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Zerstörtes Flüchtlingssiedlung im Gazastreifen.

© AFP/EYAD BABA

Update

Entwurf für Abkommen vorgelegt: Deal zwischen Israel und Hamas soll unmittelbar bevorstehen

Berichte mehren sich, dass eine Vereinbarung zwischen Israel und der Hamas zum Greifen nahe ist. Geplant sein soll eine Waffenruhe und die Freilassung von Geiseln im Austausch gegen Häftlinge.

Stand:

Im Ringen um ein Ende des Krieges im Gazastreifen gibt es nach Angaben aus Verhandlungskreisen detaillierte Vereinbarungen über eine Waffenruhe und die Freilassung von Geiseln. Die Gespräche in Katar sollen demnach kurz vor dem Abschluss stehen.

Eine Einigung sei sehr nah, sagte der Sprecher des katarischen Außenministeriums, Madschid Al-Ansari. „Ich kann bestätigen, dass die Gespräche auf höchster Ebene hier in Doha laufen, während wir sprechen“, sagte al-Ansari. Israel und die islamistische Hamas hätten Entwürfe eines Vorschlags vorliegen.

Er warnte zugleich vor zu hohen Erwartungen oder überzogener Aufregung vor einer offiziellen Verkündung zu einer möglichen Waffenruhe. „Solange nichts verkündet wird, ist nichts verkündet“, sagte al-Ansari.

Bereits zuvor hatte eine mit den Verhandlungen vertraute Quelle der Nachrichtenagentur AFP gesagt, dass am Dienstag in Doha „eine letzte Gesprächsrunde stattfinde“. Demnach sollen bei dem Treffen „die verbleibenden Details des Abkommens“ besprochen werden.

Den Angaben zufolge werden die Leiter der israelischen Geheimdienste, die Nahost-Beauftragten sowohl der neuen als auch der scheidenden US-Regierung sowie der Regierungschef von Katar zu den Gesprächen erwartet. Mit der radikalislamischen Palästinenserorganisation Hamas würden „separate Gespräche“ geführt.

Die US-Regierung hatte bereits am Montag erklärt, dass die Vereinbarung über eine Waffenruhe und die Freilassung der Geiseln im Gazastreifen unmittelbar bevorstehe. Der Nationale Sicherheitsberater Jake Sullivan sagte vor Journalisten, eine Einigung könne „noch in dieser Woche“ zustande kommen.

Die Vermittler hätten Israel und der Hamas einen entsprechenden Textentwurf vorgelegt, sagte ein mit den Verhandlungen vertrauter Vertreter in Doha. Zuvor sei kurz nach Mitternacht (Ortszeit) ein „Durchbruch“ bei den Gesprächen in der katarischen Hauptstadt erzielt worden, an denen auch Abgesandte des am kommenden Montag aus dem Amt scheidenden US-Präsidenten Joe Biden und seines Nachfolgers Donald Trump teilnahmen.

„Ich mache keine Versprechungen oder Vorhersagen, aber es ist zum Greifen nahe, und wir werden daran arbeiten, dass es klappt“, sagte Biden-Berater Sullivan.

Dem US-Sender CNN zufolge sollen heute in Katars Hauptstadt Doha letzte noch offene Fragen geklärt werden. Das Nachrichtenportal Axios berichtet, US-Außenminister Antony Blinken werde einen Plan für die Zukunft des Gazastreifens nach dem Ende des aktuellen Konflikts vorlegen.

Laut israelischen Medien wurde in Doha ein Drei-Stufen-Plan für eine Waffenruhe ausgearbeitet. Eine Einigung könne heute bekanntgegeben werden. Eine offizielle Bestätigung dafür gab es nicht.

Laut dem israelischen TV-Sender Channel 13 sieht der Plan in einer ersten Phase eine Kampfpause von 42 Tagen vor. In der Zeit sollen 33 Geiseln freigelassen werden, von denen die meisten noch am Leben seien, während es bei den anderen um die Übergabe der Leichen gehe, hieß es.

Die israelische Seite werde bis zur Freilassung nicht wissen, welche der Geiseln lebend zurückkommen. Es handele sich um Frauen, darunter Soldatinnen, zwei Kinder, Menschen über 50 sowie Verletzte und Kranke. 

Die Angehörigen der in Gaza festgehaltenen Geiseln haben Hoffnung auf einen Durchbruch, bleiben aber vorsichtig.

© Ohad Zwigenberg/AP/dpa

Im Gegenzug sollten 1000 palästinensische Häftlinge aus israelischen Gefängnissen freigelassen werden, hieß es. Israels Armee werde sich außerdem nach und nach aus bewohnten Gebieten des Gazastreifens und schließlich auch aus dem Philadelphi-Korridor entlang der Grenze zu Ägypten zurückziehen.

Ferner sollen demnach die in den Süden des abgeriegelten Küstenstreifens geflohenen Einwohner unter internationaler Aufsicht in ihre Wohngebiete im Norden zurückkehren dürfen. Laut US-Medienberichten wird Israel zunächst Pufferzonen entlang seiner östlichen und nördlichen Grenze zum Gazastreifen aufrechterhalten.

Zweite Phase sieht komplette Freilassung der Geiseln vor

Am 16. Tag der Waffenruhe sollen dann Verhandlungen über eine zweite Phase beginnen, in der die restlichen lebenden Geiseln - männliche Soldaten und Männer im wehrfähigen Alter - freigelassen und die Leichen der toten Geiseln übergeben werden sollen. 

Im Gegenzug würden militante Palästinenser, die wegen Mordes oder tödlicher Angriffe verurteilt wurden, freigelassen, wobei die Anzahl von der Zahl der noch lebenden Geiseln abhänge. Ausgeschlossen seien Kämpfer, die am Angriff auf Israel am 7. Oktober 2023 beteiligt gewesen seien.

Die Israelis haben ihre militärischen Strukturen zerschlagen, ihre oberste Führung ausgeschaltet und ihre militärischen Fähigkeiten in erheblichem Umfang zerstört.

Jake Sullivan, Sicherheitsberater des US-Präsidenten Joe Biden, über die Hamas

Die Hamas habe ein wichtiges Zugeständnis gemacht, indem sie mündliche Garantien der USA, Katars, Ägyptens und der Türkei akzeptiert, dass Israel die Verhandlungen darüber fortsetzt, erfuhr das „Wall Street Journal“ aus Vermittlerkreisen. Dabei soll es laut israelischen Medien auch um den Abzug der Armee aus ganz Gaza gehen.

Die dritte Phase eines möglichen Abkommens soll schließlich einen Wiederaufbau des weitgehend zerstörten Gazastreifens und eine alternative Regierung ohne Beteiligung der Hamas vorsehen.

Sinwar-Bruder bereitet USA offenbar Sorgen

Hoffnungen auf eine abschließende Einigung über eine Waffenruhe haben sich bei den zähen Verhandlungen bisher immer wieder zerschlagen. Doch nun zeige der „Trump-Effekt“ Wirkung, zitierte das „Wall Street Journal“ einen israelischen Beamten.

Der designierte US-Präsident hatte in der vergangenen Woche gesagt, wenn die Geiseln nicht bis zu seiner Amtseinführung am 20. Januar frei seien, werde im Nahen Osten „die Hölle losbrechen, und das wird nicht gut für die Hamas sein, und es wird - offen gesagt - für niemanden gut sein“.

Bidens Sicherheitsberater Sullivan, sagte dazu jetzt in Washington, über die Hamas breche faktisch schon „seit 14 Monaten“ die Hölle herein.

Er warf die Frage auf, was es konkret bedeute, den militärischen Druck auf die Hamas noch weiter zu erhöhen. „Die Israelis haben ihre militärischen Strukturen zerschlagen, ihre oberste Führung ausgeschaltet und ihre militärischen Fähigkeiten in erheblichem Umfang zerstört“, sagte Sullivan.

Nach Informationen des „Wall Street Journal“ soll jedoch Mohammed al-Sinwar dabei sein, die Hamas in Gaza wieder aufzubauen. Er ist der jüngere Bruder des am 16. Oktober von Israels Armee getöteten Hamas-Chefs in Gaza, Jihia al-Sinwar.

Der Krieg habe eine neue Generation von willigen Kämpfern hervorgebracht und den Gazastreifen mit nicht explodierten Sprengkörpern übersät, die zu improvisierten Bomben umgebaut werden könnten, hieß es in dem Bericht.

Die Hamas stelle sich unter Führung Mohammed Sinwars schneller wieder auf, als Israels Armee sie Stück für Stück auslösche, sagte Amir Avivi, ein pensionierter israelischer Brigadegeneral, der US-Zeitung. „Wir arbeiten hart daran, ihn zu finden“, wurde ein ranghoher Vertreter des israelischen Einsatzkommandos in Gaza zitiert.

Israels Polizeiminister droht mit Rücktritt

Der rechtsextreme israelische Polizeiminister Itamar Ben-Gvir hat im Fall eines Geisel-Abkommens mit der islamistischen Hamas mit einem Ausscheiden aus der Regierung gedroht. Er rief in einem Post auf der Plattform X den ebenfalls rechtsextremen Finanzminister Bezalel Smotrich auf, sich ihm anzuschließen im Kampf „gegen den entstehenden schrecklichen Deal“.

Man müsse dem Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu entschlossen gemeinsam sagen, „dass wir zusammen aus der Regierung ausscheiden, wenn der Deal geschlossen wird“, forderte Ben-Gvir. Dennoch sagte Ben-Gvir, auch im Falle eines Ausscheidens werde man Netanjahu nicht stürzen. Es gab in der Vergangenheit in Israel bereits Minderheitsregierungen.

Gegenwärtig verfügt Netanjahus Regierung über 68 der 120 Sitze im Parlament. Ohne die Fraktionen von Ben-Gvir und Smotrich hätte er keine Mehrheit mehr. Oppositionsführer Jair Lapid hatte aber bereits am Montag bekräftigt, er wäre in einem solchen Fall bereit, Netanjahu für einen Geisel-Deal ein „Sicherheitsnetz“ im Parlament zu bieten.

Ben-Gvir kritisierte das sich abzeichnende Abkommen als „Kapitulation“ gegenüber der Hamas. Er forderte, stattdessen den Transport von humanitärer Hilfe, Treibstoff, Strom und Wasser in den Gazastreifen komplett zu stoppen, bis zur „totalen Niederwerfung“ der Hamas. (AFP, dpa, Reuters)

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