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Nächster Austausch wohl am Samstag: Hamas-Geiseln wieder in Israel – 28-Jährige hat Finger verloren
Im Rahmen des Gaza-Deals sind die ersten drei israelischen Geiseln freigekommen. Sie seien in verhältnismäßig guter Verfassung und mit ihren Müttern vereint, teilte das Militär mit.
Stand:
Nach ihrer Freilassung aus der Gewalt der Hamas im Gazastreifen sind drei israelische Geiseln wieder mit ihren Familien vereint. Ein gut zwei Minuten langes Video zeigt das äußerst emotionale Wiedersehen der drei Frauen mit ihren Angehörigen im Schiba-Krankenhaus bei Tel Aviv. Es gab innige Umarmungen, es flossen Tränen, es war Schluchzen und Jubel zu hören, als Familienmitglieder Romi Gonen (24), Emily Damari (28) und Doron Steinbrecher (31) in die Arme schlossen.
Ein von den Streitkräften im Onlinedienst X veröffentlichtes Foto zeigte die freigelassene Geisel Emily Damari lächelnd neben ihrer Mutter. Sie winkt mit einer stark bandagierten Hand in die Kamera. Sie hat in der Gefangenschaft zwei Finger verloren, berichten mehrere israelische Medien übereinstimmend unter Berufung auf ihre Familie.
Die Krankenhausleiterin Jael Frenkel Nir sagte vor Journalisten, der Zustand der Geiseln ermögliche es ihnen, „sich auf das Wichtigste zu konzentrieren, die Wiedervereinigung mit der Familie“. Weitere medizinische Untersuchungen könnten noch einige Stunden warten. Ein anderer behandelnder Arzt sprach von einem „emotional und medizinisch komplexen Ereignis“.
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Auf weiteren Aufnahmen ist zu sehen, wie die drei Frauen aus einem Fahrzeug des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) aussteigen und von Soldatinnen begrüßt werden, teilweise werden sie in den Arm genommen. Diese Übergabe passierte Medienberichten zufolge noch innerhalb des Gazastreifens.
Im Anschluss seien die Frauen von einer Spezialeinheit auf israelisches Gebiet gebracht worden, teilte die Armee mit. Per Hubschrauber sollen sie in eine Klinik bei Tel Aviv überführt werden und dort weitere Angehörige treffen. Auch der Termin für den nächsten Austausch steht wohl schon.

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In Gaza-Stadt waren die Geiseln am Nachmittag von der Hamas an das Rote Kreuz übergeben worden. Es handelt sich bei ihnen um die Zivilistinnen Romi Gonen (24), Emily Damari (28) und Doron Steinbrecher (31). Sie seien in guter Verfassung, habe das Rote Kreuz der Armee mitgeteilt, teilte das Militär mit.
Auf Fernsehbildern war zu sehen, wie die drei Frauen in einem Fahrzeug in Gaza von einer großen Menge umringt wurden. Bewaffnete Hamas-Mitglieder begleiteten die Frauen und drängten die Menschen zurück. Die Geiseln stiegen aus dem Fahrzeug aus.
Terroristen hatten die Frauen während des Massakers in Israel am 7. Oktober 2023 verschleppt und seitdem im Gazastreifen festgehalten. Für die drei Frauen sollen später rund 90 palästinensische Häftlinge – vor allem Frauen und Minderjährige – aus israelischen Gefängnissen entlassen werden.
Geisel-Mutter dankbar für Unterstützung
Romi Gonen wurde vom Nova-Musikfestival nahe der Grenze zum Gazastreifen entführt und dabei verletzt. Der Vater der 24-Jährigen sagte der Nachrichtenseite „ynet“ vor der Freilassung, die Familie habe mehr als 11.000 Stunden auf diesen Moment gewartet.
Die beiden anderen Frauen wurden aus ihren Häusern im Kibbuz Kfar Aza als Geiseln entführt. Emily Damari hat neben der israelischen auch die britische Staatsbürgerschaft. Doron Steinbrecher besitzt zusätzlich die rumänische Staatsangehörigkeit.

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„Nach 471 Tagen ist Emily endlich zu Hause“, teilte Mandy Damari in einer Stellungnahme des Forums der Geiselfamilien mit. Sie wolle sich bei allen bedanken, die während dieser schrecklichen Tortur nicht aufgehört hätten, für Emily zu kämpfen. „In Israel, Großbritannien, den USA und überall auf der Welt.“

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„Während Emilys Alptraum in Gaza vorbei ist, geht für zu viele andere Familien das unerträgliche Warten weiter“, teilte Damari mit. Jede einzelne Geisel müsse befreit werden und es müsse humanitäre Hilfe für diejenigen geben, die noch darauf warteten, nach Hause zu kommen.
Tausende feiern Freilassung in Tel Aviv
Zuvor hatten sich Tausende Menschen auf dem Geiselplatz in Tel Aviv versammelt, um die Freilassung in einem Livestream zu verfolgen. Viele hielten Fotos weiterer Geiseln hoch. Das Forum der Geisel- und Vermisstenfamilien sprach in einer Mitteilung von einem historischen Moment.

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Freunde von Emily Damari feierten deren Freilassung ausgelassen. Einer von ihnen nahm dabei eine Reporterin des israelischen Fernsehens auf die Schultern und tanzte, während diese weiter über die dramatischen Ereignisse berichtete. Die Familien der Geiseln verfolgten die Rückkehr der Frauen nach Armeeangaben an einem geheim gehaltenen Ort in Begleitung von Soldaten.
Der israelische Staatspräsident Izchak Herzog sprach von einem „Tag der Freude und des Trostes“. Die drei Frauen seien „so geliebt und vermisst“ worden. „Eine ganze Nation freut sich über eure Rückkehr“, sagte er nach Angaben seines Büros. Nun beginne eine „herausfordernde Reise der gemeinsamen Genesung und Heilung“.
Man fühle mit den besorgten Familien der weiteren 94 Geiseln, die noch von der Hamas im Gazastreifen festgehalten würden, sagte der Präsident. „Wir werden nicht ruhen oder schweigen, bis wir alle unsere Schwestern und Brüdern aus der Hölle der Gefangenschaft in Gaza zurückbringen“, erklärte er.
Wir werden nicht ruhen oder schweigen, bis wir alle unsere Schwestern und Brüdern aus der Hölle der Gefangenschaft in Gaza zurückbringen.
Israels Präsident Izchak Herzog
Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu sagte nach der Freilassung der drei Geiseln, diese seien „durch die Hölle gegangen“. In einem Gespräch mit einem Regierungsvertreter sagte er einer Erklärung zufolge über die Freigelassenen: „Sie treten aus der Dunkelheit ins Licht, aus der Knechtschaft in die Freiheit.“
Scholz fordert weitere Freilassungen
„Heute ist ein Tag der Freude: Endlich sind weitere Geiseln der Hamas freigekommen und wieder mit ihren Familien vereint“, schrieb Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) auf der Plattform X. Diesem ersten Schritt müssten weitere folgen. „Alle Geiseln müssen freikommen und es muss rasch mehr humanitäre Hilfe in den Gazastreifen gelangen.“
Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) schrieb auf X: „Erleichterung und Trauer liegen heute nah beieinander: Pure Erleichterung, dass Geiseln nach 471 Tagen ihren Liebsten in die Arme fallen. Aber auch Trauer über die Gewissheit, dass nicht alle das Grauen überlebt haben.“ Sie denke besonders an jene immer noch Verschleppten und deren Familien.
Alle Geiseln müssen freikommen und es muss rasch mehr humanitäre Hilfe in den Gazastreifen gelangen.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD)
Wenn sich alle an die Vereinbarungen hielten, könne der Waffenstillstand mehr sein, als nur ein Moment des Aufatmens. Auch die Menschen in Gaza könnten erstmals seit Langem wieder ohne Angst vor Bomben durchatmen. „Noch fehlt es an allem: Nahrung, medizinische Versorgung & Notunterkünfte. Wir tun mit Partnern alles dafür, dass dringend nötige Hilfe nun wie vereinbart schnell zu ihnen gelangt“, schrieb Baerbock weiter.

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Im Gazastreifen werden nun noch 94 aus Israel Verschleppte festgehalten, 34 von ihnen sind laut der israelischen Armee tot. In den kommenden sechs Wochen, der ersten Phase des Deals, sollen noch 30 weitere Geiseln freigelassen werden.
Der scheidende US-Präsident Joe Biden würdigte die Waffenruhe als wichtigen Schritt und erklärte, dass in den kommenden sieben Tagen vier weitere Frauen freikommen sollen, gefolgt von drei weiteren Geiseln jede Woche, darunter mindestens zwei amerikanische Staatsbürger. Auf die Frage, ob er besorgt sei, dass sich die Hamas neu formieren könnte, antwortete er knapp: „Nein.“

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Ein Hamas-Vertreter teilte am Sonntag in Kairo mit, dass der nächste Austausch kommenden Samstagabend erfolgen soll. Im Gegenzug war vereinbart worden, dass Israel für die insgesamt 33 Geiseln 1904 palästinensische Häftlinge aus israelischen Gefängnissen entlässt.
Die ersten Palästinenser seien auch bereits aus der Haft entlassen, hieß es am Sonntagabend. Freigelassene seien in Ost-Jerusalem in eine Polizeistation gebracht worden, vor der Angehörige auf die Entlassung warteten, teilte das Pressebüro der palästinensischen Autonomiebehörde mit. Eine frühere Mitteilung des Pressebüros, wonach einige der Freigelassenen bereits bei ihren Familien seien, wurde später korrigiert.
Eine offizielle Bestätigung durch israelische Stellen gab es zunächst nicht. Bei den Palästinensern handelt es sich nach israelischen Regierungsangaben um 1.167 festgenommene Bewohner des Gazastreifens, die nicht an dem Massaker der Hamas am 7. Oktober 2023 in Israel beteiligt waren. Dies dürfte vor allem Hamas-Kämpfer betreffen, die während der vergangenen mehr als 15-monatigen Kämpfe gefangen genommen wurden.
Auch unter den restlichen freizulassenden Palästinensern sind zahlreiche verurteilte Terroristen und Mörder, die häufig lebenslange Haftstrafen verbüßen.
Weitere Schritte geplant
Zuvor war am Vormittag im Gaza-Krieg eine vorübergehende Waffenruhe in Kraft getreten. In den nächsten Wochen wollen Hamas und Israel über weitere Schritte verhandeln. Ziel ist der vollständige Rückzug des israelischen Militärs aus Gaza und die Freilassung der letzten Geiseln. Wird keine Einigung erzielt, könnten die Kämpfe weitergehen.
Der Gaza-Krieg war nach dem Überfall der Hamas und anderer terroristischer Gruppen auf Israel im Oktober 2023 mit rund 1200 Toten ausgebrochen. Große Teile des von den Palästinensern bewohnten Gazastreifens liegen in Schutt und Asche. Nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde kamen mehr als 46.900 Menschen ums Leben. Wie viele davon Zivilisten und wie viele Kämpfer sind, sagt sie nicht.
Das IKRK mahnte, den jetzigen politischen Impuls fortzuführen. Das Abkommen sei ein wichtiger Schritt, aber damit sei es nicht getan, sagte die IKRK-Präsidentin Mirjana Spoljaric jüngst. „Den unermesslichen humanitären Bedürfnissen muss nachgekommen werden und das wird Monate, wenn nicht gar Jahre in Anspruch nehmen.“ Die Organisation sei jedenfalls auf eine Ausweitung der humanitären Hilfe vorbereitet, so Spoljaric.
Im Zuge einer Waffenruhe Ende November 2023 hatte die Hamas 105 Geiseln freigelassen. Im Gegenzug entließ Israel damals 240 palästinensische Häftlinge aus Gefängnissen. (dpa/Reuters/KNA/AFP)
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