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Personen gehen auf dem Campus der Harvard-Universität in Cambridge (Symbolbild).

© REUTERS/Faith Ninivaggi

 „Forschungspolitischer Suizid“: Harvard klagt gegen Ausschluss internationaler Studierender – Kritik aus Deutschland

Internationale Studierende sollen nach dem Willen von US-Präsident Trump nicht länger an der Elite-Uni Harvard studieren dürfen. Bundesforschungsministerin Dorothe Bär nennt das fatal.

Stand:

Die Elite-Universität Harvard geht juristisch gegen den von US-Präsident Donald Trumps Regierung geplanten Ausschluss ausländischer Studierender vor. Die Universität reichte am Freitag eine entsprechende Klage gegen den Schritt der US-Regierung vor einem Bundesgericht ein. Darin wirft die Universität Trumps Regierung vor, die Hochschule mit einer rechtswidrigen Vergeltungsmaßnahme unter Druck setzen zu wollen.

Harvard soll nach dem Willen der US-Regierung künftig im Rahmen eines speziellen Bundesprogramms keine neuen Studierenden aus dem Ausland mehr aufnehmen dürfen. Bereits eingeschriebene Ausländer müssten an andere Hochschulen wechseln – sonst verlören sie ihren Aufenthaltsstatus in den USA.

Die Trump-Regierung begründet ihr Vorgehen mit propalästinensischen Protesten an US-Universitäten. Hochschulen wie Harvard wird vorgeworfen, nicht entschieden genug dagegen vorzugehen und antisemitische Vorfälle auf dem Campus zu dulden.

„Mit einem Federstrich versucht die Regierung, ein Viertel der Studierendenschaft von Harvard auszuschließen – internationale Studierende, die erheblich zur Universität und ihrem Auftrag beitragen“, heißt es in der Klageschrift.

Die mehr als 7000 Betroffenen – und ihre Angehörigen – seien zu Spielfiguren in der eskalierenden Vergeltungskampagne der Regierung geworden. Dies habe verheerende Folgen für die Universität.

Verlierer auf allen Seiten

Der von der US-Regierung angekündigte Ausschluss ausländischer Studierender von der Elite-Universität Harvard sorgt auch in Deutschland für große Diskussionen.

Bundesforschungsministerin Dorothee Bär (CSU) nannte die Entscheidung aus Washington fatal. Auch Politiker anderer Parteien, wie Harvard-Absolvent Karl Lauterbach (SPD), reagierten mit deutlicher Kritik und warben für Deutschland als Studienort für internationale Nachwuchswissenschaftler.

„Das ist vor allem für die junge Generation eine ganz dramatische Entwicklung“, sagte Bär in Brüssel am Rande einer Sitzung der EU-Forschungsminister. „Ich hoffe sehr, dass die US-Regierung diese Entscheidung auch wieder rückgängig machen wird, weil sie wirklich fatal ist.“ Man sei in Europa jetzt langsam der alleinige Hotspot der Wissenschaftsfreiheit.

Ich hoffe sehr, dass die US-Regierung diese Entscheidung auch wieder rückgängig machen wird, weil sie wirklich fatal ist.

Bundesforschungsministerin Dorothee Bär (CSU)

Lauterbach bezeichnete die Angriffe der Trump-Regierung auf Harvard als einen „forschungspolitischer Suizid“. „Wenn ausgerechnet die wichtigsten und leistungsstärksten Universitäten absichtlich geschwächt werden, legt man die Axt an bei einem der bedeutendsten Pfeiler für die amerikanische Wirtschaft“, sagte der ehemalige Gesundheitsminister, Harvard-Absolvent und -Gastdozent der „Rheinischen Post“.

Unzählige Unternehmen in den USA profitierten von dem Wissen, das Harvard-Absolventen mitbrächten. „Viele ausländische Harvard-Absolventen bleiben ja in den USA nach dem Studium“, sagte Lauterbach, der seit dieser Woche den Forschungsausschuss des Bundestages leitet.

Kulturstaatsminister Wolfram Weimer sprach von einem „schweren Schlag“ und erklärte: „Der uneingeschränkte internationale Austausch gehört zum Wesenskern der Kunstfreiheit und des Fortschritts in Kunst und Kultur. Ohne ihn droht eine geistige Verzwergung, die uns alle ärmer macht.“ Die Bundesregierung setze weiter auf Austausch und Diskurs.

DAAD klagt Untergrabung des freien wissenschaftlichen Austauschs an

Auch beim Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) sieht man den Ausschluss ausländischer Studierender äußerst kritisch. „Die Betroffenen sind nachvollziehbar, sehr beunruhigt und verunsichert“, sagte der Leiter des DAAD-Bereichs Wissen und Netzwerk, Benedikt Brisch, der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) am Freitag in Bonn.

Die vom US-Heimatschutzministerium ausgesprochene Maßnahme treffe die Falschen und untergrabe den freien wissenschaftlichen Austausch – „das, was die USA immer ausgemacht hat“. Brisch hatte aber auch mit juristischem Widerstand durch die Uni gerechnet und erwarte eine Protestwelle der Studierenden. „Wir müssen die Entwicklung noch abwarten.“

Dreistellige Anzahl Deutscher in Harvard

Das Auswärtige Amt in Berlin kündigte Gespräche mit den USA darüber an, welche Auswirkungen die angekündigte Abweisung von Ausländern an der Universität auf deutsche Studierende haben werde. Man nehme das als dringende Angelegenheit wahr und werde die Erwartung zum Ausdruck bringen, dass deren Belange und Interessen angemessen berücksichtigt würden, sagte ein Sprecher.

In Harvard ist demnach eine dreistellige Anzahl Deutscher eingeschrieben, genauere Zahlen nannte der Sprecher nicht. Zwischen 8000 und 9000 Deutsche studieren einer Übersicht des Statistischen Bundesamts zufolge jedes Jahr insgesamt in den USA.

Die Elite-Universität reichte am Freitag Klage gegen den Schritt der US-Regierung vor einem Bundesgericht ein. Darin wirft die Universität Trumps Regierung vor, die Hochschule mit einer rechtswidrigen Vergeltungsmaßnahme unter Druck setzen zu wollen.

Diskussion über Nachwuchs-Anwerbung in Deutschland

Vor dem Hintergrund der Ereignisse wird in Deutschland nun verstärkt über die mögliche Anwerbung ausländischer Nachwuchswissenschaftler diskutiert. Die Regierungspartner Union und SPD hatten schon in ihrem Koalitionsvertrag ein „1000-Köpfe Programm“ zur Gewinnung internationaler Talente vereinbart. Darauf verwies Forschungsministerin Bär.

Forschungsministerin Dorothee Bär (CSU) sagt, Deutschland sei ein „sicherer Hafen“ für Studierende aus dem Ausland.

© dpa/Kay Nietfeld

Für Studierende und Forschende aus dem Ausland müssten Deutschland und Europa „ein sicherer Hafen“ sein, sagte die CSU-Politikerin. Auch die EU-Kommission plant ein 500-Millionen-Euro-Paket, das unter anderem Stipendien für Spitzenforscher finanzieren soll. Zwar könne man vielleicht nicht „eins zu eins“ Gehälter wie in den USA bieten. Dafür sei das Leben in Deutschland deutlich günstiger – und dass Forschende hier frei forschen und lehren könnten, sei „unbezahlbar“, sagte Bär.

Der CDU-Forschungs- und Digitalpolitiker Thomas Jarzombek – inzwischen Staatssekretär im neuen Bundesdigitalministerium – sagte, gerade im Bereich Künstliche Intelligenz und Digitalisierung böten deutsche Hochschulen und außeruniversitäre Einrichtungen Top-Bedingungen. „Wir wollen jetzt kämpfen um die internationalen Talente, die nach anderen Standorten suchen als etwa in den USA.“

Die für das Thema zuständige stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Misbah Khan, forderte von der Bundesregierung ein „ambitioniertes Anwerbeprogramm“. „Deutschland hat jetzt die Aufgabe, mit seinen starken und freien Hochschulen den Wegfall der USA als Bildungsstandort zu kompensieren“, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur. (dpa, KNA)

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