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„Das gilt zumal für Deutschland“: Völkerrechtler fordern Umsetzung des Haftbefehls gegen Netanjahu
Deutschland könne Israels Premier keine Immunität zusichern, heißt es in einer Erklärung von mehr als 70 Juristen. Sie sehen auch Rechtsverstöße im Umgang mit der UN-Berichterstatterin Albanese.
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Völkerrechtler sorgen sich um den Umgang mit internationalem Recht in Deutschland. 77 deutschsprachige Juristen „mahnen“ Bund und Länder in einer Erklärung zur „Einhaltung der von der Bundesrepublik übernommenen völkerrechtlichen Verpflichtungen“.
Aufgehängt ist ihre Warnung am Umgang mit dem Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag gegen den israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu.
Der wohl künftige Bundeskanzler Friedrich Merz hatte noch in der Wahlnacht Netanjahu nach Deutschland eingeladen. Der CDU-Chef erklärte: „Ich habe ihm auch zugesagt, dass wir Mittel und Wege finden werden, dass er Deutschland besuchen kann und auch wieder verlassen kann, ohne dass er in Deutschland festgenommen worden ist.“
Keine Zusicherung von Immunität möglich
Die Völkerrechtler verweisen darauf, dass „eine Einladung Netanjahus nach Deutschland unter Zusicherung von Immunität gegen das Völkerrecht und gegen deutsches Recht verstieße“.
Das gilt zumal für Deutschland.
Unterzeichner zur Verpflichtung der Einhaltung des Völkerrechts
Die Umsetzung des Haftbefehls dürfe nicht davon abhängen, „ob wir einen Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs inhaltlich richtig finden, und ungeachtet unserer Einschätzungen der Reichweite persönlicher Immunität“, heißt es in der Erklärung weiter, die in der Rubrik „Einspruch“ am Donnerstag in der „FAZ“ erschienen ist.
Die Unterzeichner, zu denen auch mehrere hochrangige Ex-Richter wie der frühere Bundesverfassungsrichter Andreas Paulus, der ehemalige Richter am Internationalen Gerichtshof Bruno Simma und der frühere Richter am Mannheimer Verwaltungsgerichtshof Kay Hailbronner zählen, erachten die Beachtung des Völkerrechts „gerade in einer Zeit, in der das Völkerrecht von mächtigen Staaten gebrochen wird, als wichtiger denn je“.
Die Juristen finden auch: „Das gilt zumal für Deutschland.“ Denn die Legitimation Deutschlands in der Welt nach den Verbrechen des Holocaust und dem deutschen Angriffskrieg beruhe „entscheidend auf Deutschlands Entschluss, das Völkerrecht nicht nur einzuhalten, sondern auch zu schützen und zu fördern“.
Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit verletzt
Auch den Umgang mit der UN-Sonderberichterstatterin für die besetzten palästinensischen Gebiete, Francesca Albanese, in Deutschland kritisieren die Unterzeichner.
Die Ludwig-Maximilians-Universität in München und die FU in Berlin hatten kürzlich deren Auftritte abgesagt, nachdem es zu Protesten gegen frühere Äußerungen der italienischen Juristin gekommen war, die teilweise als antisemitisch wahrgenommen oder eingeordnet worden waren.
In den Versuchen, sie an Auftritten an Universitäten zu hindern, „sehen wir – ungeachtet dessen, ob wir Albaneses Analysen zustimmen, und einiger umstrittener Äußerungen in der Vergangenheit – einen Verstoß gegen die im Grundgesetz und auch in internationalen Gewährleistungen der Menschenrechte verankerte Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit“.
Sie verweisen darauf, dass Deutschland durch seine Mitgliedschaft in der UNO verpflichtet zu „Respekt vor deren Institutionen einschließlich der von ihr mandatierten Sonderbeauftragten“ sei.
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