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Viel Rauch kommt aus dem RWE-Kohlekraftwerk Neurath in Nordrhein-Westfalen.

© Imago/Panama Pictures/Christoph Hardt

Update

Bericht über geheime Verträge: EU-Kommission soll Aktivisten für Klimaklagen bezahlt haben – Union fordert Aufklärung

In Brüssel soll die Kommission einem Medienbericht zufolge Verbände für Klagen und Kampagnen gegen Unternehmen bezahlt haben. So sollte die Öffentlichkeit von der Klimapolitik überzeugt werden.

Stand:

Die Vergabe von EU-Geldern an Nichtregierungsorganisationen (NGO) wird schon seit längerem hinterfragt. Nun gibt es schwere Vorwürfe gegen die Kommission der Europäischen Union: Sie soll einem Medienbericht zufolge gezielt und vertraglich geregelt Umweltverbände für Kampagnen gegen Unternehmen bezahlt haben, darunter auch deutsche Firmen. Dies berichtet die „Welt am Sonntag“ („WamS“), die nach eigenen Angaben entsprechende geheime Dokumente erstmals vollständig einsehen konnte.

Dem Bericht zufolge stimmten sich Brüsseler Funktionäre und Aktivisten bis ins Detail miteinander ab. Ziel sei es gewesen, die Öffentlichkeit von der Klimapolitik der EU zu überzeugen – im Gegenzug seien Steuergelder in Millionenhöhe geflossen. Einzelne NGOs sollen bis zu 700.000 Euro erhalten haben, so die Zeitung.

Die entsprechenden Geheimverträge stammen dem Bericht zufolge aus dem Jahr 2022. Die EU-Kommission formulierte darin, was sie von den Aktivistinnen und Aktivisten als Gegenleistung für die Fördergelder erwartete. Das waren demnach etwa eine bestimmte Anzahl an Lobby-Briefen, Nachrichten in den Sozialen Medien und Treffen mit Abgeordneten des Europäischen Parlaments.

Als Reaktion darauf meldete sich am Sonnabend Günter Krings, Vize-Vorsitzender der Unionsfraktion für den Bereich Recht, zu Wort. Er sagte dem Tagesspiegel, staatliche Stellen verfügten über etliche verwaltungsrechtliche Kontrollinstrumente, wenn sie der Auffassung seien, dass Umweltvorgaben nicht eingehalten würden. „Sollte die EU-Kommission nun stattdessen NGOs damit beauftragt und dafür bezahlt haben, Kampagnen und Klagen gegen Industriebetriebe oder Bauern zu betreiben, dann überschreitet das eine klare rechtsstaatliche Grenze.“

Krings fordert: „Die Hintergründe müssen jetzt rasch und gründlich aufgeklärt werden. Wenn sich die Vorwürfe erhärten, muss sichergestellt werden, dass sich so etwas nie wiederholen kann.“ Es müsse dann auch Konsequenzen für die zu Grunde liegenden Förderprogramme und die verantwortlichen EU-Beamten geben.

Aufklärung brauche es auch, um festzustellen, ob Beamte direkt gegen die Interessen der EU gehandelt hätten. „Dem Ansehen der Europäischen Union hätten sie jedenfalls schweren Schaden zugefügt.“ 

Gegen Kohlekraft und Freihandel

Wie es in dem Bericht heißt, sollte beispielsweise die Nichtregierungsorganisation ClientEarth deutsche Kohlekraftwerke in Gerichtsprozesse verstricken, um das „finanzielle und rechtliche Risiko“ der Betreiber zu erhöhen. Damit sollte der Ausstieg aus der Kohlekraft vorangetrieben und dafür mit Bürgerbewegungen und Klima-Camps zusammengearbeitet werden. Insgesamt erhielt die Organisation demnach dafür 350.000 Euro. Die Organisation reagierte am Sonnabend auf Anfragen des Tagesspiegels nicht.

Die Abkürzung NGO darf kein Freibrief für eine willkürliche und unkontrollierte Verwendung von Steuergeldern sein.

Monika Hohlmeier, CSU-Europaabgeordnete

Den Verband Friends of the Earth beauftragten Beamte der Kommission der Zeitung zufolge mit dem Kampf gegen das Freihandelsabkommen Mercosur zwischen Europa und Südamerika, obwohl es Kollegen im eigenen Haus zur selben Zeit vorantrieben. Auch diese Organisation beantwortete eine Anfrage des Tagesspiegels am Sonnabend nicht.

Wie es weiter heißt, bekamen andere Gruppen Geld für die Beeinflussung von EU-Abgeordneten vor Abstimmungen zu Pflanzenschutzmitteln und Chemikalien. Dies alles sei im Namen des sogenannten „Green Deals“ geschehen, der Europa bis 2050 in den ersten klimaneutralen Kontinent der Erde verwandeln soll.

Vor allem die Europäischen Volkspartei kritisierte zuletzt immer wieder die Art und Weise der Vergabe von Mitteln an NGOs. Auch die Prüfer des Europäischen Rechnungshofes hatten im April in einem Bericht betont, dass die EU-Finanzierung für NGOs zu undurchsichtig sei und es an Transparenz mangele.

Die EU hatte am 1. April 2025 in einer Stellungnahme Fehler zugegeben und bezog sich auf das sogenannte „Life“-Programm, ein milliardenschweres Finanzierungsinstrument der EU für Umwelt- und Klimaschutzmaßnahmen. Dieses solle korrigiert werden, hieß es aus Brüssel vage.

Kritik an der EU-Kommission gibt es seit längerem.

© dpa/Arne Immanuel Bänsch

Die Kommission habe „festgestellt, dass die von den NGOs eingereichten Arbeitsprogramme in einigen Fällen gezielte Lobbyarbeit und unangemessene Lobbying-Aktivitäten enthielten“. Weiter heißt es in der Stellungnahme: „Die Kommission hat Maßnahmen ergriffen, um solche Fälle in Zukunft zu vermeiden, und wird weitere Maßnahmen ergreifen, um die Transparenz zu erhöhen und geeignete Schutzmaßnahmen vorzusehen.“

Gleichzeitig betonte die Kommission, dass die „Life“-Verordnung ausdrücklich die Finanzierung von NGOs vorsehe. Ziel sei es, den Ordnungsrahmen in den Bereichen Umwelt, Klimawandel und Energiewende zu verbessern, auch durch eine stärkere Einbindung von Interessenträgern.

Die Kommission setze sich weiterhin „voll und ganz für eine gesunde und lebendige Zivilgesellschaft ein, unter anderem durch die Unterstützung ihrer Funktionsweise und ihrer Beteiligung an der Politikgestaltung“. Gleichwohl solle „Lobbyarbeit, die sich gegen bestimmte politische Maßnahmen oder Europaabgeordnete richtet, vermieden werden“.

Kritik von Europaabgeordneten

Die CSU-Europaabgeordnete Monika Hohlmeier sagte in der „WamS“ zu den nun bekannt gewordenen Vorwürfen: „Die Abkürzung NGO darf kein Freibrief für eine willkürliche und unkontrollierte Verwendung von Steuergeldern sein. Derzeit ist die Transparenz bei der Verausgabung der Mittel sowie bei den finanziellen Quellen von einigen NGOs nicht adäquat gewährleistet.“

Hohlmeier weiter: „Es ist bedauerlich, dass unter den ehemaligen Kommissionsmitgliedern Virginijus Sinkevicius und Frans Timmermans pauschale Zuschüsse für Organisationen gegeben wurden, die radikale Aktionen, verdecktes politisches Lobbying und die Druckausübung auf Entscheidungsträger als Ziele in ihre Arbeitsprogramme verankerten.“ Timmermans war in der vergangenen Legislaturperiode EU-Kommissar für Klima, Sinkevicius Kommissar für Umwelt.

NGOs auf europäischer Ebene müssen für volle Transparenz bei ihrer Finanzierung sorgen, insbesondere dann, wenn sie staatlich geförderte politische Meinungsbildung betreiben.

Oliver Luksic, Initiative Transparente Demokratie

„Besonders erschreckt haben mich die subversiven Pläne, nach denen bäuerliche Betriebe bis hin zu Kohlekraftwerken durch Klagen und die massive Verschärfung von Nachweispflichten zur Aufgabe ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit gezwungen werden sollten“, betonte Hohlmeier.

Nach Ansicht des früheren Europaabgeordneten der CDU, Markus Pieper, ist das Vorgehen ein Verstoß gegen das Prinzip der Gewaltenteilung. Die Exekutive der EU habe mithilfe von Aktivisten verdeckt die Legislative beeinflussen wollen, sagte er dem Bericht zufolge.

Die stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende und Europaabgeordnete Svenja Hahn sagte der Zeitung, bei den Bürgerinnen und Bürgern bliebe nun der Eindruck, die Kommission fördere mit Steuerzahlergeld nur ihr liebsame Meinungen. „Das schadet dem Vertrauen in die europäischen Institutionen massiv.“ Die EU-Kommission müsse mit konsequenter Aufklärung und Transparenz reagieren.

Oliver Luksic von der Initiative Transparente Demokratie, die sich mit Geldflüssen an Parteien und Lobbygruppen beschäftigt, sagte: „NGOs auf europäischer Ebene müssen für volle Transparenz bei ihrer Finanzierung sorgen, insbesondere dann, wenn sie staatlich geförderte politische Meinungsbildung betreiben. Andernfalls entsteht der Verdacht, dass nicht gemeinnützige Anliegen wie Umweltschutz im Vordergrund stehen.“

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