch verbessert. Bereits vor wenigen Wochen berichtete die „Financial Times“ (FT) mit Verweis auf ihr vorliegenden Analysen, dass Russland nicht nur die Produktion von Marschflugkörpern und ballistischen Raketen nach oben geschraubt hat, sondern die ballistischen Raketen auch verbessert habe.
Demnach soll die ukrainische Luftabwehr im August 2025 noch 37 Prozent der ballistischen Raketen aus Russland abgeschossen haben, im September aber nur noch sieben Prozent. Russland sei es gelungen, wichtige Infrastruktur und Militäranlagen zu zerstören, attestierte ein ukrainischer Beamter gegenüber der FT und sprach von einem „Gamechanger für Russland“.

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Die NYT liefert zudem Zahlen zum wachsenden russischen Raketenarsenal. Bis Juni 2025 soll Russsland nach Angaben des ukrainischen Geheimdienstes seine Industriekapazitäten auf etwa 2900 Marschflugkörper und ballistische Raketen pro Jahr ausgeweitet haben – darunter befinden sich Iskander-Raketen, Kinzhal-Hyperschallraketen und Kalibr-Marschflugkörper.
Die Ukraine kommt laut Analysen offenbar kaum mehr hinterher, mit ihrer Luftabwehr auf den russischen Beschuss zu reagieren – auch, weil der Bestand an amerikansichen Patriots oder der französisch-italienischen SAMP/T-Raketen zu gering ist und zur Neige gehe.
Fabian Hoffmann, Raketenexperte an der Universität Oslo, zeigt sich der NYT gegenüber besorgt. Der Trend deute darauf hin, dass die Ukraine bald keine Abfangraketen mehr haben werde, um Kiew zu schützen. „Das ist besorgniserregend“, sagt Hoffmann der NYT.
Hoffmann warnt darüber hinaus, dass Russland seine Raketenlagerbestände an Langstreckenwaffen massiv ausweiten könnte. Hoffmanns vielsagende Feststellung: „Wenn Russland aus dem Krieg siegreich hervorgeht, könnte es sich in Zukunft sehr abenteuerlustig zeigen“.
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