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Oberbefehlshaber Oleksandr Syrskyj (rechts), hier im November 2023 mit Präsident Wolodymyr Selenskyj, ist besorgt.

© Imago/Zuma Wire/Ukrainian Presidential Press Service

Update

Eine der „stärksten Offensiven“ Russlands: Ukrainischer Armeechef sieht Kiews Truppen massiv unter Druck

Generaloberst Syrskyj bezeichnet die Lage an der Front als schwierig. Auch wegen des wohl bevorstehenden Einsatzes nordkoreanischer Soldaten pocht Präsident Selenskyj auf weitreichende Waffen.

Stand:

Die Nachrichten von der Front machen den Ukrainern derzeit wenig Hoffnung: Die Einheiten Kiews stehen im Kampf gegen die Invasionstruppen des russischen Machthabers Wladimir Putin an vielen Abschnitten massiv unter Druck.

Der Oberbefehlshaber der Armee, Generaloberst Oleksandr Syrskyj (oben rechts mit Präsident Wolodymyr Selenskyj), sagte nun am Samstag, die ukrainischen Truppen kämpften aktuell gegen eine der „stärksten Offensiven“ Russlands seit Beginn des Krieges Ende Februar 2022. Dies berichtet das Portal „Kyiv Independent“.

Wir können alle Orte sehen, wo sich diese nordkoreanischen Soldaten aufhalten, jedes Lager.

Wolodymyr Selenskyj, Staatschef der Ukraine

Syrskyj informierte in seinem Telegram-Kanal auch über ein Gespräch mit dem US-Generalstabschef Charles Brown, mit dem er die nächsten Schritte der Militärhilfe besprochen habe. Details nannte er nicht. „Der Feind greift immer wieder an mehreren Frontabschnitten an, nutzt die Luftüberlegenheit und die weitreichende Feuerkraft und verfügt über einen erheblichen Vorteil beim Artilleriebeschuss“, so Syrskyj. Die ukrainischen Streitkräfte müssten dringend so ausgestattet werden, dass sie weiter Angriffe abwehren könnten.

Schon das gesamte Jahr 2024 ist die Ukraine militärisch enorm gefordert, insbesondere im Gebiet Donezk im Osten des Landes, wo Putin die Truppen immer weiter verstärkt hat. Nach einem Treffen mit einer Delegation der tschechischen Streitkräfte bezeichnete Syrskyi die Lage als schwierig. „Aktive Feindseligkeiten, die in bestimmten Gebieten andauern, erfordern eine ständige Erneuerung der Ressourcen der ukrainischen Einheiten“, sagte er.

Russlands Truppen rücken auf Bergbaustadt Pokrowsk vor

Allein seit Mitternacht habe es bereits mehr als 120 Kämpfe zwischen ukrainischen und russischen Truppen entlang der Frontlinie gegeben, teilte der ukrainische Generalstab dem Bericht zufolge in seinem Update am Vormittag des 2. November mit. Die russische Armee meldete am Samstag ihrerseits, dass sie zwei weitere Dörfer im Osten der Ukraine erobert habe. Eines davon liege in der Region Donezk und das andere in der Region Charkiw, teilte das Verteidigungsministerium in Moskau mit.

Am Sonntag hieß es dann aus Moskau, die russische Armee habe „die Siedlung Wischnewe im Anschluss an Offensivmaßnahmen befreit“. Wischnewe liegt etwa 20 Kilometer südlich der früheren Bergbaustadt Pokrowsk. Dies ist ein wichtiger Knotenpunkt für die ukrainische Militärlogistik.

Die Eroberung Pokrowsks, das mehrere ukrainische Stellungen im Donbass miteinander verbindet, ist eines der Hauptziele Russlands in der Region. In der Stadt befindet sich zudem eine große Kohlemine, die große Bedeutung für die Stahlproduktion für das ukrainische Militär hat, wie Agentur AFP schreibt. Russische Soldaten sind bis auf wenige Kilometer auf die Stadt vorgerückt.

Über den gesamten Oktober eroberte die russische Armee nach Analysen des US-Instituts für Kriegsstudien (ISW) ein Gebiet von 478 Quadratkilometern in der Ukraine. Es sind die größten Geländegewinne Russlands in der Ukraine seit März 2022.

Die Berichte auch über den Rückzug von ukrainischen Truppen an mehreren Frontabschnitten kommen zu einem Zeitpunkt, da es immer wahrscheinlicher wird, dass Russland Einheiten aus Nordkorea einsetzen wird. 

Selenskyj macht auch Deutschland Vorwürfe

Die US-Regierung geht Außenminister Antony Blinken zufolge davon aus, dass Nordkoreas Diktator 10.000 Soldaten nach Russland geschickt hat. 8000 von ihnen sind demnach bereits in die russische Region Kursk an der Grenze zur Ukraine verlegt worden und werden dort auf ihren Kampfeinsatz gegen die Ukraine vorbereitet. 

Selenskyj beklagte der Agentur dpa zufolge in seiner abendlichen Videoansprache fehlende Waffen, um die an die Front heranrückenden nordkoreanischen Soldaten in den Diensten der russischen Arme zu bekämpfen. „Wir können alle Orte sehen, wo sich diese nordkoreanischen Soldaten aufhalten, jedes Lager“, so der Staatschef.

„Wir könnten vorab zuschlagen, wenn wir denn die Möglichkeit und Reichweite (der Waffen) hätten“, sagte Selenskyj weiter. Doch dies wiederum hänge von den Partnern der Ukraine ab. Diese haben Kiew auch nach monatelangen Bitten nicht die Erlaubnis zum Einsatz weitreichender Waffen zu Angriffen gegen militärische Ziele auf russischem Staatsgebiet erteilt.

„Statt uns die entscheidende Reichweiten-Fähigkeit zu geben, schauen die USA, Großbritannien und Deutschland nur zu“, klagte Selenskyj. „Alle warten, während nordkoreanische Einheiten sich darauf vorbereiten, Ukrainer anzugreifen.“ Selenskyj forderte die Unterstützer auf, einzugreifen. „Wer in der Welt wirklich verhindern will, dass sich dieser Krieg zwischen Russland und der Ukraine ausweitet und von Europa auf andere Regionen der Welt übergreift, darf nicht nur zuschauen.“

Putin hat die Anwesenheit nordkoreanischer Soldaten im eigenen Land nicht bestritten und verwies darauf, dass auch die Ukraine auf Personal aus Nato-Staaten zurückgreife. Das international isolierte Nordkorea liefert unter der Führung Kims bereits seit längerem Raketen und Artilleriegeschosse an Russland.

Nordkoreas Außenministerin Choe Son Hui hatte Russland am Freitag in Moskau die Hilfe Pjöngjangs bis zur Entscheidung im Krieg gegen die Ukraine zugesichert.

„Noch einmal versprechen wir, dass wir bis zum Tag des Sieges stets fest an der Seite unserer russischen Kameraden stehen werden“, sagte Choe bei einem Treffen mit ihrem russischen Kollegen Sergej Lawrow in Moskau. Lawrow hob dabei die enge Kooperation der Militärs und Sicherheitsorgane der beiden Länder hervor.

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