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3-1 Deutschlands feministische Außenpolitik

© AP/Markus Schreiber; Gestaltung |TSP

Feministische Außenpolitik: Selbstzweck oder Motor für Veränderungen?

Seit Außenministerin Annalena Baerbock die Leitlinien vorgestellt hat, reißt die Debatte nicht ab. Drei Expertinnen und Experten sagen, was sie sich erhoffen.

Stand:

Am 1. März haben die Ministerinnen Baerbock (Außenministerium) und Svenja Schulze (Ministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) die Leitlinien „feministischer Politik“ vorgestellt. In den eigenen Häusern soll Diversität gefördert werden, im Umgang mit Partnerländern soll der Blick auf die Lage von Frauen und marginalisierten Gruppen gestärkt werden.


Menschliche Sicherheit ins Zentrum rücken – nachweislich

Ich erwarte drei Dinge von Deutschlands feministischer Außenpolitik: Geschlechtergerechtigkeit wird jetzt Chefinnensache. Frauen sind die größte marginalisierte Gruppe der Welt. Das zu ändern, ist jetzt Priorität.

Zweitens, das Auswärtige Amt bindet diejenigen in Entscheidungsprozesse ein, um die es am Ende geht. Das bezieht sich nicht nur auf Frauen, sondern auch auf marginalisierte Gruppen insgesamt und Menschen aus dem Globalen Süden. 

Last, but not least: Deutschland verengt den Blick nicht nur auf das Militärische, sondern stellt immer den Menschen und seine grundlegenden Bedürfnisse in den Mittelpunkt aller Sicherheitsdebatten. Das Stichwort lautet „Menschliche Sicherheit” – und die ist nicht nur bedroht von Krieg und Konflikten, sondern auch von Hunger, Krankheiten oder den Folgen der Klimakrise.

Feministische Außenpolitik ist kein Selbstzweck. Ich erwarte bessere Politik für marginalisierte Menschen – und zwar nachweislich.


Mehr Bewußtsein für strukturelle Ungerechtigkeit entwickeln

In den (sozialen) Medien mokiert man sich darüber, dass künftig in der deutschen Außenpolitik stärker darauf geachtet werden soll, dass beim Bau von Sanitäranlagen nicht nur die Bedürfnisse von Männern Berücksichtigung finden. Dabei sollte das eigentlich selbstverständlich sein.

Aufgrund von gender budgeting erwarte ich, dass mehr Gelder in gendersensible Projekte einfließen. Sie sind relativ leicht umzusetzen und oft nicht umstritten.

Das ist aber noch keine feministische Außenpolitik. Hier stehen Entscheidungsträgerinnen und -träger vor vielen schwierigen Abwägungsfragen – etwa: Wird bei der Genehmigung von Rüstungsexporten der Schutz der Menschen in Autokratien Vorrang bekommen? Welche Abstriche sind zugunsten von Verteidigungsfähigkeit und Versorgungssicherheit hinnehmbar?

Positiv ist: Der transformative Anspruch feministischer Außenpolitik wird Forderungen, Widerstand und Begründungsdruck erzeugen, und damit das Bewusstsein für Prozesse und Strukturen fördern, die Ungerechtigkeit zementieren. 


Die Bundesregierung muss die Frauen im Iran konkret unterstützen

Deutsche Außenpolitik muss in erster Linie unsere Interessen in der Welt wahren. Dazu gehört natürlich auch, Frauenrechte global zu stärken. Und seitens des Auswärtigen Dienstes der weiblichen Sicht auf die Welt und ihre Krisen das gebotene Gewicht zu geben.

Hochtrabende Konzeptpapiere mit einem ideologisch-paternalistischen Überbau und zuweilen übergriffig anmutenden Passagen sind dabei in meinen Augen aber von nachrangiger Bedeutung. 

Viel wichtiger wäre es, den Mut und das politische Kapital aufzubringen, diesen Anspruch auch in die Tat umzusetzen. Ein Lackmustest hierfür war und ist etwa die furchtbare Situation im Iran.

Leider hat es die Bundesregierung versäumt, sich umgehend und verbunden mit konkreten Taten an der Seite der protestierenden Frauen im Iran zu positionieren.  Damit hätte sie zeigen können, was Außenpolitik, die sich für Frauen einsetzt, in der Praxis bedeutet.

Stattdessen steht das Auswärtige Amt nach wie vor auf der Bremse beim Druck gegen das Mullah-Regime. 
 
 
 

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