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Polizisten arbeiten nach der Tötung von Zivilisten in Butscha an der Identifizierung der Leichen.

© Foto: dpa/AP/Rodrigo Abd

„Es gibt Wahnsinnige, die Spaß am Töten haben“: Ein russischer Deserteur spricht über das „Massaker von Butscha“

Eine russische Militäreinheit soll in der ukrainischen Stadt Kriegsverbrechen begangen haben. Bis heute leugnet Russland die toten Zivilisten.

Die Stadt Butscha, im Norden der Ukraine und Vorort der Hauptstadt Kiew, wurde im Frühjahr dieses Jahres zum Schauplatz für Massentötung und Folter ukrainischer Zivilistinnen und Zivilisten. Russische Soldaten sollen über 400 Menschen getötet haben. Die Bilder von den Leichen auf den Straßen gingen nach der Befreiung der Kleinstadt um die Welt.

Dafür verantwortlich soll die 64. Brigade der russischen Armee „Garde-Mot-Schützenbrigade“ sein, die dem Oberstleutnant Omurbekow Asanbekowitsch untersteht, auch „Schlächter von Butscha“ genannt.

Putin bezeichnete Massaker als „kühne Taten“

Russland bestreitet die Verantwortung für die Kriegsverbrechen und gibt an, dass sich die russische Armee bereits einige Tage vor dem Massaker aus Butscha zurückgezogen habe.

Kurz nach dem Abzug der Truppen aus Butscha zeichnete Putin die Einheit demonstrativ mit dem Garde-Status aus, ein militärischer Ehrentitel. Er sprach von Heldentaten. Über die Bilder toter Zivilistinnen und Zivilisten kam aus dem Kreml mehrfach die Behauptung, dass sie gefälscht seien.

„Alle dachten, sie könnten wie Rambo sein“

Nikita Chibrin hält dagegen. Der ehemalige Soldat der 64. Brigade hat nun dem TV-Sender CNN berichtet, was in Butscha geschehen ist. „Ich habe keine Morde gesehen, aber ich habe Männer gesehen, die weggelaufen sind und (von ranghöheren Mitgliedern der Einheit) gejagt wurden, weil sie Vergewaltigungen begangen haben“, sagt er. Die Vergewaltiger seien nie inhaftiert worden, „nur gefeuert.“

Chibrin Dkommt aus der russischen Stadt Jakutsk. Im September desertierte er aus dem russischen Militär und floh über Weißrussland und Kasachstan nach Europa. Über die Einstellung der Soldaten kurz nachdem der russische Angriffskrieg begann, sagt er: „Alle dachten, sie könnten Rambo spielen.“

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Sie sollen gesagt haben, dass sie Ukrainer ganz einfach erschießen könnten, dass es ein Kinderspiel sei. Im Kampf wich die anfängliche Kriegseuphorie der Ernüchterung. „Von der Front kamen sie gebrochen zurück, sie sagten: Wir wollen keinen Krieg.“

Die Männer seiner Einheit seien extrem schlecht auf den Krieg vorbereitet gewesen, sagt Chibrin. „Die Ausbildung bestand darin, dass die Kommandeure ihnen eine Waffe, ein Ziel und 5.000 Kugeln gaben.“ 

Wenn jemand ein Telefon hatte, durften wir ihn erschießen.

Nikita Chibrin, russischer Deserteur

Er selbst habe keine Kriegsverbrechen begangen, sei aber bereit, vor dem internationalen Strafgerichtshof gegen seine Einheit auszusagen. Auch sei er nicht Zeuge der Massentötungen gewesen, derer die Einheit beschuldigt wird. Aber er war Zeuge der vielen Verbrechen gegen ukrainische Zivilisten, sagt er.

„Die Einheit hatte den direkten Befehl, jeden zu ermorden, der Informationen über die Positionen der Einheit weitergab.“ Ob Militär oder Zivilist - das sei egal gewesen. „Wenn jemand ein Telefon hatte, durften wir ihn erschießen“, sagt Chibrin. 

Nach dem Abzug der russischen Truppen aus Butscha und der Region blieb Chaos zurück.
Nach dem Abzug der russischen Truppen aus Butscha und der Region blieb Chaos zurück.

© Foto: IMAGO/xcitepress

Nikita Chibrin selbst hat keine Zweifel daran, dass einige der Männer in der Einheit fähig waren, auch unbewaffnete Zivilistinnen und Zivilisten zu töten. „Es gibt Wahnsinnige, denen es Spaß macht, einen Menschen zu töten“ und solche seien auch in der Einheit „aufgetaucht“. 

Sie dachten, sie würden in die Ukraine kommen und mit Blumen empfangen werden. Aber sie wurden zum Teufel gejagt und mit Molotowcocktails beworfen.“

Nikita Chibrin, russischer Deserteur

Neben Ermordungen und Vergewaltigungen sei in seiner Einheit auch das Plündern gängig gewesen. Viele von ihnen, sagt Chibrin, hätten Fahrzeuge von Zivilistinnen und Zivilisten mitgenommen, um sie in Weißrussland zu verkaufen. „Die Mentalität ist: Wenn du etwas stiehlst, bist du gut. Wenn dich niemand erwischt, gut! Wenn du etwas Teures siehst und es stiehlst und nicht erwischt wirst, bist du gut.“

Der Kriegsausgang ist für ihn klar: „Natürlich wird Russland verlieren. Denn die ganze Welt unterstützt die Ukraine. Zu glauben, dass sie gewinnen werden, ist dumm. Sie dachten, sie würden Kiew in drei Tagen besetzen. Welcher Tag des Krieges ist jetzt? Der 260.? Sie dachten, sie würden in die Ukraine kommen und mit Blumen empfangen werden. Aber sie wurden zum Teufel gejagt und mit Molotowcocktails beworfen.“

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