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Anton Hofreiter (Bündnis 90/Die Grünen) ist eigentlich vehementer Befürworter von Waffenlieferungen.

© Foto: Geisler Fotopress/Frederic Kern

„Die Ukraine fordert alles“: Hofreiter kritisiert Kiews Wunsch nach Streumunition

Der ukrainische Vizeregierungschef hat auf der Münchner Sicherheitskonferenz Streumunition und Phosphor-Brandwaffen gefordert. Der Einsatz beider Waffen ist sehr umstritten.

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Der Grünen-Politiker Anton Hofreiter ist ein vehementer Befürworter von Waffenlieferungen an die Ukraine - doch deren Forderung nach Streumunition und Phosphor-Bomben sieht er nun kritisch. „Die Ukraine fordert alles. Diese Forderung halte ich für falsch“, sagte der Vorsitzende des Europa-Ausschusses des Bundestags RTL/ntv.

Nach Kampfpanzern und Kampfjets hat die Ukraine auf der Münchner Sicherheitskonferenz den westlichen Verbündeten einen neuen Waffen-Wunsch für den Kampf gegen Russland präsentiert. Vizeregierungschef Olexander Kubrakow forderte am Freitagabend Streumunition und Phosphor-Brandwaffen – der Einsatz beider Waffen ist sehr umstritten.

Hofreiter kritisierte die Forderung, gab sich jedoch auch verständnisvoll. Auf die Frage, ob man hier ein Stoppschild setzen müsse, antwortete er: „Ja, selbstverständlich. Also nur weil die was fordern, muss man es ja nicht umsetzen. Aber diese in meinen Augen unkluge Forderung entsteht aus der Verzweiflung, weil das, was versprochen wird, nicht ausreichend umgesetzt wird - schönes Beispiel sind die Leopard 2.“

Unterstützer der Ukraine protestieren vor der Münchner Sicherheitskonferenz.

© Foto: Imago/Zuma Wire

Deutschland, Polen und Portugal haben der Ukraine Kampfpanzer vom Typ Leopard 2 zugesagt. Die Ankündigung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Kiew mit Panzern für zwei Bataillone auszurüsten, ist derzeit aber nicht erfüllbar, weil zahlreiche andere Länder zwar vorher eine Lieferung befürwortet haben, sich nun aber zurückhalten. 

Kuleba verteidigt Forderung nach Streumunition – und gibt sich zuversichtlich

Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba verteidigte hingegen die Forderung. Man verstehe, dass diese Munition in der Weltpolitik umstritten sei - die Ukraine sei aber keine Vertragspartei des Übereinkommens über das Verbot von Streumunition, sagte er am Samstag vor Journalisten am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz.

Ich bin mir sicher, es wird geschehen.

Dmytro Kuleba, ukrainischer Außenminister

„Rechtlich gesehen gibt es dafür also keine Hindernisse. Und wenn wir sie erhalten, werden wir sie ausschließlich gegen die Streitkräfte der Russischen Föderation einsetzen.“ Die Ukraine habe Beweise dafür, dass Russland Streumunition verwende, sagte Kuleba weiter.

Darüber hinaus warb Kuleba bei den westlichen Bündnispartnern um die Lieferung von Kampfflugzeugen und zeigte sich überzeugt, dass sie trotz der bisherigen Skepsis kommen werden. „Ich bin mir sicher, es wird geschehen“, sagte er. Seit dem Ausbruch des Krieges vor knapp einem Jahr hätten die Bündnispartner zunächst auf jede Waffenforderung - etwa nach Panzern oder Artillerie - mit Nein reagiert, inzwischen sei daraus bei allen Systemen außer Flugzeugen ein Ja geworden.

Hüllen entschärfter Mini-Bomben aus einer Rakete vom Typ MLRS-M26 (Symbolbild)

© dpa/Patrick Pleul

Als Streumunition werden Raketen und Bomben bezeichnet, die in der Luft über dem Ziel bersten und viele kleine Sprengkörper freisetzen. Phosphormunition kann bei Menschen schwerste Verbrennungen und Vergiftungen verursachen.

Kubrakow forderte erneut Lieferung von Kampfjets

Auf der Münchner Sicherheitskonferenz warb Kubrakow zudem erneut um die Lieferung von Kampfjets. Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki machte deutlich, dass sein Land bereit wäre, gemeinsam mit anderen Kampfjets an die Ukraine zu liefern. Als Voraussetzung nannte er allerdings eine „Nato-Entscheidung“ für einen solchen Schritt.

Trotz der drastischen Forderungen ist nicht davon auszugehen, dass US-Außenministerin Kamala Harris oder der britische Premierminister Rishi Sunak in ihren mit Spannung erwarteten Reden darauf eingehen werden. Bei Harris stellt sich zudem die Frage, wie sie auf die Ballon-Affäre zwischen den USA und China eingeht.

Vor knapp zwei Wochen hatte das US-Militär einen mutmaßlichen Spionageballon vor der Küste des Bundesstaats South Carolina über dem Atlantik abgeschossen. Die USA werfen China vor, es habe Militäreinrichtungen ausspionieren wollen. Peking spricht dagegen von einem zivilen Forschungsballon, der vom Kurs abgekommen sei.

Chinas oberster Außenpolitiker Wang Yi in München

Es wird spekuliert, dass sie oder US-Außenminister Antony Blinken am Rande der Tagung Chinas wichtigsten Außenpolitiker Wang Yi trifft. Im ohnehin belasteten Verhältnis zwischen China und den USA gibt es große Spannungen.

US-Präsident Joe Biden hat den Abschuss am Freitag verteidigt – gleichzeitig aber ein Gespräch mit Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping erbeten. Auf das Gesprächsangebot reagierte China allerdings kühl, weshalb einem Treffen in München eine hohe Bedeutung zukommen würde.

Wang Yi wurde erst im Oktober vom Außenministerium ins Politbüro der Kommunistischen Partei befördert, auch er steht in München auf der Rednerliste. Nach der Sicherheitskonferenz will Wang auch Moskau besuchen. Peking stützt Russland bisher – hat aber beim G20-Gipfel im November zusammen mit den westlichen Staaten vor einem Einsatz von Nuklearwaffen gewarnt.

Forderungen nach strafrechtlichen Konsequenzen für Putin

Unterdessen wurden in München erneut Forderungen nach strafrechtlichen Konsequenzen für den russischen Präsidenten Wladimir Putin laut. Putin müsse für das Verbrechen der Aggression zur Verantwortung gezogen werden, „sonst wiederholt sich die Geschichte immer wieder“, verlangte Estlands Ministerpräsidentin Kaja Kallas am Freitag laut offizieller Übersetzung bei der Sicherheitskonferenz.

Der republikanische US-Senator Lindsey Graham betonte: „Wenn Putin damit durchkommt, dann wird in der Zukunft das Gleiche wieder passieren.“

Der russische Angriffskrieg dauert inzwischen fast ein Jahr. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte die Konferenz am Freitag per Videoansprache eröffnet und dabei auch unmissverständlich weitere Waffenlieferungen, darunter auch Kampfflugzeuge, sowie schnellere Entscheidungen der Verbündeten gefordert.

Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine, nimmt per Videoschalte an der 59. Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) teil.

© dpa/Sven Hoppe

Im Gegensatz zu Kanzler Olaf Scholz (SPD) äußerte sich Selenskyj optimistisch, noch in diesem Jahr den Krieg gegen Russland zu gewinnen. Voraussetzung dafür seien jedoch die entsprechenden Waffenlieferungen.

Das Thema Waffenlieferungen an die Ukraine steht auch bei einer Diskussionsrunde der Außenminister ganz oben auf der Agenda, an der neben Annalena Baerbock auch US-Außenminister Blinken und ihr ukrainischer Kollege Dmytro Kuleba teilnehmen.

Leopard-Lieferungen an Kiew – Baerbock-Appell an Verbündete

Außenministerin Annalena Baerbock appellierte an die Verbündeten, ebenso wie Deutschland Leopard-Kampfpanzer an Kiew zu liefern. Gemeinsam müsse man jetzt dafür sorgen, dass die Ukraine sich verteidigen und Menschenleben retten könne, sagte sie in einem Interview des Bayerischen Rundfunks.

„Deswegen appellieren wir so eindringlich an andere Partnerländer, die eben ein ähnliches Modell haben wie das, was wir liefern“, ebenfalls solche Panzer zur Verfügung zu stellen, sagte Baerbock.

Scholz hatte Ende Januar nach langem Zögern die Lieferung von 14 Leopard-2-Kampfpanzern in die Ukraine angekündigt und das Ziel ausgegeben, zusammen mit Verbündeten „rasch“ zwei Panzerbataillone aufzustellen, für die in der Ukraine 62 Panzer benötigt werden.

Für das Bataillon, für das Deutschland die Federführung übernahm, hat bisher nur Portugal drei Leopard 2A6 zugesagt. Das bedeutet: 14 Panzer fehlen noch. „Da werden wir die Bataillonsstärke nicht erreichen“, räumte Verteidigungsminister Boris Pistorius erst Mitte der Woche ein.

Zur Sicherheitskonferenz sind Politiker und Experten aus rund 100 Ländern eingeladen. Die russische Führung ist erstmals seit mehr als 20 Jahren nicht eingeladen. Dafür werden aber am späten Samstagabend der russische Kremlgegner Michail Chodorkowski und der frühere Schachweltmeister Garry Kasparow auf dem Podium sitzen. Auch die iranische Führung und Politiker der AfD haben anders als in den Vorjahren keine Einladung erhalten. (dpa)

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