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Der Anti-Trump: Kann Papst Leo XIV. dem US-Präsidenten die Stirn bieten?
Er ist Amerikaner – viel mehr verbindet den neuen Papst nicht mit Präsident Donald Trump. Wo er Einfluss haben könnte und wo seine Macht begrenzt ist.
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Ein Amerikaner, ausgerechnet. Das mag mancher kurz gedacht haben, als am Donnerstagabend der Namen des neuen Papstes verkündet wurde.
Kardinal Robert Francis Prevost ist nach nur vier Wahlgängen zum 267. Pontifex gewählt worden. Mit ihm kommt der Heilige Vater und Bischof von Rom erstmals in der Geschichte der Katholischen Kirche aus den Vereinigten Staaten.
In den Sozialen Medien gratulierte US-Präsident Donald Trump überschwänglich, doch Leo XIV. könnte ihm nicht unähnlicher sein. Prevost ist Sozialethiker und war Generalprior des Augustinerordens. Vermögen und Besitz zählen bei den Bettelmönchen nicht, es geht vor allem um Gemeinschaft.
„Nach allem, was über ihn bekannt ist, gibt es nur minimalste Überschneidungen mit den Positionen von Donald Trump“, erklärt der USA-Experte Thomas Jäger. Einzige Gemeinsamkeit sei das traditionelle Rollenverständnis der Geschlechter. „In allen anderen Fragen liegen beide meilenweit auseinander.“
Leo XIV. hat gegenüber allen anderen Kritikern von Donald Trump einen großen Vorteil: Der amerikanische Präsident wird nicht versuchen, den Papst zu diffamieren.
Thomas Jäger, USA-Experte
Das zeigt sich auch in Beiträgen des früheren Kardinals auf der Sozialen Plattform X. Hier schrieb er unter anderem: „JD Vance liegt falsch: Jesus verlangt von uns nicht, unsere Liebe zu anderen abzustufen.“
Dabei bezog sich Prevost auf einen Artikel der Zeitschrift „National Catholic Reporter“, in dem Vances Interpretation einer katholischen Lehre widerlegt wurde, die der Vize-Präsident zur Verteidigung von Trumps harter Abschiebungspolitik verwendet hatte.

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Daher könnte der neue Papst, so glaubt Jäger, eine wichtige Stimme in der amerikanischen Debatte bei den Themen Migration, Klima und Sozialpolitik werden; eine Lücke füllen, die die Demokraten bislang nicht zu schließen vermocht haben.
„Leo XIV. hat gegenüber allen anderen Kritikern von Donald Trump einen großen Vorteil: Der amerikanische Präsident wird nicht versuchen, den Papst zu diffamieren und ihn mit verbalen Brutalitäten niederzumachen, wie er es sonst mit seinen Gegnern zu tun pflegt.“
Rechte hatten sich einen anderen gewünscht
Bereits vor Franziskus’ Tod hatten rechtskonservative Lobbyisten aus den USA in Rom für einen Papst aus ihren Kreisen geworben. Nun ist es einer von ihnen, ein Landsmann – nur eben anders.
Prevost gilt als menschennah, flüchtlingsfreundlich, zugänglich. „Gott liebt euch, und das Böse wird nicht siegen!“, waren seine ersten Worte als Papst. Er sprach sie in fließendem Italienisch, der wichtigsten Sprache im Vatikan. Später wechselte er ins Spanische, zum Missfallen der US-amerikanischen Rechten. „Er ist Amerikaner und hat nicht einmal Englisch gesprochen“, ereiferte sich etwa Ex-Senator Rick Santorum. „Für mich ist das sehr beunruhigend.“
Das sollte es auch fürs Weiße Haus sein. Die Macht des Papstes ist weltumfassend; 1,4 Milliarden Gläubige hören ihm zu. Leo XIV. spricht mehrere Sprachen, in Asien, Afrika und Lateinamerika wächst sein Einfluss. Dagegen wirkt Trump wie ein lokaler Anbieter.
Die harten Positionen des Präsidenten wird der Papst zwar nicht verändern können, aber vielleicht wird er dessen Respekt gewinnen. Und die öffentliche Meinung beeinflussen, wenn er für Freiheit, Nächstenliebe und Toleranz wirbt.
„Trump und die Konservativen müssen gute Miene zum aus ihrer Sicht bösen Spiel machen, wenn Papst Leo eine völlig andere Sicht auf das Zusammenleben von Menschen predigt“, sagt Jäger. „Seine Worte könnten durchaus die 20 Prozent Katholiken in den USA beeinflussen, die in den vergangenen Jahren immer öfters republikanisch wählten.“
Jackson Janes, Experte beim German Marshall Fund, sieht das ähnlich, vermutet aber in einer anderen großen Gruppe noch mehr Wirkungskraft: „Als Amerikaner, der lange in einem spanischsprachigen Umfeld gelebt hat, wird Papst Leo wahrscheinlich sehr bei der hispanoamerikanischen Wählerschaft beliebt sein.“

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Innerhalb der MAGA-Bewegung gibt es unterdessen Versuche, Papst Leo als Marxisten, woken Linken und eine Marionette fremder Mächte darzustellen. Dabei gilt Prevost als Pragmatiker aus der Mitte und diplomatischer Verhandler. Einer, der Kompromisse schließt. So muss es ihm gelungen sein, die verschiedenen Strömungen innerhalb der Kirche von sich zu überzeugen. Im Vorfeld galt der 69-Jährige nicht einmal als Favorit.
„Wer schon als Papst ins Konklave geht, kommt als Kardinal heraus“, sagt hierzu Nino Galetti. „Dieses Sprichwort hat sich wieder mal bewährt.“ In Rom sei in den vergangenen Tagen durchaus über Prevost spekuliert worden. „Aber dann wurde stets sofort abgewunken, weil er US-Amerikaner ist und deshalb keine Chancen hat.“
Das hat nicht wenig mit Donald Trump und seiner die Welt dominierenden, disruptiven Politik zu tun. Hinzu kommen schwindende Mitgliederzahlen in den USA, im ganzen Westen.
Gott liebt Peru.
Dina Boluarte, Präsidentin von Peru
„Ich würde ihn aber nicht ausschließlich als US-Amerikaner lesen“, sagt Galetti. „Er vereinigt in seinem Profil drei Erdteile. Er ist in Chicago geboren, hat aber Vorfahren aus Italien, Frankreich und Spanien. 40 Jahre lebte er in Lateinamerika, kam dann erst zurück nach Rom.“
Der neue Papst, im Herzen ein Peruaner?
In Lateinamerika, zumindest in Peru, waren diese Verbindungen längst bekannt. Denn hier wurde der Name Prevost bereits in den Tagen vor dem Konklave als Kandidat gehandelt, war er neben Kardinal Carlos Castillo doch der einzige mit peruanischem Pass.
Entsprechend groß war der Jubel. „Der Papst ist Peruaner“, hieß es in sozialen Medien, dem peruanischen Fernsehen und auch von Präsidentin Dina Boluarte: „Gott liebt Peru“, sagte sie in einer Ansprache.
Zu seiner Zeit als Bischof in dem Andenland hat Prevosts sich für die ärmere Bevölkerung eingesetzt, war viel in ländlichen Regionen unterwegs. Eine Biografie, die an die seines Vorgängers Franziskus erinnert. Es gibt viele Überschneidungen, sagt auch Experte Juan Cruz Esquivel, Soziologe der Universität von Buenos Aires, der sich auf Katholizismus spezialisiert.
„Trotz seiner Vorbehalte gegenüber dem Widerspruch zum Evangelium hat er eine gemäßigte Haltung gegenüber der Segnung gleichgeschlechtlicher Paare eingenommen und legitimiert“, sagt der Experte. „Prevost hat sich wiederholt für Migranten eingesetzt, und er hat seine Besorgnis über den Klimawandel zum Ausdruck gebracht.“
Für die Peruaner ist bereits jetzt klar: Leo XIV. ist weniger US-Amerikaner als viel mehr einer von ihnen. Und auch ihm selbst scheint es ein Anliegen zu sein, diesen Teil seiner Identität zu betonen. Nicht umsonst richtete er seine ersten Worte als Papst ausgerechnet an Peru, und nicht an die USA.
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