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Ein ukrainischer Soldat steht in einem Keller, der nach Angaben der ukrainischen Behörden angeblich als Folterzelle benutzt worden sein soll.

© dpa/Leo Correa

Folter, Vergewaltigungen, brutale Gewalt: Experten werfen Russland im Krieg gegen die Ukraine Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor

Die Folterung ukrainischer Zivilisten und Kriegsgefangener sei koordinierte staatliche Politik, so ein von den UN unterstütztes Gremium. Es wertete Berichte aus knapp 50 Hafteinrichtungen aus.

Stand:

Berichte über grausames Vorgehen der russischen Armee im Zuge des Krieges gegen die Ukraine gibt es seit der Invasion Ende Februar 2022 immer wieder. Darunter sind auch Beweise und Hinweise auf Folter. Ein von den Vereinten Nationen unterstütztes Expertengremium wirft Russland nun Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor.

Russische Behörden hätten in allen von ihr kontrollierten Provinzen der Ukraine und in Hafteinrichtungen der Russischen Föderation Folterverbrechen verübt, sagte Erik Møse, der Vorsitzende der Kommission, einem Bericht der Nachrichtenagentur AP zufolge.

Schon in einem früheren Bericht war das Gremium zu dem Ergebnis gekommen, dass es sich bei dem weitverbreiteten Einsatz von Folter in der Ukraine und Russland gegen männliche und weibliche Zivilisten und Gefangene um Kriegsverbrechen handele. Nun wurden den Angaben zufolge Berichte aus 41 Hafteinrichtungen in neun besetzten Regionen der Ukraine und acht Gebieten in Russland untersucht – von behelfsmäßigen Einrichtungen bis hin zu regelrechten Folterzentren. 

Auf der Grundlage dieses Beweismaterials sind wir zu dem Schluss gekommen, dass die russischen Behörden im Rahmen einer koordinierten staatlichen Politik der Folterung ukrainischer Zivilisten und Kriegsgefangener gehandelt haben.

Erik Møse, der Vorsitzende der Kommission

Møse betonte, die Kommission sei ein Ermittlungsgremium. Er wies darauf hin, dass die ukrainische Generalstaatsanwaltschaft und der Internationale Strafgerichtshof mögliche Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in der Ukraine untersuchen und die Kommission möglicherweise um Beweise gebeten wird.

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Er sagte, die Kommission habe weitere Beweise dafür gefunden, dass gewalttätige Praktiken, die in russischen Hafteinrichtungen üblich sind, auch in ähnlichen Einrichtungen in den von Russland besetzten Gebieten in der Ostukraine praktiziert würden. Die Kommission fand auch weitere Beweise für die wiederholte Anwendung sexueller Gewalt als eine Form der Folter, sagte Møse.

Vergewaltigungen, lange erzwungene Nacktheit, Leibesvisitationen und vieles mehr wurden den Gefangenen angetan, sagte Kommissionsmitglied Vrinda Gover dem Bericht zufolge. Sie bestätigte, die meisten Kriegsgefangenen berichteten, dass sie sexueller Gewalt ausgesetzt gewesen seien und ein langanhaltendes psychologisches Trauma erlitten hätten.

Ukrainer in Hafteinrichtungen in der Ukraine und in Russland berichteten ebenfalls von einem „brutalen sogenannten Aufnahmeverfahren“, so Gover. „Harte Praktiken, die darauf abzielten, die Gefangenen einzuschüchtern, zu brechen, zu demütigen, zu zwingen und zu bestrafen, wurden routinemäßig angewendet“, sagte sie.

Es wurden demnach Überwachungskameras eingesetzt, um die Gefangenen zu beobachten, und für jeden Regelverstoß wurden harte Kollektivstrafen verhängt, während „Verhöre von einigen der brutalsten dokumentierten Behandlungen begleitet wurden“, sagte Gover demnach weiter.

Kommissionsmitglied Pablo de Greiff erklärte gegenüber Reportern, dass die Kommission nun über Beweise für die russische Organisationsstruktur verfüge, die die Folter in den Hafteinrichtungen koordiniert und ermöglicht habe.

„Darüber hinaus hat die Kommission nun Beweise dafür, dass die Leitung der Hafteinrichtungen oder andere hochrangige russische Behörden Folter oder Misshandlungen anordneten, ermutigten, duldeten oder nichts unternahmen“, sagte de Grieff.

Møse sagte, die Untersuchung der Kommission habe auch ergeben, dass die gewalttätigen Praktiken gegen Gefangene in Russland von russischen Sicherheitskräften und -mitarbeitern auf von Russland betriebene Hafteinrichtungen in den von ihm besetzten Gebieten in der Ukraine übertragen wurden.

Erik Møse, der Vorsitzende der Kommission.

© Imago/NurPhoto/Ruslan Kaniuk

„Auf der Grundlage dieses Beweismaterials sind wir zu dem Schluss gekommen, dass die russischen Behörden im Rahmen einer koordinierten staatlichen Politik der Folterung ukrainischer Zivilisten und Kriegsgefangener gehandelt haben“, sagte er. „Daher haben sie nicht nur Folter als Kriegsverbrechen, sondern auch als Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen.“

Auch die UN-Sonderberichterstatterin für Menschenrechte in Russland, Mariana Katzarova, hatte Russland in einem neuen Bericht gerade systematische Folter von Kritikern im Inland und feindlichen Soldaten vorgeworfen. Das Papier dokumentiere, „wie Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung als staatlich sanktionierte Instrumente zur systemischen Unterdrückung in der Russischen Föderation verwendet werden“, hieß es der Agentur dpa zufolge in dem Bericht.

Folter sei „kein neues Phänomen in der Russischen Föderation, aber jetzt ist es nach der vollständigen Invasion (in der Ukraine) zu einer konzertierten Strategie geworden“, sagte die Bulgarin weiter. „Ein Instrument, um den Bürgerraum zu unterdrücken, um alle Kriegskritiker oder Dissidenten zum Schweigen zu bringen, die nicht einverstanden sind mit der Politik der russischen Behörden und ihrer sogenannten besonderen militärischen Operation.“

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Seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine 2022 habe sich Folter „als Instrument für Repressionen zu Hause und im Ausland“ ausgebreitet, hieß es weiter. Die Behörden müssten selten Rechenschaft ablegen, Straflosigkeit sei zum Alltag geworden. In Russland gebe es mindestens 1300 politische Gefangene - die Zahl könne aber auch bei 1700 oder höher liegen. Unter ihnen seien auch 30 Journalisten.

Zudem sind wohl auch Tausende Ukrainerinnen und Ukrainer nach Russland gebracht worden. „Sie verrotten in russischen Gefängnissen, werden ohne Kontakt zur Außenwelt festgehalten, gefoltert, Elektroschocks ausgesetzt – allem von Elektroschocks bis hin zu Vergewaltigung und sexueller Gewalt“, so Katzarova.

Russland dulde die Quälerei von Gefangenen nicht nur, sondern nutze diese aktiv als Methode, „um Geständnisse zu extrahieren, Dissens zu bestrafen und die Kontrolle aufrechtzuerhalten“, hieß es in dem Bericht.

Russlands Staatschef Wladimir Putin beschuldigte die Sonderberichterstatterin dabei nicht direkt. „Präsident Putin ist eine Person, die die Regierung der Russischen Föderation leitet“, sagte Katzarova. „Dann gibt es ein ganzes System. Die Justiz ist mit verstrickt. Die Gesetzgeber sind mit verstrickt.“

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