
© REUTERS/Evelyn Hockstein
Sprecherwahl im US-Repräsentantenhaus: Warum die Republikaner wieder scheitern
Die republikanischen Kongressabgeordneten führen bei der Suche nach einem neuen Vorsitzenden vor, wie zerstritten sie sind.
Stand:
Das Chaos war perfekt, als gegen 20 Uhr am Donnerstagabend klar war: Der erst 30 Stunden zuvor als Sprecher des US-Repräsentantenhauses nominierte Steve Scalise hat nun doch keine Mehrheit in seiner eigenen Fraktion. „Ich habe gerade meinen Kollegen mitgeteilt, dass ich mich als Kandidat für die Wahl des Sprechers zurückziehe“, sagte der Abgeordnete aus Louisiana zu Reportern. Es gebe in seiner Partei immer noch einige Leute, die ihre eigene Agenda hätten.
Trotz intensiver Verhandlungen war es Scalise nicht gelungen, die rechten Abweichler in den Reihen der Republikaner umzustimmen und die nötigen 217 Stimmen zusammenzubringen.
Auch nach dreistündigen Gesprächen sagten mehr als 20 Abgeordnete öffentlich, dass sie ihn nicht zum Sprecher wählen würden. Die Fraktion wollte am Freitagmorgen (Ortszeit) erneut zusammenkommen, um einen Kandidaten zu finden.
Ich habe gerade meinen Kollegen mitgeteilt, dass ich mich als Kandidat für die Wahl des Sprechers zurückziehe.
Der für den Vorsitz im US-Repräsentantenhaus nominierte Republikaner Steve Scalise.
Der vorherige Vorsitzende Kevin McCarthy war vergangene Woche in einer historischen Abstimmung abgewählt worden. Radikale Republikaner hatten den 58-Jährigen gestürzt. Sie warfen ihm vor, mit den Demokraten geheime Absprachen getroffen zu haben, um einen Shutdown, einen teilweisen Regierungsstillstand, abzuwenden.
Es war das erste Mal in der US-Geschichte, dass ein Vorsitzender des Repräsentantenhauses per Misstrauensvotum seinen Job verloren hat. Das Amt kommt in der staatlichen Rangfolge an dritter Stelle nach dem Präsidenten und dessen Vize.
Demokraten zögern bei Unterstützung
Scalise war bis zum Sturz von McCarthy die Nummer Zwei in der Mehrheitsfraktion und galt daher als logischer Nachfolger. Seinen bisherigen Job will er nun weiter ausüben, wie er klarmachte.
Die Lage ist so verfahren, dass einige Republikaner sogar öffentlich an die Verantwortung der Demokraten appellierten, ihnen bei der Wahl eines neuen Vorsitzenden zu helfen.
Die Republikaner haben im Repräsentantenhaus nur eine dünne Mehrheit: Wer zum Sprecher gewählt werden will, darf sich nur vier Abweichler-Stimmen leisten, wenn alle Demokraten dagegen stimmen. Bei McCarthys Wahl im Januar hatten sie in allen 15 Wahlgängen für den demokratischen Minderheitenführer Hakeem Jeffries gestimmt.
Die Demokraten haben jedoch wenig Lust, den zerstrittenen Republikanern aus der Patsche zu helfen. Auch, weil es bislang kaum Bemühungen von Seiten der Republikaner gibt, ihnen im Gegenzug etwas anzubieten. Das könnte sich allerdings noch ändern, wenn sich keine Lösung abzeichnet.
Drängende Themen im US-Kongress
Als nächstes könnte nun Jim Jordan nominiert werden, der Vorsitzende des Justizausschusses. Aber für Jordan, der als Hardliner und Anhänger des ehemaligen Präsidenten Donald Trump gilt und sich gegen weitere Ukraine-Hilfen ausgesprochen hat, war zunächst ebenfalls keine Mehrheit in Sicht.
Die Zeit drängt, da der Kongress durch das Machtvakuum in dieser Kammer lahmgelegt ist. Ganz oben auf der Agenda stehen weitere Hilfen für die von Russland angegriffene Ukraine, militärische Unterstützung für Israel nach den Terroranschlägen der Hamas sowie ein Beschluss, mit dem ein Shutdown Mitte November verhindert werden kann. Am 17. November läuft ein Übergangshaushalt aus.
Mit Blick auf Israel ist die Bereitschaft, schnell neue Hilfen zu beschließen, zwar deutlich größer als in der Ukraine-Frage. Aber die Demokraten wollen beide Themen miteinander verknüpfen, um den Druck auf die Republikaner zu erhöhen.
US-Präsident Joe Biden will dem Kongress in der kommenden Woche den Entwurf für einen Zusatzhaushalt vorlegen. Darin sollen weitere Mittel zur Unterstützung von Israel, der Ukraine und Taiwan sowie zur Sicherung der Grenze zu Mexiko enthalten sein.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: