zum Hauptinhalt
Rauchschwaden nach einem israelischen Angriff in Gaza-Stadt, 10. Mai 2023.

© AFP/MAHMUD HAMS

Update

Eskalation in Nahost: Israel droht mit Tötung von Hamas-Führer

Nach gezielten Tötungen in Gaza fliegen Dutzende Raketen auf Israel. Noch ist unklar, ob die schlagkräftige Hamas sich einmischt. Wie die neue Gewaltspirale begann.

| Update:

Wenige Tage vor den Feiern zum 75. Jahrestag der Gründung des Staates Israel am Sonntag eskaliert die Gewalt zwischen militanten palästinensischen Organisationen und israelischer Armee. Israel warnt die Hamas vor einer Einmischung – und droht Konsequenzen an.

Nach der gezielten Tötung von drei hochrangigen Führern des Palästinensischen Islamischen Jihad (PIJ) in der Nacht zum Dienstag in Gaza, bei der Israelis Luftwaffe auch zehn Zivilisten tötete, wurden am Mittwochmittag Hunderte Raketen aus dem Gaza-Streifen auf Israel abgefeuert.

Im Großraum Tel Aviv heulten die Warnsirenen. Schulen im Grenzgebiet zum Gazastreifen blieben geschlossen. Bewohner wurden angewiesen, sich weiter nahe Schutzräumen aufzuhalten. Kurz zuvor hatte Israel am Mittwoch weitere Ziele in Gaza angegriffen. Dabei starben nach palästinensischen Angaben mindestens fünf Menschen.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Noch ist unklar, ob die weitaus größere und militärisch schlagkräftigere Hamas eingreifen wird. Ihr Sprecher, Hazem Qassem, sagte als Reaktion auf die gezielten Tötungen, Israel trage „die Verantwortung für die Auswirkungen dieser Eskalation“. Bei den letzten beiden Auseinandersetzungen zwischen PIJ und israelischer Armee hatte die islamistische Hamas sich zurückgehalten. Israel warnte Hamas vor einer Einmischung. Kabinettsmitglied Yisrael Katz sagte im Fernsehen, „falls Hamas Israel angreift, wird Yahya Sinwar (Hamas-Führer in Gaza, Anmerkung d. Redaktion) das nächste Ziel sein“.

Medien: Getötete Palästinenser wollten zu Gesprächen nach Kairo

Die nächtlichen israelischen Angriffe auf die Wohnhäuser in Gaza waren für Beobachter überraschend gekommen. Die drei getöteten Palästinenser, wollten nach Angaben palästinensischer Medien zu Gesprächen nach Ägypten reisen – Kairo vermittelt regelmäßig Waffenruhen zwischen Palästinenserorganisationen und Israel.

Da Israel über die Reisepläne über den Grenzübergang Refah informiert war, sind nach Angaben palästinensischer Medien die drei Männer davon ausgegangen, dass sie derzeit kein Ziel darstellen. Daher hätten sie die Nacht vor der Abreise bei ihren Familien in ihren Wohnungen verbracht.

40 israelische Kampfflugzeuge sollen an den Angriffen auf Gaza in der Nacht zum Dienstag beteiligt gewesen sein.
40 israelische Kampfflugzeuge sollen an den Angriffen auf Gaza in der Nacht zum Dienstag beteiligt gewesen sein.

© dpa/Mohammed Talatene

Israel erklärte, die Tötungen und weitere Angriffe auf Produktionsstätten von Raketen sowie „Infrastruktur zum Waffenabschuss“ seien notwendig gewesen, um drohende Angriffe zu verhindern. Israel reagierte damit auch auf den Beschuss mit Raketen und Mörsergranaten durch den PIJ eine Woche zuvor.

Tod nach 87 Tagen Hungerstreik

Dieser Beschuss wiederum war eine Reaktion auf den Tod Khader Adnans in israelischer Haft am 2. Mai. Der unter Palästinensern geachtete Vertreter des Islamischen Jihad in der Westbank war nach fast dreimonatigem Hungerstreik in seiner Zelle gestorben.

Der 45-Jährige hatte in seinem Leben insgesamt etwa acht Jahre zumeist ohne Anklage in israelischer „Verwaltungshaft“ verbracht und gegen dieses willkürlich genutzte Instrument mehrfach mit langen Hungerstreiks protestiert. Diesmal war er angeklagt worden - wegen Verbindung zu einer terroristischen Vereinigung.

Protest gegen israelische „Verwaltungshaft“

Sein Tod hat großes Aufsehen erregt, weil er seit 1992 der erste palästinensische Gefangene ist, der im Hungerstreik in israelischer Haft stirbt. Und weil sich Adnan vehement gegen das Instrument der „Verwaltungshaft“ eingesetzt hatte. Lina Qadem-Hassan, Vorsitzende von „Ärzte für Menschenrechte“ in Israel, hatte Adnan noch am 23. April besucht und vergeblich die Verlegung in ein ziviles Krankenhaus sowie ein Besuchsrecht für seine Familie gefordert.

1016
Palästinenser werden ohne Anklage festgehalten

Derzeit sitzen nach Angaben des Klubs palästinensischer Gefangener eine Rekordzahl von 1016 Palästinensern in der sogenannten „Verwaltungshaft“. Dabei werden keine Gründe für die Inhaftierung angegeben, die alle sechs Monate unbegrenzt verlängert werden kann, sodass Gefangene jahrelang ohne Anklage festgehalten werden.

Diese Präventivmaßnahme ist anwendbar, wenn „nachvollziehbare Gründe darauf schließen lassen, dass die regionale oder öffentliche Sicherheit es nötig machen, die Person festzuhalten“. Die routinemäßige und weitflächige Anwendung wird von Menschenrechtsorganisationen als Missbrauch und Verstoß gegen das Völkerrecht scharf kritisiert.

Mit den gezielten Tötungen hat Israel auch arabische Staaten, die gerade eine Normalisierung ihrer Beziehungen mit dem jüdischen Staat betreiben, brüskiert. Qatars Außenministerium hat die Angriffe als „eine neue Episode der furchtbaren Verbrechen der Besatzung“ verurteilt. (mit dpa)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false