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DeepSeek wurde schnell und günstig von einem chinesischen Start-up entwickelt.

© REUTERS/Dado Ruvic

Chinas KI-Überraschungserfolg: DeepSeek hat auch Nachteile – das ist Europas Chance

Rasend schnell und günstig entwickelt. Mit einem neuen KI-Chatbot hat ein chinesisches Start-up Amerikas Tech-Giganten vorgeführt. Jetzt sollte auch die EU handeln.

Viktoria Bräuner
Ein Kommentar von Viktoria Bräuner

Stand:

Die Woche ist noch jung, doch Chinas Partei- und Staatschef Xi Jinping dürfte schon jetzt entschieden haben, dass es eine gute wird. Nur wenige Tage nach Donald Trumps donnernder Amtseinführung hat das chinesische Start-up DeepSeek die Entwicklung eines KI-Chatbots verkündet. Und damit die USA und ihre vor Selbstbewusstsein nur so strotzenden Tech-Giganten gnadenlos vorgeführt.

Denn DeepSeek hat gezeigt, dass sie diese technologische Spitzenleistung nicht nur schneller, sondern auch wesentlich günstiger als amerikanische Unternehmen erreichen konnten. Nur 5,6 Millionen US-Dollar soll die Entwicklung gekostet haben.

Zum Vergleich: DeepSeeks größter Rivale, OpenAI, investierte 80 Millionen US-Dollar allein in das Training seines KI-Modells GPT-4o. Microsoft will 80 Milliarden Dollar in neue KI-Projekte stecken, um wettbewerbsfähig zu bleiben; Meta peilt etwa 60 Milliarden an. Unterstützt werden diese Vorhaben auch von der US-Regierung.

500
Milliarden US-Dollar will Donald Trump in ein neues KI-Infrastrukturprojekt namens Stargate investieren.

An Kosten und wie man sie kürzen kann, ist der neue Präsident bekanntlich ganz besonders interessiert. Erst vor wenigen Tagen hatte Trump angekündigt, mindestens 500 Milliarden Dollar in ein neues KI-Infrastrukturprojekt zu stecken. Nun fragt man sich: Ja, braucht es denn so viel Geld überhaupt?

Keiner sah DeepSeeks Erfolg kommen, die Folgen sind immens. Die Kurse für amerikanische Tech-Aktien brachen ein. Allein der weltweit führende KI-Mikrochiphersteller Nvidia verlor so vorübergehend knapp 600 Milliarden US-Dollar. Von einem großen Vertrauensverlust in die US-Fähigkeiten im KI-Bereich ist die Rede.

An der Wall Street sorgte DeepSeeks Erfolg für ein Beben der amerikanischen Tech-Aktien.

© Getty Images via AFP/Michael M. Santiago

Führende Experten weltweit staunen über dieses chinesische Wunder. Vom Nutzen, das ist die nächste Sensation, sollen alle profitieren können. Anders als OpenAI und ChatGPT will DeepSeek den Code für seinen Chatbot veröffentlichen. Wie großartig ist das?

Für Xi Jinping und seine Kommunistische Partei ist das gleich dreifach schön: Trotz aller amerikanischen Beschränkungen im Mikrochip-Bereich hat ihr Land gezeigt, wozu es fähig ist. Sie haben sich internationalen Respekt verschafft und die USA auf Platz 2 im Wettlauf um die KI-Weltherrschaft verwiesen. Zumindest in diesem Moment.

Doch wie alle großen Erfolgsgeschichten hat auch die von DeepSeek eine dunkle Seite. Chatbots können politisiert werden. Nun hat China das lebende Beispiel geschaffen.

Ob das Massaker am 4. Juni 1989 auf dem Platz des Himmlischen Friedens, die pro-demokratischen Proteste in Hongkong oder das bis heute ungeklärte Verschwinden von Ex-Präsident Hu Jintao 2022 von einem Parteitag – DeepSeek will nicht über politisch sensible Themen sprechen. „Tut mir leid, das würde meinen Rahmen sprengen. Lassen Sie uns über etwas anderes reden“, sagt es. Im Herzen eine chinesische Kommunistin.

Tut mir leid, das würde meinen Rahmen sprengen. Lassen Sie uns über etwas anderes reden.

DeepSeek, wenn man das Tool nach politisch sensiblen Themen fragt

Und damit geht es plötzlich um mehr. Um unsere Freiheit, unsere Werte. Im Zweifel sich also doch lieber auf amerikanische Chatbots verlassen? Besser wäre eine dritte Lösung: ein europäisches Modell. Eines, das nicht zensiert und Fakten frei zugänglich macht.

Chinas Zensur wirkt auch hier: Über politisch sensible Themen spricht DeepSeek nicht.

© REUTERS/Dado Ruvic

Hier muss die Europäische Union handeln, und zwar schnell. Forschungsgelder müssen in die richtigen Start-ups fließen, die Eigenes entwickeln oder auf DeepSeek aufbauen können. Auch Initiativen wie das europäische Forschungsprojekt Open-GPTX sollten entschieden gefördert werden.

Alles zu spät, nie im Leben, wir können das nicht? Wer so argumentiert, hat eines nicht verstanden: Die Zukunft wird es ohne KI nicht geben. Egal, wie viel Angst es macht. Alle Länder, ob die USA, China oder eben auch Deutschland, hoffen auf die nächste große Sache, auf die „Dampfmaschine“ des 21. Jahrhunderts, um ihre Produktivität und Wirtschaftsleistung zu steigern.

Genau das wird KI sein. Doch wenn die Grundlage hierfür aus anderen Ländern – seien es die USA oder China – kommt und von diesen bestimmt wird, sind wir abhängig. Und machen unsere Wirtschaft, unsere Sozial-, Gesundheits- und Bildungssysteme verwundbar. Das kann keiner wollen.

Der Triumph von DeepSeek zeigt auch: Man muss nicht immer der Erste sein, um vorne mitzuspielen. In diesem Fall wären die Europäer die Dritten, könnten aber dennoch Entwicklungen entscheidend vorantreiben – im Sinne der Freiheit.

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