zum Hauptinhalt
Videoaufnahmen einer Drohne zeigen, wie Hamas-Kämpfer einen Leichensack in Gaza-Stadt verscharren.

© x.com/IsraelMFA/Screenshot: Tagesspiegel

Entsetzen in Israel nach Übergabe falscher Leiche: Hamas-Kämpfer verscharren wohl Körperteile eines Israelis, um das Rote Kreuz zu täuschen

Es ist ein neuer Tiefpunkt im Umgang der Hamas mit den israelischen Toten: Die Organisation übergab am Montag nicht eine vermisste Geisel, sondern Leichenteile eines schon vor zwei Jahren beigesetzten Israelis.

Stand:

Es ist ein zynischer Vorfall, der Israel und die dortige Regierung am Dienstag erschüttert: Die Hamas hat am Montag nicht wie angekündigt eine weitere tote Geisel an Israel überstellt, sondern die Leichenteile eines schon vor zwei Jahren in Gaza geborgenen Israelis.

Bei dem Toten handelt es sich laut israelischen Medien um Ofir Tzarvati, der am 7. Oktober 2023 auf dem Supernova-Musikfestival entführt wurde. Tzarvati feierte auf dem Festival mit seiner Freundin und Freunden seinen 27. Geburtstag. Vor seiner Entführung wurde er angeschossen und starb später im Gazastreifen. Seine Freundin überlebte. Israelische Soldaten fanden Teile seiner Leiche in Gaza im Zuge der dortigen militärischen Offensive und erklärten ihn am 27. November 2023 für tot.

Ein Mann klebt einen Aufkleber mit der Aufschrift „Zuhause“ auf ein Plakat, das eine der kürzlich freigelassenen Geiseln zeigt, am Rande der Nova Music Festival Exhibition, die den Opfern des Anschlags vom 7. Oktober 2023 auf das Supernova Sukkot Gathering in Israel gewidmet ist.

© AFP/JOHN MACDOUGALL

Die Familie des Mannes sei informiert worden, teilte das Büro des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu mit. Schon am Dienstagvormittag hatten israelische Medien berichtet, es handle sich bei der am Montagabend übergebenen Leiche nicht um eine neue vermisste Hamas-Geisel.

Am Mittag wandte sich die Familie von Tzarvati mit einem weiteren grausamen Detail an die Öffentlichkeit. Demnach hat die Familie Zugang zu einem Drohnenvideo erhalten, das laut Armeeangaben zeigt, wie Hamas-Mitglieder am Montag in Gaza-Stadt ein Grab ausheben, um dort die Leichenteile von Tzarvati, die sich in einem weißen Leichensack befanden, zu verscharren.

Ofir Tzarfati auf einem Poster, das ihn als vermisst zeigt.

© Getty Images/Alexi J. Rosenfeld

Später sei das Rote Kreuz an die Stelle gerufen worden und Hamas-Kämpfer hätten die Leichenteile wieder ausgegraben und übergeben. Das legt nahe, dass die Hamas vortäuschen wollte, es handele sich um eine neu entdeckte, tote Geisel.

Ein Konvoi des Roten Kreuzes transportierte am Montagabend die Leichenteile von Ofir Tzarvati aus Gaza nach Israel.

© REUTERS/Dawoud Abu Alkas

Laut israelischen Soldaten, die die Szene verfolgten, habe die Hamas die Leichenteile zuvor aus einem Haus direkt an der Grube geholt. Nachdem der Leichensack verscharrt wurde, rückte ein Bagger und lud einen Haufen Erde samt der Leiche in die Schaufel und kippte sie einige Meter weiter auf einen Haufen. Dabei kam der Leichensack zum Vorschein und die Hamas-Kämpfer taten so, als hätten sie ihn gerade entdeckt. Zwei Kämpfer filmen die Szene mit dem Handy.

Zu sehen ist die Szene hier auf einem Video, das die israelische Armee am Dienstag veröffentlichte:

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Bereits im März 2024 waren sterbliche Überreste von Ofir Tzarvati nach Israel überführt worden.

„Es ist das dritte Mal, dass wir gezwungen sind, Ofirs Grab zu öffnen und unseren Sohn erneut zu beerdigen“, erklärte die Familie. Und weiter: „Der Kreis hätte sich eigentlich im Dezember 2023 schließen sollen, aber er schließt sich nie wirklich. Seitdem leben wir mit einer Wunde, die sich immer wieder öffnet, zwischen Erinnerung und Sehnsucht, zwischen Trauer und einem Gefühl der Berufung.“

Netanjahu beruft Sicherheitskabinett ein

„Dies stellt einen klaren Verstoß der Terrororganisation Hamas gegen das Abkommen dar“, hieß es in einer Stellungnahme von Netanjahus Büro weiter. Für den Nachmittag hat die Regierung ein Treffen des Sicherheitskabinetts angekündigt. Deshalb wurde sogar der Prozess gegen Netanjahu wegen Korruption, bei dem er am Dienstag aussagt, verkürzt.

Wie die Nachrichtenseite „ynet“ und die „Times of Israel“ berichteten, erwägt Israel, seine im Gazastreifen kontrollierten Gebiete auszuweiten. Laut dem israelischen Sender Kan werden mögliche Maßnahmen aber nur in Abstimmung mit den USA unternommen. Demnach ist auch im Gespräch, die humanitäre Hilfe für die Bevölkerung im Gazastreifen zu verringern. Laut einem Medienbericht vom Dienstagnachmittag sollen die USA offen für eine Ausweiotung der von Israel besetzten Zone in Gaza sein.

Minister der israelischen Regierung forderten Netanjahu auf, die Hamas zu „zerstören“. „Die Tatsache, dass die Hamas weiterhin Spielchen spielt und nicht sofort alle Leichen unserer Gefallenen übergibt, ist an sich schon ein Beweis dafür, dass die Terrororganisation noch immer existiert“, erklärt der Minister für nationale Sicherheit, Itamar Ben Gvir. 

Finanzminister Bezalel Smotrich forderte: „Vor dem Hintergrund der wiederholten Verstöße der Hamas gegen die Waffenstillstandsbedingungen und die erste Phase des Plans von Präsident Trump sowie vor dem Hintergrund der mangelnden Fortschritte bei der Entwaffnung und Entmilitarisierung des Gazastreifens bitte ich Sie, heute dringend das Sicherheitskabinett zu einer Sitzung einzuberufen, um ein Paket entschlossener und entschiedener Maßnahmen zu erörtern und sicherzustellen, dass wir an dem zentralen Ziel des Krieges festhalten: die Zerschlagung der Hamas und die Beseitigung der von Gaza ausgehenden Bedrohung für die Bürger Israels.“

Geisel-Leichen nicht auffindbar? Israel wirft Hamas Lügen vor

Smotrich kündigte außerdem an, Netanjahu auffordern zu wollen, alle bislang im Rahmen des Deals freigelassenen und ins Westjordanland gebrachten palästinensischen Häftlinge wieder festnehmen zu lassen.

Smotrich zählt zu den Hardlinern in der ohnehin schon rechten israelischen Regierung. Hier in der Knesset.

© REUTERS/CHIP SOMODEVILLA

Auch die Angehörigen der noch vermissten Geiseln forderten ein Aussetzen des Friedensabkommens, bis alle Toten von der Hamas übergeben wurden. Ruby Chen, der Vater des getöteten amerikanisch-israelischen Soldaten Itay Chen, dessen Leiche sich noch in Gaza befinden soll, sagte am Dienstag mit Blick auf den Gaza-Deal des US-Präsidenten Donald Trump: „Dieses Abkommen ist nicht gut, das ist die Lehre aus den aktuellen Ereignissen. Die Hamas hat keinen Anreiz, alle getöteten Geiseln an Israel zu übergeben.“

Die Hamas gibt an, dass es für sie schwierig sei, die Toten zu finden, weil sie unter den Trümmern bombardierter Gebäude und Tunnel verschüttet seien. Eine Sprecherin der israelischen Regierung warf den Islamisten vor, zu lügen. Israel hatte schon vor Tagen mitgeteilt, dass es Informationen habe, wo neun der 13 Leichen seien, die die Hamas noch übergeben muss.

Eigentlich sollten auch internationale Bergungsteams in den Gazastreifen reisen, um die Leichen zu suchen. Daraus ist bis heute allerdings nichts geworden.

Die Hamas hatte bereits in der Vergangenheit anstelle von sterblichen Überresten der aus Israel Entführten palästinensische Leichen übergeben. Ob wissentlich oder versehentlich, ist unklar. Vor zwei Wochen übergab sie zuletzt statt einer Geisel eine palästinensische Leiche.

Im Februar hatte die Terrororganisation im Rahmen eines Waffenruhe-Abkommens anstelle der Leiche der Geisel Schiri Bibas, die auch deutsche Staatsbürgerin war, den Leichnam einer Palästinenserin übergeben. Die Terrororganisation räumte später einen möglichen Irrtum ein und übergab schließlich die richtige Leiche. (mit Agenturen)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })