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Eine Frau weint, als sie sich mit anderen zu einer Schweigeminute anlässlich des ersten Jahrestages des katastrophalen Erdbebens in der südtürkischen Stadt Antakya versammelt.

© dpa/Metin Yoksu

Harte Kritik an Erdogan: Buhrufe gegen Regierung zum Jahrestag der Erdbeben in der Türkei

In der größtenteils zerstörten Stadt Antakya kamen am Dienstagmorgen Tausende Menschen zusammen. Den Regierungen des Landes und der Region wurde vorgeworfen, die Betroffenen im Stich zu lassen.

Begleitet von lauter Regierungskritik haben sich in der Türkei die verheerenden Erdbeben gejährt. Im Zentrum der weitgehend zerstörten Stadt Antakya versammelten sich am Dienstagmorgen Tausende Menschen zum gemeinsamen Gedenken, buhten die Regierung des Landes aus und bezeichneten sie teilweise als „Mörder“.

Immer wieder wurde in Sprechchören auch der Rücktritt des Provinzbürgermeisters Lütfü Savas gefordert.

Kritik auch an Erdogans AKP

Der Regierung unter Führung der islamisch-konservativen AKP wird vorgeworfen, zu spät Retter und Hilfe in die betroffene Region im Südosten des Landes geschickt zu haben und nun auch den Wiederaufbau in der Provinz Hatay und ihrer Hauptstadt Antakya nur zögerlich voranzutreiben.

Eine Teilnehmerin der Kundgebung sagte der Deutschen Presse-Agentur, die Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdogan ignoriere das Leid der Menschen in Hatay.

Menschen aus dem ganzen Land waren zum Jahrestag in die Region gereist, wie etwa der 43-jährige Ali. Mehrere seiner Verwandten seien in einem Wohnhaus im Zentrum Antakyas ums Leben gekommen.

Zum Jahrestag sei er darum aus Istanbul angereist. Präsident Erdogan hatte versprochen, den schnellen Wiederaufbau in der Region voranzutreiben. Doch die Menschen vor Ort leiden noch immer stark unter den Folgen des Bebens. Sie klagen über fehlende Hilfen wie Lebensmittel- oder Kleiderspenden. In einem Containerdorf in Karacay erzählen die Bewohner, sie seien abhängig von der Unterstützung internationaler Hilfsorganisationen. Auch die Wasserversorgung breche immer wieder ab, berichten Menschen aus der Kleinstadt Kirikhan.

Auch Savas, der der auf Landesebene größten Oppositionspartei CHP angehört, wird Nachlässigkeit vorgeworfen.

„Hört jemand unsere Stimmen?“

Die Schweigeminute um 4:17 Uhr Ortszeit wurde von Rufen wie „Hört jemand unsere Stimmen?“ unterbrochen. Diesen Satz riefen auch die Retter, als sie vor einem Jahr tagelang in den Trümmern nach Verschütteten suchten. Heute drückt er aus, dass sich viele Menschen in der Region mit den Folgen der Katastrophe alleingelassen fühlen.

Auf den Ruinen zerstörter Gebäude zündeten Menschen Kerzen in Erinnerung an die dort Getöteten an und warfen rote Nelken von einer Brücke in den Fluss Asi, der durch die Stadt fließt.

Andere forderten auf Schildern, dass die Verantwortlichen in Verwaltung und Politik vor Gericht gestellt werden müssten. Die juristische Aufarbeitung der Gründe für die Zehntausenden Toten durch Hunderttausende eingestürzte Gebäude wird immer wieder kritisiert.

Vor der Katastrophe abgegebene Prognosen hatten für den Fall eines solchen Szenarios etwa 15.000 Opfer erwartet. Laut Regierung starben 53.000. Die Türkische Ärztevereinigung geht von mindestens doppelt so vielen Toten aus.

Am 6. Februar hatte am frühen Morgen ein Beben der Stärke 7,7 den Südosten der Türkei getroffen, ein weiteres Beben der Stärke 7,6 folgte am Nachmittag desselben Tages. Die Erdbeben haben auch Syrien betroffen. Genaue Angaben zu den Opfern aus dem vom Bürgerkrieg gezeichneten Land sind schwer zu ermitteln. Unbestätigten Informationen zufolge könnten dort mehr als 6000 Menschen gestorben sein. (dpa)

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