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Dreieinhalb Stunden TV-Auftritt von Macron: Ein Präsident inszeniert seine Machtlosigkeit
Emmanuel Macron wollte den politischen Stillstand im Land durchbrechen. Doch ohne Regierungsmehrheit kann auch ihm das nicht gelingen. Was sollte dann die Show?

Stand:
Physische Kondition hat er. Der 47-jährige französische Präsident Emmanuel Macron hat sich am Dienstagabend dreieinhalb Stunden zu bester Fernsehzeit von Journalisten und Vertretern der Zivilgesellschaft befragen lassen. Damit hat er beim staatlichen Sender TF1 um eine gute Stunde überzogen.
Aber wozu? Selbst wer bis 23.30 Uhr durchgehalten hat, blieb ratlos zurück. Im Vorfeld hieß es, der Präsident werde mehrere Volksabstimmungen ankündigen, um wieder Schwung in die Innenpolitik zu bringen, die angesichts der in drei etwa gleich große Blöcke aufgeteilten Nationalversammlung blockiert ist.
Hat er jedoch nicht. Macron erklärte nur, welche Referenden es auf keinen Fall geben wird: über die umstrittene Rentenreform und zur Migration.
Der TV-Auftritt sollte die Rückkehr des Präsidenten auf die innenpolitische Bühne sein. Seit seinem strategischen Fehler, 2024 vorgezogene Neuwahlen auszurufen, war er wenig sichtbar gewesen.
Es ist nicht der Präsident der Republik, der alle Themen regelt, glücklicherweise, in einem Rechtsstaat.
Emmanuel Macron über seine Befugnisse
Doch die mit großem Aufwand betriebene Inszenierung vor den Kameras offenbarte nur die innenpolitische Machtlosigkeit eines Mannes ohne Regierungsmehrheit. „Es ist nicht der Präsident der Republik, der alle Themen regelt, glücklicherweise, in einem Rechtsstaat“, sah sich Macron gezwungen zu erklären.
Genau. Aber selbst die Außenpolitik, eine der Domänen des Präsidenten, braucht innenpolitische Flankierung. Macron mag Europa derzeit anführen auf seinem Weg zu größerer Souveränität; wenn die französische Regierung wahrscheinlich spätestens über den nächsten Haushalt stürzen wird, gibt es allerdings kein Geld für die vom Staatschef propagierte Aufrüstung: Es fehlen 40 Milliarden Euro.

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Zur Politik der israelischen Regierung fand der Präsident wohltuend klare Worte: Die seit zweieinhalb Monaten andauernde Weigerung, Lebensmittel in den Gazastreifen zu lassen, nannte er „inakzeptabel“ und eine „Schande“.
Zugleich musste Macron auch hier Machtlosigkeit zugeben, allerdings aus anderen Gründen: Nur US-Präsident Donald Trump könne wirklich Einfluss auf die Netanjahu-Regierung nehmen, weil Israel von amerikanischen Waffen abhängig sei, nicht von europäischen.
Bunter Blumenstrauß fürs Volk
Ansonsten boten TF1 und Macron den Zuschauern einen kunterbunten Reigen unterschiedlichster Themen: Kopftuch beim Sport, Sterbehilfegesetz (hier könnte er sich ein Referendum vorstellen, wenn das Parlament zu keiner Einigung käme), mögliche Erhöhung der Mehrwertsteuer, Einschränkung der Handynutzung für Jugendliche.

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Macron kann zu jedem Thema etwas sagen. Doch mehr als die Ansichten einer interessanten Person der Zeitgeschichte sind dabei nicht herausgekommen.
Denn Macron konnte immer wieder nur erklären, er werde „die Regierung bitten“ – weil sie für dieses innenpolitische Kleinklein zuständig ist. Was sich der Kommunikations-Profi Macron von diesem Auftritt erhofft hat, bleibt sein Geheimnis. Aufwendiger konnte er die eigene Machtlosigkeit kaum inszenieren.
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