
© dpa/AP/Alex Brandon
Erstmals Ex-US-Präsident auf Bundesebene angeklagt: Wie ernst wird es für Donald Trump?
Der ehemalige US-Präsident muss sich wegen der illegalen Lagerung von Geheimdokumenten vor Gericht verantworten. Was die neue Anklage gegen Trump bedeutet.
Stand:
Der frühere US-Präsident Donald Trump ist nach eigenen Angaben wegen seines Umgangs mit Geheimdienstdokumenten angeklagt worden. „Die korrupte Biden-Regierung hat meine Anwälte informiert, dass ich angeklagt wurde, scheinbar wegen der falschen Geheimdokumentenaffäre“, erklärte Trump auf seiner Online-Plattform „Truth Social”.
Trump, der bei der Präsidentschaftswahl im kommenden Jahr erneut antreten will, erklärte weiter, er sei für Dienstag von einem Gericht in Miami vorgeladen worden. „Ich hätte es nie für möglich gehalten, dass so etwas einem ehemaligen Präsidenten der Vereinigten Staaten passieren könnte“, schrieb der 76-Jährige. Er sei unschuldig. Doch welche Dimensionen kann dieser Fall noch erreichen? Ein Überblick.
Wie sicher ist es, dass Anklage erhoben wird?
US-Medien bestätigten, dass der von Justizminister Merrick Garland im November 2022 eingesetzte Sonderermittler Jack Smith Anklage erhoben habe. Der Sender CNN berichtete, es gehe um sieben Anklagepunkte. Eine offizielle Bestätigung durch das Justizministerium lag am Donnerstagabend (Ortszeit) aber noch nicht vor.
Empfohlener redaktioneller Inhalt
An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.
Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.
Trumps Anwalt Jim Trusty sagte CNN: „Wir haben noch keine Anklageschrift erhalten.“ Stattdessen hätten Trump und sein Team eine Vorladung bekommen, die Formulierungen enthalte, die auf mögliche Anklagepunkte hindeuteten.
„Die Vorladung entspricht nicht genau einer Anklageschrift, aber sie enthält einige Formulierungen, die darauf hindeuten, wie die sieben Anklagepunkte lauten“, sagte Trusty.
Empfohlener redaktioneller Inhalt
An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.
Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.
Das Schreiben sei eine Art Zusammenfassung, die Anklagepunkte seien nicht einzeln aufgelistet, sagte Trusty weiter. Daher sei er sich nicht zu hundert Prozent sicher, auf welche Punkte es genau hinauslaufen werde.
Worum geht es genau in dem Fall?
Die Bundespolizei FBI hatte im vergangenen August bei einer Razzia in Trumps Privatanwesen Mar-a-Lago im Bundesstaat Florida rund 11.000 Dokumente beschlagnahmt, darunter viele mit Geheimhaltungsstufen. Die Unterlagen hatte Trump zum Ende seiner Amtszeit im Januar 2021 aus dem Weißen Haus nach Mar-a-Lago mitgenommen.

© AFP/Giorgio Viera
Durch die Aufbewahrung der Unterlagen lange nach seinem Abschied aus dem Amt in seinem Privathaus könnte er sich strafbar gemacht haben. Das Nationalarchiv versuchte monatelang, von Trump Papiere aus dessen Amtszeit zu bekommen.
Zwar hatten Trumps Anwälte schließlich Dokumente übergeben – aber längst nicht alle, wie sich bei der FBI-Durchsuchung seines Anwesens herausstellte.
Was untersucht Sonderermittler Smith genau?
Sonderermittler Jack Smith kümmert sich zum einen um die Untersuchungen im Zusammenhang mit der widerrechtlichen Aufbewahrung geheimer Regierungsdokumente.
Zum anderen befasst er sich mit Trumps Rolle bei dem Sturm auf das US-Kapitol am 6. Januar 2021 und den Bemühungen Trumps, den Ausgang der Präsidentenwahl 2020 zu beeinflussen. Die beiden Fälle sind unabhängig voneinander.
Warum wird Trump jetzt in Miami angeklagt?
Erst vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass Smith Teile seiner Ermittlungen nach Florida verlegt und neben einer Grand Jury in Washington DC auch eine in Miami einberufen hat. Das könnte laut dem ehemaligen Bundesanwalt Renato Mariotti darauf hindeuten, dass die Staatsanwälte entweder erwägen, alle Anklagen in Florida zu erheben oder sich für doppelte Anklagen entscheiden. Die Sache sei kompliziert.
Nach der US-Verfassung müssten Verbrechen dort angeklagt werden, wo sie begangen wurden, erklärt Mariotti dem Tagesspiegel. „Wenn also jemand in Chicago eine Bank ausraubt, ist der Northern District of Illinois für die Anklage zuständig. Das ist einfach, weil Bankraub ein sehr klares Verbrechen ist, das an einem Ort und zu einer bestimmten Zeit stattfindet.“
Aber es gebe andere Straftaten, bei denen es komplizierter werden könnte. Zum Beispiel wie im aktuellen Fall bei einer Verschwörung zur Behinderung der Justiz. „An dieser Verschwörung könnten Personen in Washington DC, in New York oder anderswo beteiligt gewesen sein, ebenso wie der ehemalige Präsident in Mar-a-Lago”, sagt Mariotti.
Wenn der Angeklagte nicht Donald Trump wäre, müsste er ganz sicher von einer langen Haftstrafe ausgehen.
Renato Mariotti, Rechtsanwalt und ehemaliger US-Bundesanwalt
Das Verbrechen des vorsätzlichen Zurückhaltens von geheimen Informationen der nationalen Verteidigung wiederum wäre dagegen eindeutig in Florida begangen worden. „Es war ja nicht so, dass Trump noch als Präsident im Weißen Haus in Washington unrechtmäßig Informationen in seinem Besitz hatte.”
Die Staatsanwälte könnten es zwar vorziehen, den Fall in Washington DC anzuklagen, weil die dortigen Richter sich mit der komplexen Situation von Verschlusssachen deutlich besser auskennen würden als ein Richter in Florida. Auch seien Richter und Geschworene in DC den Staatsanwälten in der Regel wohlgesonnener. „Aber einen Teil der Verbrechen können sie nur in Florida anklagen“, so Mariotti.
Was droht Trump?
Anwalt Trusty sagte, er gehe davon aus, dass Trump unter anderem wegen des Sammelns, Übermittelns oder Verlierens von Verteidigungsinformationen angeklagt werden dürfte. Dieser Punkt fällt unter das US-Spionagegesetz und kann mit bis zu zehn Jahren Haft bestraft werden. Weitere Formulierungen deuteten auf Anklagepunkte im Zusammenhang mit Behinderung der Justiz und Falschaussage hin.
Mariotti verweist auf vergleichbare Fälle. Es gebe Rüstungsunternehmer, die Dokumente zu Hause aufbewahrt hätten, nachdem sie ihre Arbeit beendet hatten. „Diese Leute wurden zu hohen Gefängnisstrafen von mehreren Jahren verurteilt”, sagt Mariotti.
Der Rechtsexperte gibt aber auch zu bedenken, dass dieser Fall politisch kompliziert sei. Immerhin handelt es sich um einen ehemaligen Präsidenten. „Es ist möglich, dass ein Richter Trump wohlwollend betrachtet oder in Betracht zieht, wie die Öffentlichkeit die Strafe sehen wird, und es ihm daher leichter macht. Wenn der Angeklagte nicht Donald Trump wäre, müsste er ganz sicher von einer langen Haftstrafe ausgehen.”
Welche weiteren Verfahren laufen gegen den Ex-Präsidenten?
Trump ist bereits der erste Ex-Präsident in der amerikanischen Geschichte, gegen den eine Anklage erhoben wurde. Im März klagte ihn die Staatsanwaltschaft Manhattan wegen einer Schweigegeldzahlung an die Pornodarstellerin Stormy Daniels vor der Präsidentenwahl 2016 an. Die Verhandlung soll Anfang nächsten Jahres beginnen – und zwar genau im Vorwahlkampf.
Die jetzige Anklage ist aber die erste auf Bundesebene. Im Bundesstaat Georgia ermittelt die Staatsanwaltschaft zudem gegen Trump wegen möglicher Wahlmanipulation. Auch hier könnte es bald zu einer Anklage kommen.
In einem anderen Fall wurde Trump schon belangt – zumindest indirekt. Sein Immobilienkonzern wurde in New York unter anderem wegen Steuerbetrugs zu einer Geldstrafe verurteilt. Der Ex-Präsident war dabei aber nicht persönlich angeklagt.
Welcher Fall könnte Trump am gefährlichsten werden?
Für Mariotti ist das eindeutig der Mar-a-Lago-Fall. Die Anklage in Manhattan nehme er nicht sehr ernst, sagt er. „Selbst wenn er dort verurteilt würde, würde er wohl keine Gefängnisstrafe erhalten.” Der Rechtsexperte geht zwar davon aus, dass auch in Georgia Anklage erhoben wird. „Aber das ist ein schwieriger Fall für die Staatsanwaltschaft.”
Die Affäre um die Geheimdokumente hält er aus zweierlei Gründen für gefährlich: „Erstens sind die Beweise sehr stichhaltig, und den Geschworenen kann man den Fall leicht erklären. Zweitens handelt es sich um ein sehr schweres Verbrechen, das mit hohen Strafen geahndet wird.”
Wie sehr belasten die Anklagen den Wahlkämpfer Trump?
Nach der Anklage in New York sind Trumps Beliebtheitswerte in Umfragen gestiegen. Er selbst nutzt den Vorwurf, die Demokraten würden die Justiz dazu missbrauchen, ihn aus dem Rennen zu nehmen, für seinen Wahlkampf. Er putscht seine Anhänger gegen das angeblich korrupte FBI auf.
Seine innerparteilichen Konkurrenten um die Präsidentschaftskandidatur bringt das alles in eine schwierige Lage: Sie sehen sich offenbar genötigt, ihn zu verteidigen. Selbst sein ehemaliger Vizepräsident Mike Pence, der seit dem Sturm auf das Kapitol auf Distanz zu Trump geht, erklärte bei einem CNN-„Town Hall” am Mittwochabend, dass es falsch wäre, Trump anzuklagen.
Die anderen Wettbewerber kritisieren ebenfalls lieber das FBI und den amtierenden Präsidenten Joe Biden als Trump. Trumps größter Konkurrent, Gouverneur Ron DeSantis aus Florida, warf Biden den „Einsatz bundesstaatlicher Strafverfolgungsbehörden als Waffe“ vor. „Wir erleben seit Jahren eine ungleiche Anwendung des Gesetzes je nach politischer Zugehörigkeit“, schrieb DeSantis.
Der republikanische Sprecher des Repräsentantenhauses, Kevin McCarthy, sprach am späten Donnerstagabend von Machtmissbrauch und einem „schwarzen Tag für die Vereinigten Staaten”. Es sei gewissenlos, dass ein Präsident den führenden Kandidaten der anderen Partei anklage, schrieb er auf Twitter.
Präsident Biden hatte Unterstellungen, er übe Druck auf die Ermittler aus, zuvor bei einer gemeinsamen Pressekonferenz im Weißen Haus mit dem britischen Premierminister Rishi Sunak entschieden zurückgewiesen.
Auch bei Biden und Trumps ehemaligen Vizepräsidenten Mike Pence wurden Dokumente im Privatbesitz gefunden. Was passiert hier?
Bei Pence, der vollumfänglich mit den Behörden kooperiert hatte, wurden die Ermittlungen vor wenigen Tagen eingestellt. Beim Präsidenten laufen sie dagegen noch. Bidens Dokumente stammen aus der Zeit als Vizepräsident unter Barack Obama und wurden sowohl in seinem ehemaligen Büro in Washington als auch in seinem Haus in Wilmington im Bundesstaat Delaware gefunden.
Bei dem 80-Jährigen wurden deutlich weniger Dokumente gefunden. Auch wehrte er sich, anders als Trump, nicht dagegen, die Unterlagen zurückzugeben. Seine Anwälte hatten das Justizministerium von sich aus kontaktiert, nachdem Dokumente in dem Büro entdeckt worden waren, die das nichts zu suchen hatten.
Dennoch ermittelt auch im Fall Biden seit Januar ein unabhängiger Sonderermittler – allein schon, um den Vorwurf der Parteilichkeit zu entkräften. Solange er im Amt ist, besitzt Biden Immunität.
Würde der Sonderermittler allerdings ausreichend Beweise für eine Anklage sehen, wäre das eine schwere Belastung für den Demokraten, der 2024 für eine zweite Amtszeit kandidiert. Die Republikaner versuchen ohnehin, den Fall Biden mit dem von Trump gleichzusetzen.
Der Präsident hat sich nach US-Medienangaben bereiterklärt, die Fragen des Sonderermittlers Robert Hur zu beantworten, wenn sich das Weiße Haus und das Justizministerium auf die Bedingungen dafür geeinigt hätten. Zu solch einem Interview sei es aber noch nicht gekommen. Das spreche dafür, dass sich diese Ermittlungen noch nicht ihrem Ende näherten, heißt es bei NBC News unter Berufung auf das Umfeld des Präsidenten.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: