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Der Anschlagsort bei Ankara.

© dpa/Mert Gokhan Koc

Tote und Verletzte: Das ist über den Anschlag auf eine türkische Rüstungsschmiede bekannt

In Ankara wird ein Rüstungshersteller angegriffen. Die Regierung spricht von einem Terroranschlag und macht die kurdische PKK indirekt verantwortlich. Die Hintergründe sind noch unklar.

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Ein Feuerball stieg am Eingang zum Gelände der staatlichen türkischen Rüstungsfirma Tusas am Stadtrand von Ankara auf, kurz darauf stürmten bewaffnete Kämpfer, darunter offenbar mindestens eine Frau, in die Räumlichkeiten des Waffenherstellers hinein: Internetvideos zeigten am Mittwoch den Moment des Anschlags, bei dem es nach Regierungsangaben mindestens fünf Tote und 14 Verletzte gab.

Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan sagte, der Anschlag habe auf die Rüstungsindustrie gezielt und damit auf die Sicherheit der Türkei. Tatverdächtige nannte Erdogan nicht. Der Kampf der Türkei gegen Terroristen aller Art gehe weiter, sagte er. Der Verdacht fällt in erster Linie auf Linksextremisten.

Die Täter zielten mit ihrem Anschlag auf ein Herzstück der türkischen Rüstungsindustrie. Tusas ist eine der wichtigsten Rüstungsfirmen der Türkei und im Luftfahrt- und Raumfahrtsektor tätig. Die Firma soll den ersten Kampfjet der Türkei herstellen, den TF-Kaan. In der Fabrik, die am Mittwoch angegriffen wurde, werden zudem amerikanische Kampfjets des Typs F-16 gewartet und modernisiert.

Präsident Recep Tayyip Erdogan hat die Rüstungsindustrie seines Landes in den vergangenen Jahren erheblich ausgebaut, um die Abhängigkeit von ausländischen Herstellern zu verringern. Der TF-Kaan hatte Anfang des Jahres seinen Jungfernflug absolviert und soll im kommenden Jahrzehnt in Dienst gestellt werden.

Es gab zunächst Berichte über eine Geiselnahme

Der Angriff begann während der Wachablösung des Sicherheitspersonals bei Tusas um 15.30 Uhr (14.30 Uhr MESZ). Unklar war zunächst, ob die Explosion, die auf den Videos zu sehen war, von einem Selbstmordattentäter gezündet wurde. Videos und Fotos zeigten das teilweise zerstörte Wachhaus am Eingang zum Werksgelände und mindestens drei Angreifer, darunter eine Frau. Türkische Medien berichteten, die Täter seien auf das Gelände vorgedrungen und hätten Geiseln genommen; es gebe weiterhin Schusswechsel.

Innenminister Ali Yerlikaya teilte mit, es handele sich um einen Terroranschlag, bei dem es vier „Märtyrer“ gegeben haben; der Begriff wird im offiziellen Sprachgebrauch der Türkei für getötete Soldaten oder Polizisten verwendet. Zudem seien ein Täter und eine Täterin getötet worden, sagte der Minister.

Zu dem Anschlag bekannte sich zunächst niemand. Einige Medien spekulierten über die verbotene kurdische Terrororganisation Arbeiterpartei Kurdistan (PKK) und verwiesen besonders auf den Zeitpunkt: Der Anschlag kam einen Tag, nachdem der Anführer der türkischen Rechtsnationalisten, Devlet Bahceli, zu einem Ende des Kurdenkonflikts aufgerufen hatte.

Bahceli schlug vor, der inhaftierte PKK-Gründer Abdullah Öcalan solle im türkischen Parlament sprechen und den Krieg gegen den Staat offiziell für beendet erklären. Nun könnten extreme Gruppen in der PKK versuchen, diesen Prozess zu stören, hieß es in den Berichten.

Auch der türkische Innenminister Ali Yerlikaya brachte den Anschlag in mit der PKK in Verbindung. Der Anschlag trage die Handschrift der PKK, sagte Yerlikaya, ohne weitere Details zu nennen.

Immer wieder Anschläge verschiedener Gruppierungen in der Türkei

Allerdings passte die Art des Anschlags nicht zu den gewöhnlichen Methoden der PKK. Zudem ist die PKK durch die Verfolgung der türkischen Armee so geschwächt, dass sie seit Jahren kaum noch zu großen Gewalttaten fähig ist. Auch der Islamische Staat (IS), der in der Türkei aktiv ist, scheidet als Tätergruppe wohl aus, denn der IS setzt keine Frauen als Kämpferinnen ein.

Der Verdacht richtete sich vor allem gegen die linksextreme Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front (DHKP-C), die seit den 1970er Jahren aktiv ist und vor allem Polizei und andere Sicherheitsorgane angreift. Die DHKP-C ist extrem anti-amerikanisch und bietet sowohl Selbstmordattentäter als auch Kämpferinnen auf.

Auch Geiselnahmen gehören zu ihren Methoden. So drangen DHKP-C-Kämpfer vor neun Jahren in ein Istanbuler Gerichtsgebäude ein und brachten einen Staatsanwalt in ihre Gewalt. Die Polizei stürmte das Zimmer und tötete die Angreifer; der Staatsanwalt starb ebenfalls.

Die Nato erklärte nach dem Anschlag ihre Solidarität mit dem Bündnispartner Türkei. Generalsekretär Mark Rutte erklärte, er sei „tief besorgt“. Die Nato verurteile den Terrorismus in all seinen Formen. Auch die EU verurteilte den Anschlag und kondolierte den Opfern.

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