
© dpa/Abedin Taherkenareh
Drei wichtige Ziele schon bombardiert: Wie nah ist Israel dran, Irans Atomprogramm wirklich zu zerstören?
Der Iran hat seine Anlagen zur Urananreicherung aufwendig geschützt. Nun will Israel sie zerstören. In Natans ist das teilweise gelungen – auch Fordow wurde getroffen.
Stand:
Israels Angriff gegen den Iran war von langer Hand geplant. Eingeschleuste Kommandos des Geheimdienstes Mossad schalteten Raketensysteme und Luftabwehranlagen im Iran aus. Zugleich griffen rund 200 Kampfjets aus Israel zahlreiche Ziele an. Eines der Ziele der Operation „Rising Lion“: Das iranische Atomprogramm zu zerstören.
Diesem ist Israel Stand Samstagmittag schon in der ersten großen Angriffswelle einen Schritt näher gekommen. Mindestens ein halbes Dutzend der wichtigsten Atomforscher und Ingenieure des Landes wurden am Freitag bei Luftangriffen getötet. Laut israelischen Medienberichten wurde auch die oberirdische Urananreicherungsanlage in Natans vollständig zerstört. Der oberste UN-Atomwächter, Rafael Grossi, spricht von „schweren Schäden“. Der Iran bestätigte das in der Nacht.
Der Iran reichert derzeit, soweit bekannt, nur an zwei Standorten Uran auf eine Reinheit von bis zu 60 Prozent an: In Natans und in Fordow. Das ist nahe an den 90 Prozent, die für Waffen benötigt werden. Auch Fordow wurde am Freitagnachmittag bombardiert, außerdem eine Nuklearanlage in der Stadt Isfahan.
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Theoretisch verfügt der Iran nach einem Maßstab der Internationalen Atomenergiebehörde über Material, das – falls es weiter angereichert würde – für sechs Atombomben reichen würde. Aus Israel war zuletzt zu hören, dass das Material auch für 15 Bomben reichen würde.
Was bedeutet die bisherigen Angriffe und welche Ziele könnte Israels als Nächstes in den Fokus nehmen? Der Überblick:
1. Natans
Natans steht im Zentrum des iranischen Anreicherungsprogramms. Der Komplex befindet sich auf einer Ebene zwischen Bergen, außerhalb der den Schiiten heiligen Stadt Ghom und südlich von Teheran. Natans beherbergt mehrere Anlagen, darunter zwei Anreicherungsanlagen: die riesige unterirdische Brennstoffanreicherungsanlage (Fuel Enrichment Plant, FEP) und die oberirdische Pilotbrennstoffanreicherungsanlage (Pilot Fuel Enrichment Plant, PFEP).

© Foto: Google Earth • Quelle: AP, BBC • Bearbeitung: Tsp/Infografik
Die FEP wurde für die Anreicherung im kommerziellen Maßstab gebaut und bietet Platz für 50.000 Zentrifugen. Derzeit sind dort rund 16.000 Zentrifugen installiert, von denen etwa 13.000 in Betrieb sind und Uran auf eine Reinheit von bis zu fünf Prozent raffinieren.
Die oberirdische PFEP beherbergt nur mehrere Hundert Zentrifugen, doch der Iran reichert dort Uran auf eine Reinheit von bis zu 60 Prozent an. Von diesen 60 Prozent ist es dann nur noch ein kleiner Schritt bis zu einem atomwaffenfähigen Kampfstoff. Diese Anlagen hat Israel am Freitag zerstört.
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Diplomaten mit Kenntnissen über Natans zufolge liegt die unterirdische Anreicherungsanlage FEP etwa drei Stockwerke unter der Erde. Die „New York Times“ berichtet, dass die Anlagen rund 50 Meter unter der Erde liegen und durch eine schwere Betondecke geschützt sind. Einige Teile sollen nur acht Meter tief unter der Erde liegen. Es wird seit langem darüber diskutiert, wie viel Schaden israelische Luftangriffe dort anrichten könnten. Israel müsste bunkerbrechende Raketen eingesetzen, um die Zentrifugen zu zerstören.
Zum Vergleich: Beim Angriff auf den Chef der libanesischen Terrororganisation Hisbollah, Hassan Nasrallah, im September vergangenen Jahres setzten die Israelis insgesamt rund 85 Tonnen Bomben ein, wie der „Spiegel“ berichtet. Der Bunker von Nasrallah lag demnach rund 50 Meter tief unter der Erde und war mit mehreren Metern Stahlbeton gesichert. Mindestens 16 bunkerbrechende und andere Bomben seien damals kurz hintereinander zum Einsatz gekommen.
2. Fordow
Auf der gegenüberliegenden Seite der Stadt Ghom südlich von Teheran befindet sich Fordow, eine in einen Berg gegrabene Anreicherungsanlage, die daher sehr viel besser vor möglichen Bombardierungen geschützt ist als die unterirdische Anlage in Natans. Das Atomabkommen von 2015 erlaubte dem Iran die Anreicherung in Fordow eigentlich nicht. Trotzdem sind dort nun rund 2000 Zentrifugen in Betrieb, die meisten von ihnen moderne IR-6-Maschinen. Bis zu 350 davon reichern Uran auf bis zu 60 Prozent an.
Welche Schäden das israelische Bombardement am Freitag dort ausgelöst hat, ist bisher unklar. Mittlerweile hat der Iran bestätigt, dass Fordow ebenfalls getroffen wurde. Es seien begrenzte Schäden entstanden, sagte ein Sprecher der staatlichen Atomenergiebehörde laut der halbamtlichen Nachrichtenagentur Isna.
Es habe Schäden in einigen Bereichen der Anlage zur Urananreicherung gegeben. Es sei bereits zuvor ein erheblicher Teil der Ausrüstung und Materialien ausgelagert worden. Es gebe keine umfangreichen Schäden und keine Bedenken wegen Kontaminationen.

© AFP/-
Die Anlage in Fordow liegt laut Medienberichten bis zu 800 Meter tief in einem Berg und war bisher nicht Ziel der israelischen Angriffe. Manche der Anlagen sollen sich aber auch nur in einer Tiefe von 100 Metern befinden.
Der Chef der IAEA, Rafael Grossi, beschreibt die Anlage in Fordow und die Schwierigkeit, sie zu zerstören in einem Interview mit der „Financial Times“ so: „Die nuklearen Fähigkeiten des Iran könnten nicht mit einem einzigen chirurgischen Schlag zerstört werden. Die empfindlichsten Dinge befinden sich eine halbe Meile unter der Erde – ich war schon viele Male dort. Um dorthin zu gelangen, muss man einen spiralförmigen Tunnel tiefer, tiefer und tiefer nehmen.“
Laut Experteneinschätzungen ist Israel aber mit den Waffen, über die es verfügt, nicht in der Lage, ein Ziel so tief im Berg zu zerstören. Das wäre nur mit US-Hilfe möglich.
Nur die USA verfügen über Bomben des Typs GBU-57, eine knapp 13 Tonnen schwere Riesenbombe, die sich in die Erde bohren kann und auch dickste Betonschichten durchdringt. Die neuesten Modelle sollen in der Lage sein, Schwachstellen in der Erde wie Räume und Gänge zu lokalisieren, um die Sprengwirkung zu erhöhen.

© IMAGO/ZUMA Wire/IMAGO/Tsgt. Hailey Haux/Planetpix
Aber selbst von diesen Großbomben würden mehrere benötigt, um die Zentrifugen in Fordow zu erreichen, schätzen Experten. Abgeworfen werden können sie auch nur von US-Bombern des Typs B-2.
Israel verfügt nur über kleinere GBU-Bomben, die nur ein Sechstel der Durchschlagskraft der großen Schwester haben, aber immerhin noch sechs Meter dicke Betonschichten durchdringen können.
Welche Nuklearanlagen der Iran sonst noch betreibt:
Der Iran verfügt am Stadtrand von Isfahan, seiner zweitgrößten Stadt, über ein großes Zentrum für Nukleartechnologie. Es umfasst eine Anlage zur Herstellung von Brennelementen und eine Uranumwandlungsanlage, in der Uran zu Uranhexafluorid verarbeitet werden kann, das in Zentrifugen eingespeist wird.
Die IAEA erklärte außerdem, in Isfahan gebe es Maschinen zur Herstellung von Zentrifugenteilen und bezeichnete es im Jahr 2022 als „neuen Standort“.
All diese Anlagen nahm Israel am Freitagabend ins Visier. Nach eigenen Angaben will das Militär sie zerstört haben. Bei dem Angriff israelischer Kampfjets sei „eine Anlage zur Herstellung von metallischem Uran, Infrastruktur zur Umwandlung angereicherten Urans, Labore und weitere Infrastruktur zerstört worden“, hieß es.
Der vielleicht wichtigste Teil der Anlage in Isfahan blieb aber bisher von den israelischen Angriffen verschont: Diplomaten zufolge lagert der Iran in Isfahan auch eine größere Menge hochangereichertes Uran. Das könnte vergleichsweise schnell – einige Tage bis zu einigen Wochen würde es wohl dauern – für Atomwaffen weiterverarbeitet werden. Dafür müsste der Brennstoff aber in den Zentrifugen von Natans oder Fordow weiter angereichert werden. Warum Israel dieses Lager bisher verschont hat, ist unklar. Vielleicht, um eine radioaktive Verseuchung der Umgebung zu vermeiden.
Der Iran verfügt außerdem über einen teilweise fertiggestellten Schwerwasser-Forschungsreaktor, der ursprünglich Arak hieß und heute Chondab genannt wird. Schwerwasserreaktoren bergen ein Risiko für die Verbreitung von Atomwaffen, da sie leicht Plutonium produzieren können, das wie angereichertes Uran zum Bau des Kerns einer Atombombe verwendet werden kann.

© Majid Asgaripour/dpa
Im Rahmen des Abkommens von 2015 wurde der Bau gestoppt, der Reaktorkern entfernt und mit Beton verfüllt, um ihn unbrauchbar zu machen. Der Reaktor sollte umgestaltet werden, „um die Plutoniumproduktion zu minimieren und im Normalbetrieb kein waffentaugliches Plutonium herzustellen“. Der Iran hat der IAEA mitgeteilt, dass er plant, den Reaktor 2026 in Betrieb zu nehmen.
Ein weiterer Forschungsreaktor gehört zu den iranischen Atomforschungsanlagen in der Hauptstadt Teheran. Buschehr ist das einzige noch in Betrieb befindliche Atomkraftwerk des Landes und liegt an der Küste des Persischen Golfes. Dort wird russischer Brennstoff verwendet, den Russland nach Verbrauch zurücknimmt. Dadurch wird das Risiko der Verbreitung von Atomwaffen verringert. Auch das Atomkraftwerk war bisher nicht Ziel der israelischen Angriffe. (mit Reuters)
Hinweis: Dieser Artikel wurde am Samstag den 14. Juni umfassend aktualisiert.
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